Rote Gebiete in MV: Bauern fordern Nachkontrolle
Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern hält an seiner Kritik zu den Messstellen fest. Agrarstaatssekretär Buchwald sagt Evaluierung und Ausbau zu.
Von Gerd Rinas
„Wir respektieren, dass es jetzt eine Entscheidung zur Düngelandesverordnung geben muss. Wir wollen sie aber mit dem klaren Auftrag verbinden, nachzubessern. Die Evaluierung der Messstellen muss im Januar beginnen“, forderte Landesbauernpräsident Detlef Kurreck gestern bei einem Pressetermin an einer Grundwasser-Messstelle in Warsow, Mecklenburgische Seenplatte.
Am kommenden Dienstag im Kabinett
Die neue Düngelandesverordnung soll am kommenden Dienstag im Kabinett der Landesregierung beschlossen werden und wie in den anderen Bundesländern am 1. Januar in Kraft treten. Künftig müssen Landwirte in nitratbelasteten Gebieten u. a. die Düngemenge um 20 % unter den Nährstoffbedarf der Kultur senken. Viele befürchten dadurch große Ertrags- und Einkommenseinbußen. „Mecklenburg-Vorpommern hat nicht alle Möglichkeiten für die objektive Festlegung der roten Gebiete ausgeschöpft“, kritisierte Detlef Kurreck. Leistungen, die die Bauern bei der Senkung des Nitrateintrags erbringen, würden nicht berücksichtigt. Das Land habe sich erst spät um die Binnendifferenzierung gekümmert: „Andere Bundesländer haben vorgearbeitet.“ Möglich wäre dies schon nach der Düngeverordnung 2017 gewesen. Wichtige Faktoren wie das Denitrifikationsvermögen des Bodens blieben bei der Bewertung der Messwerte bisher unberücksichtigt. Kurreck forderte Ausnahmeregelungen, wenn nachgewiesen wird, dass Düngung nicht Ursache für erhöhte Nitratwerte ist. „Landwirte wollen sauberes Grundwasser. Wo es Nitratprobleme gibt, muss gehandelt werden. Zugleich müssen Zweifel an den Messstellen ausgeräumt werden“, betonte der Bauernpräsident.
Gutachten gibt Bauern Recht
In seiner Kritik bestätigt sieht sich der Verband durch das hydrogeologische Gutachten der Hydor Consult GmbH, Berlin. Danach sollen die Werte bei 56 von 103 Messstellen nicht repräsentativ sein (Bauernzeitung 46/2020 Nord, S. 15). Oft sei die geringe Ausbautiefe der Messstellen in einen wasserwirtschaftlich nicht genutzten Grundwasserleiter bzw. der zu oberflächennahe Ausbau nicht geeignet, um Nitrat hydrochemisch repräsentativ zu beproben. Auch an der Messstelle in Warsow würden Trinkwasserproben von einem Grundwasserleiter aus einer deutlich größeren Tiefe als Nitratproben gezogen, erläuterte Hydor Consult-Geschäftsführer Dr. Stephan Hannapel vor Ort. Von den 85 begutachteten Messstellen mit erhöhter bzw. tendenziell ansteigender Nitratbelastung erfüllen 43 nach Angaben von Bauernverbands-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Piehl bestimmte Messstellenkriterien nicht. „Zur Zeit ist das Messstellennetz angreifbar“, so Piehl. Laut Gutachten kommen bei sieben Messstellen außer landwirtschaftlichen weitere Eintragsquellen in Frage. An acht Messstellen stammten erhöhte Nitratwerte aus nichtlandwirtschaftlichen Quellen wie beispielsweise Deponien. „Höhere Auflagen für die Landwirte, die in diesem Gebiet wirtschaften, werden an der Belastung nichts ändern“, gab Piehl zu bedenken.
Buchwald: Messstellen sind aussagefähig
Agrarstaatssekretär Dr. Jürgen Buchwald wies in Warsow Zweifel an der Einteilung der „roten“ Gebiete und der Aussagefähigkeit des Messstellennetzes zurück. „Wenn behauptet wird, die Proben sind nicht sachgemäß, dann muss man dafür Beweise vorlegen.“ Zudem seien die Messungen nicht das einzige Kriterium für die Einordnung in ein „rotes Gebiet“. Berücksichtigt werden dafür in einer zweiten Binnendifferenzierung Boden- und Wetterdaten. In einer Modellierung wird berechnet, wie viel Stickstoff gedüngt werden kann, damit je Liter Bodensickerwasser nicht mehr als 50 mg Nitrat entstehen. Zusätzlich werden 25.000 Datensätze zu gedüngten Stickstoffmengen aus landwirtschaftlichen Betrieben im Land einbezogen.
Präzisierung notwendig
Buchwald wies darauf hin, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern durch die Einführung der Binnendifferenzierung nach der Verabschiedung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung (AVV) die Kulisse der „roten Gebiete“ im Vergleich zur Düngelandesverordnung 2019 um 30 % auf 181.000 ha verringert hat. „Damit sind wir in der Verursachergerechtigkeit deutlich vorangekommen.“ Auch seien 13 % „rote Gebiete“ an der landwirtschaftlichen Fläche im Vergleich nicht ungewöhnlich viel: In Niedersachsen sei der Anteil mit 31, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit jeweils 24 % viel höher. Mit dem Bauernverband stimme man überein, dass in der AVV manche Aussagen nicht präzise genug seien. Deshalb habe sich Agrar- und Umweltminister Backhaus schon an Bundesministerin Klöckner gewandt, so Buchwald.
„Aus der Nummer kommen wir nicht raus“
Der Staatssekretär räumte ein, dass mehr Messstellen genauere Aussagen ermöglichten. Deshalb werde das Messnetz weiter ausgebaut. Bisher würden insgesamt 559 Messstellen genutzt. Mit einer Messstelle im Umkreis von 42 km2 würde die Mindestanforderung aus der AVV von 50 km2 mehr als erfüllt. Buchwald warnte davor, mit der Diskussion um Messstellen vom eigentlichen Problem – der Nitratbelastung im Grundwasser – abzulenken. „Es ist nicht entscheidend, ob die Belastung aus landwirtschaftlicher Bewirtschaftung vor sechs Jahren oder sechs Jahrzehnten stammt. Das Nitrat muss aus dem Grundwasser. Aus der Nummer kommen wir nicht raus“, so Buchwald.