Milchproduktion in den USA: Mit Sandstreu und Wasserspülung
Mehrere Bauernfamilien haben sich in Wisconsin, USA, zu einem Gruppenunternehmen zusammengeschlossen. Auf der Lake-Breeze-Farm halten sie gemeinsam 3.000 Milchkühe.
Von Fritz Fleege (Text und Fotos)
Wisconsin ist bekannt als das Milchland der USA. Dort wird jeder siebente Liter Milch der Vereinigten Staaten erzeugt. Wer durch diese Region im Mittleren Westen des Landes reist, findet viele Ähnlichkeiten mit dem Nordosten Deutschlands. Auch das Klima ist vergleichbar, allerdings sind die Sommer etwas heißer und die Winter etwas kälter als bei uns. In der hügeligen Landschaft wechseln Felder, Wälder und Seen einander ab.
Auf den meisten Farmen findet man Milchvieh. Der wirtschaftliche Druck auf die Milchviehhalter ist aber dort schon seit Jahren sehr hoch. Die Auszahlungspreise für Milch liegen meistens deutlich unter dem Durchschnitt in der Europäischen Union (EU). Das bewirkte einen starken Strukturwandel. So werden immer mehr Kühe nicht mehr in kleinen Ställen, sondern in großen Anlagen gehalten, um die Milch effizienter zu erzeugen.
Allerdings ist der Kuhbestand nicht zurückgegangen. So werden die 1,3 Millionen Milchkühe in etwa 8.500 Farmen gehalten. Die durchschnittliche Jahresleistung ist inzwischen auf über 11.000 kg Milch je Kuh gestiegen. Dieser Trend setzt sich fort. Manche Farmer haben auch Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Eine der größten darunter ist die Breeze Dairy Group. Dazu haben sich fünf Bauernfamilien zusammengeschlossen. Sie verfügen inzwischen über drei große Farmen: Die Lake Breeze Dairy, die Pine Breeze Dairy und die Spring Breeze Dairy. Die erste davon, die Lake Breeze Dairy in Malone, konnten wir auf einer Tour durch Wisconsin besichtigen.
Gleich am Eingang des Melkhauses empfängt uns Herdenmanager David Makler. Er führt uns durch die Anlage und erläutert die Schwerpunkte. Insgesamt werden in dem Unternehmen knapp 3.000 Kühe gehalten, die im Durchschnitt pro Tag 44 kg Milch geben. Die Milch wird in zwei großen Kühltanks gelagert. Die über 100.000 l fassenden Tanks werden mit Trucks zu einer Molkerei nach Appleton (Wisconsin) transportiert. Aus der Milch, die dort besser bezahlt wird als im Durchschnitt der USA, wird in Appleton besonderer Käse erzeugt, der guten Absatz findet.
In der Milchviehanlage sind 35 Mitarbeiter tätig, die überwiegend aus Mexiko stammen, weil es in den USA schwierig ist, gut ausgebildetet Mitarbeiter für
Milchviehfarmen zu finden. Die meisten von ihnen sind schon seit vielen Jahren auf der Farm und haben eine gute Ausbildung erhalten. Die Besten, wie unser Begleiter, David Makler, sind inzwischen als Herdenmanager tätig. Oder Alvaro Ramirez, einst als Melker eingestellt, ist bald Schichtleiter geworden und nun für die gesamte Melkarbeit verantwortlich.
Jeder Mitarbeiter auf der Farm ist fest angestellt, kennt seine Aufgaben, arbeitet gewissenhaft und wird entsprechend vergütet. Gemolken wird in einem Side-bySide-Melkstand mit 2 x 44 Plätzen. Je Schicht sind dort fünf Personen beschäftigt. Ihre Tätigkeiten am Euter der Kühe sind: trocken reinigen, vormelken, vordippen, feucht reinigen und Melkzeug ansetzen. Die Abnahme der Melkzeuge erfolgt automatisch. Die Eutergesundheit bei den Kühen ist recht stabil. Die Zellzahl in der Ablieferungsmilch liegt unter 150.000 je Milliliter. Die wenigen Kühe mit Mastitis oder anderen Problemen werden ausgesondert und in einem separaten Melkstand gemolken.
Große Milchviehställe mit Senkrücken
Etwas anders als hierzulande sind die Ställe gebaut. Schon äußerlich fallen die beiden großen Gebäude durch ihren Senkrücken auf. Jeweils zur Stallmitte hin ist nämlich ein Gefälle von 5 % eingerichtet, damit Flüssigkeit schnell abfließen und dann nach außen geleitet werden kann.
Als Einstreu in den Liegeboxen dient Sand, worauf die Kühe recht bequem liegen können. An den Giebelseiten befindet sich, hoch über den Toren angebracht, jeweils ein ausrangierter Kesselwagon von der Eisenbahn, der mit recyceltem Wasser aus der Güllelagune gefüllt ist. Die Reinigung der Laufgänge im Stall erfolgt nämlich mit diesem Wasser. Wenn die Kühe zum Melken sind, wird der Kessel geöffnet und das Wasser strömt mit hoher Geschwindigkeit über den betonierten Laufgang und reißt den von den Kühen abgesetzten Kot mit sich. Die Gänge sind dann wieder sauber. Die Flüssigkeit wird außerhalb der Ställe über Kaskaden geleitet, wo sich der Sand wieder absetzt.
