Milchdialog: Molkereien antworten auf Forderungen der Milchbauern
Am Donnerstag – eine Woche nach Beginn des „Milchdialoges“ am 11. November – fuhren erneut Landwirte zu Molkereien und anderen Verarbeitern. Sie wollten Antworten auf ihre Forderungen entgegennehmen – z. B. von den Milchwerken Mittelelbe in Stendal und der Molkerei Rücker in Wismar. Auch Branchenverbände haben auf die Forderungen der Landwirte reagiert. Ein Überblick.
Von Gerd Rinas, Frank Hartmann und Detlef Finger
Erneut sind heute wieder Landwirte des Bündnisses „Milchdialog“ vor Molkereien und andere Verarbeitungsunternehmen gezogen. Bereits am 11. November übergaben Landwirte bundesweit an gut 150 Werktoren einen Forderungskatalog. BDM, LsV-Deutschland, AbL, European Milk Board, Freie Bauern und der MEG Milch Board wollten so deutlich machen, wie existenzbedrohend die wirtschaftliche Lage insbesondere der tierhaltenden Betriebe angesichts steigender Kosten und niedrigster Erlöse ist. Zentrale Forderungen sind ein Plus von 15 Cent je Kilo Rohmilch, ein Plus von 1,00 Euro je Kilo Rind-, 50 Cent je Kilo Schweine- und 20 Cent je Kilogramm Geflügelfleisch.
Auch in Sachsen-Anhalt wollten sich die landwirtschaftlichen Akteure am Donnerstag auf den Weg machen, um die Antwortschreiben der Verarbeitungsunternehmen abzuholen. Bei der Milchwerke „Mittelelbe“ GmbH in Stendal wurden sie von Prokurist Norbert Frye empfangen. Der kaufmännische Leiter der Molkerei händigte das Antwortschreiben des Unternehmens persönlich an Frank Lenz aus. Der Milcherzeuger aus dem altmärkischen Schinne ist im Ehrenamt Vorstandsvorsitzender des MEG Milch Board w.V. Wie Lenz gegenüber der Bauernzeitung sagte, sei das Gespräch wie schon bei der Übergabe des Positionspapiers zum Milchdialog in freundliche Atmosphäre verlaufen. Grundhaltung des Molkereivertreters sei gewesen, dass man als Einzelunternehmen nichts ausrichten könne, dass Industriekunden im Zweifelsfall immer dort einkauften, wo es am billigsten sei, dass der Ball bei der Politik liege und dass es eines Außenschutzes für solche Vorhaben bedarf.
Die Altmark-Käserei Uelzena GmbH in Bismark habe die Landwirte hingegen nicht erneut empfangen wollen. Begründet worden sei dies mit dem Pandemiegeschehen. Das Verarbeitungsunternehmen habe ein Antwortschreiben auf die Forderungen der Milcherzeuger zumindest per Mail übermittelt.
Molkerei Rücker will verbindliche Herkunftsbezeichnung für Milchprodukte einführen
Mit günstiger Sahne aus Osteuropa werden neben „Deutscher Markenbutter“ auch Dumpingpreise für hiesige Milcherzeuger produziert. Damit muss Schluss sein, antwortet Molkereichef Klaus Rücker in Wismar auf Forderungen der Landwirte. Die Molkerei Rücker mit ihren Betrieben in Aurich, Ostfriesland, und Wismar, Mecklenburg-Vorpommern, habe großes Verständnis für die Sorgen der Milcherzeuger. „Das Milchpreisniveau in Deutschland ist seit Jahren für eine zukunftsfähige Entwicklung der Betriebe nicht ausreichend“ räumte Klaus Rücker, geschäftsführender Gesellschafter der Ostsee-Molkerei Wismar heute in der Hansestadt bei der Bekanntgabe seiner Antwort auf die Forderungen landwirtschaftlicher Organisationen im „Milchdialog“ ein. Die Situation sei auch für die Molkereien „besorgniserregend“, weil sie auf eine funktionierende Milchproduktion angewiesen seien.
15 Cent pro Kilogramm mehr „nicht zielführend“
Die Forderung, den Milchpreis um 15 ct/kg zu erhöhen sei aber nicht zielführend. „Ein Milchpreis von über 40 ct/kg würde ungeahnte Produktionsanreize auslösen, die in kürzester Zeit zu einem Überangebot führen würden“, argumentierte der Geschäftsführer. Dieses ließe sich nur über eine freiwillige Milchmengenbegrenzung verhindern. Sie müsste zwingend europaweit erfolgen, um dem Milchausgleich aus dem europäischen Ausland entgegenzuwirken. Das käme der Wiedereinführung der Milchquote gleich und finde in Europa keine Mehrheiten, so Rücker.
Verbraucher in die Lage versetzen
Dennoch müsse etwas getan werden, betonte der Molkereichef, und schlug vor, eine europaweite Herkunftsbezeichnung für Milchprodukte einzuführen. Damit könnte man Verbraucher in die Lage versetzen, gezielt Produkte aus einer bestimmten Region zu erwerben. „Außerdem würde es endlich aufhören, dass mit günstiger Sahne aus Osteuropa hier in Deutschland ‚Deutsche Markenbutter‘ produziert wird.“ Dadurch komme es immer wieder zu Dumpingpreisen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, ließ Rücker durchblicken.
Als weitere Maßnahme schlug er die Etablierung von Mehrwertkonzepten und konsequenten Markenstrategien vor, mit denen sich Verarbeiter „schrittweise von der Verwertung austauschbarer Standardware abkoppeln“ könnten. Rücker äußerte sich heute bei dem kurzen Treffen vor der Ostsee-Molkerei in Wismar mündlich auf die Forderungen der Landwirte und lud gleichzeitig zu einem Gespräch ein, wo er seine Antworten übergeben will.
