GAP-Reform: Einigung mit Zugeständnissen
Nach einer langen Verhandlungsnacht haben die EU-Agrarminister am Mittwoch in den frühen Morgenstunden eine Einigung auf eine gemeinsame Verhandlungsposition zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erreicht.
Die zunächst für den Dienstagnachmittag erwartete Einigung brauchte dann doch noch fast 14 weitere Stunden. Am Mittwochmorgen um 4.30 Uhr vereinbarte in Luxemburg eine qualifizierte Mehrheit der EU-Agrarminister die gemeinsame Position für die anstehenden Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem Europaparlament über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Gegen den von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorgelegten Kompromissentwurf stimmte Litauen. Rumänien, Bulgarien und Lettland enthielten sich.
Ein Fünftel des Budgets für Umweltmaßnahmen
Konkret haben sich die Ressortchefs nach langem Ringen unter anderem auf ein verpflichtendes Mindestbudget für die neuen Eco-Schemes in der Ersten Säule von 20 % geeinigt. Dabei soll es nun jedoch möglich sein, Leistungen der Zweiten Säule unter bestimmten Bedingungen anrechnen zu dürfen. Laut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner können auch Beihilfen zur Förderung des Tierwohls den Eco-Schemes zugeschrieben werden.
Ein Zugeständnis an die Staaten, denen Klöckners Vorschlag zu weit ging, ist eine „Lernphase“ von zwei Jahren. Gelder, die z.B. aus verwaltungstechnischen Gründen noch nicht für das neue Instrument der Öko-Schemen verwendet werden konnten, dürfen in dieser Phase als Basishektarprämie an die Landwirte ausgezahlt werden.
Ein weiterer Knackpunkt war die Frage, ob Kleinerzeuger unter die Konditionalität – den verschärften Nachfolger von Cross-Compliance – fallen sollen. Auf Vermittlung Deutschlands einigten sich die Ressortchefs schließlich auf schwächere Vorgaben für kleinere landwirtschaftliche Betriebe. Demnach müssen diese keinen Beitrag zur Finanzierung des Krisenfonds leisten. Des Weiteren sollen die Kleinlandwirte nach dem Willen des Agrarrates auch nicht fünf Prozent ihres Ackerlandes für nicht-produktive Flächen bereithalten müssen.
Mitgliedstaaten erhalten mehr Spielraum
Des Weiteren wurde zur Konditionalität vereinbart, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich des „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustandes von Flächen“ (Glöz-9) auswählen können, wie die höhere Umwelt- und Klimaziele umgesetzt werden. Hierauf hatten unter anderem die Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) gedrängt. In einer ersten Option sollen drei Prozent der Ackerfläche ausschließlich für nicht-produktive Flächen und Elemente vorgesehen werden, was einer Stilllegung gleichkäme. Alternativ dazu könnte gemäß der zweiten Option ein Anteil von mindestens fünf Prozent für nicht-produktive Flächen und Elemente gewählt werden – dazu würde dann auch der Anbau von Zwischenfrüchten und stickstofffixierenden Pflanzen ohne Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zählen.
Im Hinblick auf die fakultativ von den Mitgliedsländern festzulegende Obergrenze der jährlichen Direktzahlungen für die Betriebe sind die Agrarminister weitgehend der Empfehlung des Europäischen Rates vom Sommer gefolgt: Eine Kappung ist ausschließlich ab einem Betrag von 100.000 Euro pro Betrieb möglich, eine Degression darf bereits ab 60.000 Euro Basisprämie angewendet werden.
Klöckner nennt Einigung einen „Systemwechsel“
Bundesministerin Julia Klöckner verteidigte die Einigung gegen Kritik, die vor allem aus Öko-, Umwelt- und Klimaschutzverbänden kam. Vor der Bundespressekonferenz in Berlin sprach die Ministerin am Mittwoch von einem „Systemwechsel“ in der europäischen Agrarpolitik, der mit den nach schwierigen Verhandlungen erreichten Beschlüssen eingeleitet werde. Zum einen sei es gelungen, gegen den anfänglichen Widerstand einer Mehrheit der Mitgliedstaaten Eco-Schemes in der Ersten Säule verpflichtend für alle Länder einzuführen. Dies sei wichtig gewesen, um faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb Europas zu gewährleisten. Zum anderen werde mit der Festlegung auf ein Mindestbudget für die Eco-Schemes von 20 % sichergestellt, dass hinreichend Mittel für die Honorierung von Ökoleistungen in der Ersten Säule mobilisiert würden. Allein in Deutschland werde sich deren Umfang auf rund eine Milliarde Euro im Jahr belaufen.
Die CDU-Politikerin räumte ein, dass die künftigen Regelungen den Landwirten einiges abverlangen würden. So würden die Grundanforderungen an die Direktzahlungen mit der verstärkten Konditionalität angehoben. Kein Euro werde in Zukunft gewährt, ohne dass dafür Bedingungen eingehalten werden müssten. Gleichzeitig habe man darauf geachtet, dass die Regelungen für die Landwirte praktikabel und umsetzbar seien und die Direktzahlungen ihre Einkommensfunktion nicht verlören.
