Agrardialoge: Mit Tackmann auf Tour

Hofrunde mit Erik Zijlstra (3. v. l.), Ines Sennewald (Bauernverband), Anke Schwarzenberg, Bettina Fortunato, Kirsten Tackmann (Linke) und Holger Pfeffer (Landschaftspflegeverband, v. l.).
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Jeden Sommer fährt die Bundestagsabgeordnete Dr. Kirsten Tackmann für ihre Agrardialoge übers Land. Am Mitte August standen Besuche beim ZALF in Müncheberg und in einem Kuhstall in Heinersdorf auf dem Programm.

Von Heike Mildner

Dieser Donnerstag wird ein langer für Kirsten Tackmann und ihre Begleitung. Auch in diesem Sommer ist die Brandenburgerin, die seit 2005 für Die Linke im Bundestag arbeitet, auf Agrardialog-Tour. Es geht um Information und Austausch mit Menschen, die in oder im Umfeld der Landwirtschaft tätig sind. Tackmann nimmt sich Zeit dafür. Heute zweieinhalb Stunden für das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung  (ZALF), zwei Stunden für das Tierzuchtgut Heinersdorf. Begleitet wird sie von Parteikollegen von Landes- und Regionalebene, vorweg Thomas Domres, Agrarsprecher der Linken im Landtag.

Im Zalf geht es um aktuelle Agrarforschungsprojekte und deren Einfluss auf die politischen Akteure und auf Landwirte. 1928 als Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung gegründet, stand hier besonders ab 1977 die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit im Vordergrund, und seit 1992 mehr und mehr die nachhaltige Nutzung von Agrarlandschaften, ordnet Prof. Dr. Katharina Helming die Einrichtung im Osten Brandenburgs mit derzeit 375 Mitarbeitern geschichtlich ein.

Der Webauftritt des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Screenshot (c) Heike Mildner

Dass das ZALF trotz seiner Kernkompetenz nicht in die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ des Bundeskabinetts eingebunden ist, findet nicht nur Tackmann fragwürdig. Bei der „Ackerbaustrategie 2035“ der Bundesregierung fehle den ZALF-Wissenschaftlern die Systematik, fasst Helming auf Nachfrage Tackmanns zusammen. Man habe das im Kommentar des Zalf ausführlich erläutert.

Maßnahmensteckbriefe zum Schutz von Insekten

Mit vier Vorträgen geht es ins Detail. Dr. Peter Weißhuhn referiert zur „Herausforderung Insektensterben“. Im Auftrag der Landesregierung haben er und seine Wissenschaftskollegen innerhalb eines Jahres 52 Maßnahmensteckbriefe erarbeitet, von denen 30 die Arbeit der Landwirte betreffen. 23 Maßnahmen wurden als prioritär herausgefiltert, das Ganze dem Ministerium übergeben.

 Auch um die Frage, wie Ökosystemleistungen honoriert werden können, kreisen ZALF-Projekte. So stellte Dr.  Karin Stein-Bachinger ein Modell vor, das mit 15 Mutterkuhhaltern und dem WWF entwickelt wurde: ein Punktesystem, das je 100 Hektar Betriebsfläche die Ökoleistungen bewertet. Edeka als Hauptsponsor nutzt die Ergebnisse für die Vermarktung. Mittlerweile beteiligen sich 145 Betriebe in zwölf Bundesländern, so in Brandenburg u. a. die Agrargenossenschaften Radensdorf, Münchehofe, Löpten-Briesen. Was denn die Landwirte davon hätten, fragte Landwirtin Julia Bar-Tal nach. Die Antwort „Fünf Cent pro Kilo“ – brachte das Dilemma auf den Punkt. Besser also, man schaut in die Zukunft?