Peter Guhl: Verträge mit Liefermenge und Preis
„Wir erkennen an, dass Klaus Rücker uns persönlich auf unsere Forderungen geantwortet hat“, sagte Peter Guhl, Vorstandsmitglied bei den Freien Bauern. Verarbeiter und Milchbauern sitzen aber nicht im gleichen Boot. Sie haben unterschiedliche Interessen. Wir können aber trotzdem gute Geschäftspartner sein“, stellte Guhl klar. „Wichtig ist, dass alle Milchlieferverträge künftig konkrete Angaben zu Laufzeit, Liefermenge und Preis enthalten.“ BDM-Landesteamleiter Georg Maaß wollte die Antworten des Wismarer Molkereichefs zunächst nicht bewerten. „Bis Freitagabend gehen alle Antworten von Verarbeitungsunternehmen im Milchdialog ein. Danach werden sie gesichtet. Am Montag werden sie veröffentlicht und wir werden uns dazu äußern“, so Maaß.
Statt der geplanten zwölf fuhren in Wismar 17 Schlepper auf. Coronabedingt sollten nur vier Landwirte die Antwort von Molkereichef Rücker entgegennehmen. Tatsächlich waren über 20 erschienen. „Angesichts der schlechten Preise sind die Landwirte unruhig“, so Georg Maas. Viele wollen sich in den Milchdialog einbringen. Die Ostsee-Molkerei zahlt derzeit nach eigenen Angaben einen Basispreis von 31,5 ct/kg Milch.
DMK: Man wisse um die situation der Milcherzeuger
Das genossenschaftlich organisierte Deutsche Milchkontor (DMK) erklärte, dass sowohl Ehrenamt als auch Management um die Situation der Milcherzeuger wüssten. In den Mitgliedsbetrieben seien vielfach die Grenzen der Belastbarkeit erreicht bzw. überschritten. Bei der Forderung für höhere Preise von Lebensmitteln stünde die Genossenschaft daher „im Schulterschluss“ mit den Landwirten. Die geforderte sofortige Anhebung des Rohmilchpreises um 15 Cent je Kilogramm bezeichnete das DMK als „ambitionierte wie im Grundsatz notwendige Richtungs-Forderung“.
Eine Rohmilchpreissteigerung um 40 % hieße für das DMK, 700 Mio. Euro mehr Wertschöpfung bei gleichem Umsatz am Markt erzielen zu müssen. Der Marktpreis richte sich jedoch nach Angebot und Nachfrage, dem Verbraucherverhalten und globalen Märkten. Das DMK baue weiter das Sortiment für eine bessere Wertschöpfung um und setze Kosteneinsparungen fort. Zudem stehe man „auf der Investitionsbremse“. Wichtig bleibe „der Dialog über die gesamte Wertschöpfungskette und die Solidarität miteinander“, hieß es aus Bremen.
DRV: „Wir stecken gemeinsam da driN“
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) verwies darauf, dass „die gesamte Wertschöpfungskette derzeit eine schwierige Situation meistert“. Coronapandemie, Afrikanischen Schweinepest oder der bevorstehende Brexit: „Wir stecken gemeinsam da drin, deshalb müssen wir auch gemeinsam Lösungen finden. Sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist kontraproduktiv“, erklärte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp.
Die Lebensmittelproduzenten müssten zusammenstehen, um eine gute Verhandlungsposition gegenüber stärkeren Marktteilnehmern zu erreichen. Demonstrationen und „kurzfristig unrealisierbare Preisforderungen“ trügen nicht dazu bei, die Herausforderungen der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu bewältigen. „Wir leben nicht auf einer Insel, sondern müssen uns auch in erster Linie auf dem EU-Binnenmarkt behaupten“, so Holzenkamp in einem Statement.
MIV: Preisabsprachen sind verboten
Der Milchindustrie-Verband (MIV) erinnerte daran, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Molkereien „sehr herausfordernd“ sei. Beide Seiten kämpften mit Kostensteigerungen, die am Markt nicht honoriert würden. Hinzu käme, dass die Coronapandemie die Rentabilität der Molkereien deutlich geschmälert habe. Statt wie die Landwirte zu demonstrieren, müssten Molkereien und Landwirte gemeinsam darauf hinarbeiten, „die Vermarktung und damit einhergehend auch die Kommunikation für die Milch zu stärken“.
Aus Sicht des MIV könnten Exportförderungen dazu beitragen, die Situation zu entspannen, Märkte zu sichern und so langfristig einen guten Milchpreis sicherzustellen. Der MIV erwarte „kurzfristig keine drastischen Preissteigerungen, die eine Preiserhöhung wie die geforderten 40 Prozent folgen lassen könnten“. Dem Verband zufolge gebe es „einige Kostenpositionen auf den Höfen“, die dem Berufsstand selbst zuzuschreiben seien: „Höhere Pacht/ Landpreise werden zwischen den Landwirten direkt verhandelt“. Die Forderung der protestierenden Verbände, wonach alle Molkereien gleichzeitig ihre Preise gegenüber ihren Abnehmern anheben sollten, wies der MIV klar zurück. Preisabsprachen seien nach deutschem und europäischem Kartellrecht streng verboten.
Bilder vom Milchdialog: Landwirte übergeben Positionspapiere
Mit einer bundesweiten Aktion wollten Landwirte am Mittwoch auf die Situation ihrer Betriebe aufmerksam machen. Organisiert wurde der “Milchdialog” u.A. vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter und Land schafft Verbindung Deutschland. mehr