Sachsen strebt Gemeinwohlprämie an
Sachsens Umwelt- und Landwirtschaftsminister Wolfram Günther äußerte sich dennoch kritisch zum Ergebnis. Für eine ambitionierte, ökologisch ausgerichtete Agrarpolitik hätte er sich ein klares Signal gewünscht, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch. „Die Fakten des Klimawandels und des Artensterbens zeigen uns täglich, dass wir eine Agrarwende brauchen.“ Eine Einigung auf den vom Europaparlament bevorzugten Budgetanteil von 30 % für Öko-Regelungen und ein sofortiger Start solcher Maßnahmenangebote für die Landwirte (ohne Pilotphase) wäre aus seiner Sicht „das richtige Signal“ gewesen.
»Für Deutschland strebe ich das Modell einer Gemeinwohlprämie an: Landwirte sollen mit Umweltleistungen Geld verdienen und diese abgestimmt auf ihren Betrieben anwenden können. Wirkungsvolle Umweltmaßnahmen benötigen besondere Anreize, wir müssen die Landwirte hier mit ins Boot holen«, so der Minister weiter.
Dalbert nennt Einigung enttäuschend
Ähnlich äußerte sich Sachsen-Anhalts Agrar- und Umweltministerin Claudia Dalbert. Im MDR nannte sie den Beschluss „enttäuschend“ und forderte einen Systemwechsel. Fördergelder für die gemeinsame Agrarpolitik dürften nicht mehr primär nach der Größe der bewirtschafteten Fläche ausgezahlt werden. Sie müssten sich stattdessen stärker an der Umsetzung vom Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen orientieren.
Backhaus fordert Sonder-AMK im Dezember
„Erleichtert“ nahm Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus den Beschluss auf: „Der Kompromiss ist wichtig, damit unsere Landwirte endlich Rechts- und Planungssicherheit bekommen.“ Das werde sich positiv für den gesamten ländlichen Raum auswirken. „Von einen Systemwechsel zu sprechen, wie es die Bundesministerin tut, scheint mir allerdings zu weit gegriffen. Es bleibt dabei, dass auch bei dieser GAP-Reform jeder Mitgliedstaat vorrangig seine jeweiligen Budgetanteile sichern will und die stärkere Umweltorientierung als Feigenblatt dafür dient.“
Wiederum sei es der EU nicht gelungen, die notwendigen Leistungen für Klimaschutz, Gewässerschutz, Tierwohl und Biodiversität, die erforderlich wären, um eigene europäische Zielmarken zu erreichen, als echte Leistungen zu definieren und bei den Landwirten „einzukaufen“, stellte der SPD-Politiker fest. „Nur der Landwirt, der mit Umwelt- und Klimaschutz verlässlich Geld verdienen kann, ist auch von sich aus bereit, in diese Bereiche zu investieren. Das wäre wirklich ein Systemwechsel, zu dem Europas Landwirtschaftsminister offensichtlich nicht bereit sind.“
Backhaus kündigte an, nach der Einigung alles daranzusetzen, dass noch vor Beginn des Bundestagswahlkampfes im Juni Rechtsklarheit zur nationalen Umsetzung der GAP geschaffen ist. Um das zu erreichen, müssten der Bund und die Länder parallel zu den Trilog-Verhandlungen noch in diesem Jahr die Eckpunkte dafür vereinbaren. Er erwarte daher die Einberufung einen Sonder-Agrarministerkonferenz noch im Dezember.
EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski zeigte sich vorerst zufrieden und bezeichnete den Kompromiss als „gute Einigung“. Nichtsdestoweniger betonte der Pole mit Blick auf den kommenden Trilog, dass es nicht in allen Fragen Deckungsgleichheit mit der Kommission gebe.
EU-Parlament will 30 % für Umweltleistungen
Fast zeitgleich stellte das Europaparlament wichtige Weichen für die Abstimmung über seine Verhandlungsposition, die am Freitag dieser Woche erfolgen soll. Anders als der EU-Agrarrates, der für die Umweltmaßnahmen (Eco-Schemes) einen Anteil von 20 % sowie eine zweijährige Lernphase vorsieht, wollen die Abgeordneten, dass die von ihnen geforderten 30 % im Durchschnitt der Jahre über die gesamte Förderperiode hinweg gelten. Sollte ein Mitgliedstaat also beispielsweise im ersten Reformjahr das Ziel verfehlen, müsste er dann in den Folgejahren entsprechend nachliefern.
Darüber hinaus stimmten die Europaabgeordneten dafür, dass bis zu einem Anteil von 12 % Eco-Schemes-Gelder aus der Ersten Säule in die Zweite Säule verschoben werden dürfen, sofern diese Mittel dort ausschließlich für Agrarumweltmaßnahmen verwendet werden. Der Anteil der für die Eco-Schemes reservierten Mittel würde in diesem Fall entsprechend sinken. Mit dieser Möglichkeit soll verhindert werden, dass Landwirte in Mitgliedsländern mit einer bereits starken Zweiten Säule zu stark benachteiligt werden. Der Antrag, die im Jahr 2018 von der EU-Kommission vorgelegten GAP-Vorschläge in Gänze zurückzuweisen, fand keine Mehrheit. ste (mit AgE)