Feldmausbekämpfung: Eine Komplizierte Lösung, und die noch (zu) spät

Der Feldmausbekämpfung steht der geschützte Feldhamster entgegen. 70 % der Thüringer Ackerflächen gelten als sein Vorkommensgebiet, was eine erstaunliche Verbreitung ist. © Bauernzeitung/Archiv
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Zur Feldmausbekämpfung gibt es in Thüringen einen neuen Kompromiss: Landwirte dürfen ihre Flächen nun nach Feldhamstern absuchen. Der Pflanzenschutzdienst wird dies dann vor Ort begutachten. Das Landesamt für Landwirtschaft informierte heute über das Procedere.  

Von Frank Hartmann

Die Debatte um die Feldmausbekämpfung im Freistaat hat zuletzt absurde Züge angenommen. Da sah sich etwa der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Mario Voigt, aufgefordert, ein Machtwort von Ministerpräsident Bodo Ramelow zu verlangen, weil „Frau Siegesmund und Herr Hoff zu einer praktikablen Lösung nicht im Stande sind“. Die Umweltministerin und der Agrarminister streiten seit Wochen darüber, unter welchen Umständen Landwirte Rodentizide einsetzen dürfen, ohne Feldhamster zu gefährden. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) warnte gar, ohne Schutz werde es in fünf Jahren keine Feldhamster mehr in Thüringen geben.

Feldmausbekämpfung: Ohne Gutachter geht gar nichts

Nach der Kabinettssitzung am Dienstag präsentierten das Agrar- und das Umweltministerium einen neuen Kompromiss zur Feldmausbekämpfung. Danach können Landwirte innerhalb der aktuellen Vorkommensgebiete von Feldhamstern die geplante Anwendung von Rodentiziden beim Pflanzenschutzdienst des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) anzeigen. Feldhamster dürfen auf diesen Flächen und in unmittelbar angrenzenden Bereichen nicht vorkommen. „Sofern keine Möglichkeit besteht, dies durch einen qualifizierten Gutachter bestätigen zu lassen, führt die Landwirtin bzw. der Landwirt in Zusammenarbeit mit dem Pflanzenschutzdienst eigene Kontrollen durch und dokumentiert diese“, hieß es in einer Erklärung des Agrar- und des Umweltministeriums. Ganze neun Gutachter hatte das Umweltministerium Anfang September für eine eventuelle Untersuchung von Flächen bestimmt. Praktiker berichteten, dass diese nicht vollumfänglich zur Verfügung stünden. Im besten Fall schaffe ein Gutachter acht Hektar am Tag.

Feldmäuse bekämpfen: Vogelschutzgebiet bleibt tabu

Heute präzisierte das TLLLR in einem Merkblatt das Procedere. Darin stellt das Landesamt noch einmal klar, dass sich die neue Festlegung ausschließlich auf Feldhamsterflächen bezieht. Befindet sich der betroffene Schlag in einem FFH- und/oder Vogelschutzgebiet, besteht das Anwendungsverbot von Rodentiziden fort! Bevor ein Landwirt sich an den Pflanzenschutzdienst seines Agrarförderzentrums wendet, muss er drei vergebliche Versuche nachweisen (drei mündlich oder schriftlich gestellte Anfragen), einen der o.g. Gutachter zu bestellen. Erst dann kann er sich an seinen zuständigen Pflanzenschutzdienst wenden. Mindestens einen Werktag vor der Ausbringung ist die geplante Maßnahme anzuzeigen, inklusive der Angaben zu den Schlägen. Der Pflanzenschutzdienst begutachtet dann gemeinsam mit dem Betrieb die Fläche. „Eine Rodentizidausbringung darf erst dann erfolgen, wenn die Freigabe durch den Pflanzenschutzdienst erfolgt ist“, heißt es im Merkblatt, dem das Antragsformular beigefügt ist. Nach Informationen der Bauernzeitung stehen in allen TLLLR-Außenstellen momentan gut zwölf Fachleute des Pflanzenschutzdienstes zur Verfügung. Betroffen vom Feldmausbefall sind rund 65.000 Hektar.