Dieser dient dann nach weiterem Wasserentzug wieder als Einstreu. Dieses Spülsystem, Flushing genannt, trägt zu einer großen Sauberkeit im Stall bei. Die Ställe sind auch hoch und offen. Die Seitenwände sind im Sommer bis weit nach unten offen. Bei Hitze kann auch Wasser vernebelt werden und für Abkühlung sorgen. Bei Kälte im Winter lassen sich die Seitenwände mit Jalousien schließen. Für Frischluft sorgen dann Gebläse. In der meisten Zeit des Jahres herrscht in den Ställen eine optimale Temperatur für das Vieh. Bei der Gestaltung der Gruppengröße hat man sich in den beiden großen Ställen auf jeweils 350 Tiere entschieden. So sind die Kühe nicht länger als eine Stunde zum Melken weg. Dann können sie schon wieder ruhen und fressen. Was allerdings die Belegungsdichte betrifft, nimmt man es auf der Lake-Breeze-Farm nicht so genau. So gibt es auch Abteile mit starker Überbelegung. „Es kommt doch darauf an, viel Milch mit niedrigen Kosten im Betrieb zu erzeugen und nicht unbedingt auf die höchste Kuhleistung“, sagt Herdenmanager Makler.
In den beiden kleineren Ställen sind die trockenstehenden Kühe und hochtragenden Färsen sowie Problemkühe untergebracht. Auch diese Ställe sind ähnlich ausgestattet wie die beiden großen, also mit Sandeinstreu und Fließentmistung. Trockengestellt werden die Kühe etwa 45 Tage vor dem Kalben, Erstkalbinnen etwas früher. Die Vorbereitungsfütterung beginnt etwa drei bis vier Wochen vor dem Kalben. Die Kühe erhalten dann in ihren Rationen etwas mehr Energie. Die Belegdichte beträgt hier allerdings nur 85 %. „Erst wenn die Füße des Kalbes zu sehen sind, kommen die Tiere in Einzelboxen unter und können dort abkalben. Eingriffe erfolgen nur bei Schwergeburten“, sagt der Herdenmanager. Gleich nach der Geburt werden Kuh und Nachwuchs getrennt. Das erste Gemelk erhält umgehend das Kalb und nach acht Stunden bekommt es dann schon das zweite. Gutes Kolostrum wird auch eingefroren.
Leistungsgerechte Totale Mischration
Bei der Fütterung legt man großen Wert auf leistungsgerechte Totalmischration. Jeden Morgen wird den Kühen frisches Futter vorgelegt. Acht Stunden später kommt noch etwas darauf, sodass die Tiere bis zum nächsten Morgen genug zum Fressen haben. Das Restfutter wird dann abgeräumt, zurückgewogen und weiter verwertet. Die Futtermischwagen sind mit einem Softwareprogramm ausgerüstet. Zuerst kommen in den Behälter Kraftfutter und Mineralstoffe und zum Schluss die Grundfuttermittel, damit sie beim längeren Mischen nicht vermust werden und ihre Struktur erhalten bleibt. Die frischlaktierenden Kühe nehmen je Tag 28,5 kg Trockenmasse auf und kommen auf fast 50 kg Milch. Die Rationen bestehen zu etwa 65 % aus Grund- und 35 % aus Kraftfutter. Als Grundfuttermittel dienen vor allem energiereiche Maissilage und eiweißreiche Luzernesilage sowie Heu und Stroh.
Die Laufgänge werden, wenn die Kühe zum Melken sind, mit einem mächtigen Wasserschwall vom Kot gereinigt. In den Ställen trägt viel Licht und Luft zum Wohlbefi nden der Kühe bei.
Alle zwei Wochen werden Futtermittelproben im Labor untersucht und die Rationen entsprechend angepasst. Das Futter wird nicht im eigenen Betrieb erzeugt, sondern von Landwirten aus der Umgebung zugekauft. Jede Fuhre rollt da über die Waage und auch der Trockenmassegehalt wird kontrolliert. „Beim Silomais haben wir uns zur Erzeugung von Shredlage entschieden. Das erfordert größere Häcksellängen von 26 bis 30 mm. Corncrackerwalzen mit gegenläufiger Spiralnut zerkleinern die Spindelstücke weiter und zerreiben die Körner. Dadurch wird die Oberfläche des Häckselgutes vergrößert, was zu einer besseren Fermentation beim Einsilieren und damit zur höheren Verdauung der Nähstoffe im Kuhmagen beiträgt. So lässt sich aus dem Grundfutter mehr Milch machen und Kraftfutter einsparen“, versichert David Makler. Auch das trägt zu niedrigeren Kosten bei.
Auf der Lake-Breeze-Farm legt man auch großen Wert auf Tiergesundheit. Dazu zählen nicht nur eine ordentliche Melkarbeit und ausgeklügelte Futterversorgung, sondern auch ein fachgerechter Umgang mit dem Vieh. Die Frischabkalber unterliegen strenger Beobachtung. Nach fünf bis acht Tagen wird ihr Harn kontrolliert. Wenn die Kühe gesund sind und gut fressen, kommen sie in den großen Stall zu den Frischlaktierenden. Alle Tiere, die zur ersten Besamung anstehen, werden am Schwanz gekennzeichnet. Nach dem Ov-syn-Programm erfolgt die erste Besamung ab 80. Laktationstag. Die besten Kühe und Färsen werden mit gesextem Sperma angepaart, die übrigen mit Sperma von Fleischrinderrassen. Die Mastkälber werden bald verkauft. Die Kuhkälber bleiben fünf Monate im Betrieb und werden dann zur weiteren Aufzucht in Feedlots nach Kansas verfrachtet. Dort kostet ein Aufzuchttag 2,50 US-$. In der Hochträchtigkeit kommen sie dann wieder zurück. Auch das trägt neben vielen anderen Dingen zur Kosteneinsparung bei. Nach den drei wichtigsten Punkten des Betriebserfolgs befragt, nennt Herdenmanager David Makler: erstens Ställe mit viel Kuhkomfort, zweitens Hochwertiges Grundfutter und drittens verantwortungsvolle Mitarbeiter.
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