Hahnel regt Stammtisch für Wissenschaftler und Landwirte an

Carmen Schwartz und Marco Donat stellten ihre Anteile am Projekt „Agrarsystem der Zukunft: Dakis – digitales Wissens- und Informationssystem für die Landwirtschaft“ vor. Seit gut einem Jahr arbeiten Wissenschaftler in zehn Forschungseinrichtungen an einer Vision der digitalen Landwirtschaft von morgen. „Ein digitales Entscheidungssystem für die Praxis soll Anbausysteme mithilfe von Robotik, Sensorik und Computermodellen ökonomisch effi­zienter und gleichzeitig ökologisch nachhaltiger machen“, heißt es zum Ziel des Projekts. Ein Beispiel: Auf einem 50-Hektar-Schlag werden je nach Bodenbeschaffenheit computermodelliert die optimalen Kulturen ausgewählt und von Landtechnikrobotern kleinteilig angebaut. In einer Gesellschaft, in der meist der Markt das Schlusswort spricht, scheint so eine Vi­sion allerdings wenig praktikabel. Schäfer Frank Hahnel ergreift die Flucht nach vorn und regt einen Stammtisch „Wissenschaft trifft Landwirtschaft“ an.

Prof. Dr. Harald Kächele vom ZALF zeichnet am Ende einer lebhaften Diskussion ein herbes Zustandsbild: Wissenschaft, Politik und Praxis seien in unterschiedlichen Kosmen unterwegs. Geforscht werde genug, es gebe kein Wissens- sondern ein Umsetzungsdefizit: ein strukturelles Problem, das auf Metaebene mit der Politik diskutiert werden müsse.

Für Tackmann ist das Agrarmodell gescheitert

Für Tackmann eine Steilvorlage: Natürlich könne man mit der Linken über Systemwechsel reden. Das größte Hemmnis sei, dass das Agrarmodell sozial, ökologisch und ökonomisch gescheitert ist. Man müsse auf den Trümmern etwas Neues aufbauen und nicht das Gescheiterte hier und da besser machen wollen. Aldi, Lidl und Tönnies seien der Regierung aber offenbar näher als die Parlamente, so Tackmann, die bereits angekündigt hat, im nächsten Jahr nicht mehr zur Bundestagswahl anzutreten.

Der Kuhstall in Heinersdorf, gebaut 2013, sorgt im Vergleich zu denen aus DDR-Zeiten für eine deutlich bessere Milchleistung. Urkunden illustrieren das Leistungsvermögen. (c) Heike Mildner

Von der Metaebene zurück auf den Boden der landwirtschaftlichen Produktion. Zehn Kilometer südöstlich vom ZALF stehen in den Ställen des Tierzuchtgutes Heinersdorf 1.250 Kühe. Die Ställe gehören Erik Zijlstra und seiner Frau. 1999 kauften sie ein Drittel des Tierzuchtgutes Heinersdorf, 2005 die restlichen zwei Drittel, 2007 einen Ackerbaubetrieb in Müncheberg, 2010 den Nachbarbetrieb in Steinhöfel, wo weitere 1.600 Kühe stehen. Auf der Hälfte der 4.000 ha des Gutes wächst Futter, auf der anderen Hälfte gedeihen Marktfrüchte. Zu jeder Stallanlage gehört eine Biogasanlage, in der Gülle zu Strom wird.

Reihenweise Urkunden für die Lebensleistung der Kühe

An den Wänden im Beratungsraum reihen sich die Urkunden: Viele seiner Kühe haben eine Lebensleistung von über 100.000 Litern erreicht. Für einen Liter bekommt Erik Zijlstra derzeit 30 Cent, die Milch wird bis nach Radeberg gefahren. „Unser Hauptgeschäft ist Kühe melken“, sagt Erik Zijlstra, der seine Wurzeln in den Niederlanden hat, gern lacht und sein Vertrauen in den Markt freundlich den Ansichten der Linken-Politikerin gegenüberstellt. Sein Credo „Es muss alles ein bisschen zusammenpassen!“ scheint banal, ist aber auch das Einfache, das schwer zu machen ist: Baugenehmigungen für Güllelager im Außenbereich und der anstehende Stallumbau sind da nur zwei Beispiele.