Kritik von der Opposition

Die jetzige Lösung ist für CDU-Fraktionschef Mario Voigt „ein durch und durch fauler Kompromiss zu Lasten von Thüringens Landwirten“. Während Rot-Rot-Grün streite, würden die Mäuse die nächste Ernte wegfressen. Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) habe „eine bürokratisch umständliche Einigung akzeptieren“ müssen, gleichwohl es nicht genügend Mitarbeiter beim Pflanzenschutzdienst gebe. Es sei daher zu befürchten, dass „die nun beschlossenen gemeinsamen Begehungen mit den  Landwirten gar nicht alle werden stattfinden können. Wir hätten es für grundsätzlich besser gehalten, die sachsen-anhaltische Lösung zu übernehmen“. Eine frühzeitige Einigung auf einen solchen Kompromiss hätte immense Ernteausfälle in diesem Herbst verhindert, so Voigt.

Beschlüsse zum Feldhamster-Schutz

Mit der Regelung zur Feldmausbekämpfung beschloss das Kabinett zugleich etliche Hamsterschutzmaßnahmen. Eine Arbeitsgruppe soll klären, ob künftig in Pachtverträge für landeseigene Flächen Auflagen für eine hamsterfreundliche Bewirtschaftung aufgenommen werden können. Prüfen will man, inwieweit das Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut Buttelstedt GmbH (TLPVG), eine hundertprozentige Tochter der Landgesellschaft, als „Hamsterschutzzentrum“ fungieren kann. In der Kabinettsvorlage wurde das TLPVG fälschlicherweise als gemeinnützige GmbH aufgeführt. Zudem will man Wege für anlastungsfreie und ökonomisch attraktive Maßnahmen zum Hamsterschutz im Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) finden. Nicht vereinbart wurde, die Vorkommen des Feldhamsters in Thüringen neu zu ermitteln. Die derzeitige Kulisse schließt rund 70 % der Ackerflächen im Land ein.

Kurzfristig versammelten sich am Dienstag vor der Erfurter Staatskanzlei 50 Landwirte des Bauernverbandes zu einer Gegendemo. Ein Dutzend Mitglieder des Nabu und BUND protestierten hier gegen den Einsatz von Rodentiziden zur Feldmausbekämpfung. © TBV      

Bauernverband: Verdecktes Ausbringen ist sicher

Der Thüringer Bauernverband kann bis heute keine Gefahr für Feldhamster bei der verdeckten Ausbringung von Rodentiziden von Loch zu Loch mittels Legeflinte erkennen. Dies wiederholte er am Dienstag, als die Landesverbände von BUND und Nabu vor der Staatskanzlei in Erfurt gegen einen Einsatz von „Gift“ zur Bekämpfung der Feldmäuse demonstrierten. Beide Verbände warfen den Landwirten vor, mit ihrer Bewirtschaftung der Feldmaus Vorschub zu leisten. „Anders, als BUND und Nabu behaupten, ist beim sachgerechten verdeckten Ausbringen von Rodentiziden kein Schaden bei Feldhamstern oder Greifvögeln zu befürchten. Das bestätigen sowohl das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als auch das staatliche Julius-Kühn-Institut eindeutig“, erklärte TBV-Hauptgeschäftsführerin Katrin Hucke. Es gebe auch keine Belege, dass Fressfeinde Feldmauspopulationen regulieren würden.

Ab 1. November reguläre Bekämpfung von Feldmäusen

Unabhängig davon, wie schnell Landwirte jetzt auf die Hamstersuche gehen können: Ab 1. November dürfen in Hamstergebieten und Haselmausarealen regulär wieder Rodentizide eingesetzt werden. In FFH- und EU-Vogelschutzgebieten sowie an Rastplätzen von Zugvögeln bleibt dies weiterhin verboten.