Milchviehanlage in Werneuchen: Der Weckruf des Roboters
Seit anderthalb Jahren betreut Jasmin Frille als Herdenmanagerin die Milchviehanlage Werneuchen, in der 580 Kühe gemolken werden. Wie sieht ihr Alltag aus?
von Wolfgang Herklotz
Normalerweise klingelt ihr Wecker gegen sechs Uhr. Ein Pott Kaffee, eine halbe Schrippe und rauf aufs Fahrrad Richtung Stall. Es kann aber auch passieren, dass für Jasmin Frille die Nacht schon viel eher zu Ende ist. So wie vor etwa einem Jahr, als drei Stunden nach Mitternacht das Handy piepte.
Ein Melkroboter hatte eine Störung angezeigt und das Warnsignal ausgelöst. Bange Frage für die damals Achtundzwanzigjährige, die keine halbe Stunde später schon im Betrieb war: „Kriege ich das alleine hin oder muss ich die Monteure rufen?“
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Herdenmanagerin Jasmin Frille
Nein, das musste sie nicht. Eine Milchschleuse war blockiert, Jasmin konnte den kleinen Defekt selbst beheben. Mittlerweile hat sie sich so eingefuchst, dass sie auch größeren Störungen ziemlich gelassen entgegensehen kann. Selbst ist die Frau!
Seit anderthalb Jahren betreut Jasmin Frille als Herdenmanagerin die Milchviehanlage Werneuchen, in der 580 Kühe gemolken werden. Eine gehörige Portion Verantwortung für einen jungen Menschen, doch Jasmin winkt ab. „Ich hatte Glück, wurde nicht gleich ins kalte Wasser geworfen. Denn ich kann mir die Arbeit mit einem älteren, sehr erfahrenen Kollegen teilen.“ Der kenne sich wie kein anderer mit den Kühen und den Abläufen in der Milchviehanlage aus. Er habe ihr schon so manchen Rat und praktischen Tipp geben können. „Ich kann mich dann ein bisschen revanchieren, wenn es um Computer geht. So ist das halt“, meint Jasmin und schmunzelt in sich hinein.
Milchviehanlage in Werneuchen: Die Anlage
Die zur Stadtgut Berlin Birkholz KG gehörende Anlage am Rande von Werneuchen ist unübersehbar. Die Kuppeln zweier Biogasanlagen prägen sie ebenso wie das langgestreckte, mit Klinkerfassade und an der Längsseite mit grünen Jalousien versehene Stallgebäude. Es wurde vor anderthalb Jahren errichtet und bietet den Milchkühen viel Licht und Raum.
Herzstück ist das Melkzentrum mit 14 Robotern, die für das automatische Ansetzen der Melkzeuge und die weiteren Vorgänge sorgen. Zur Anwendung kommt der sogenannte freie Kuhverkehr. Im Unterschied zu anderen Anlagen werden die Tiere beim Gang zum Melken nicht gelenkt, sondern bewegen sich selbstständig dahin. Das funktioniert sehr gut, sogar die Umstellungsphase am Anfang verlief besser als erwartet, erklärt Jasmin Frille.
„Wenn die Kühe erst einmal mitbekommen haben, wo es langgeht , flutscht die Sache.“ Wofür die Milchleistung der Werneuchener Herde spricht, die im Schnitt bei 9 800 Liter Milch je Kuh und Jahr liegt.
Steigerung der Milchproduktion
„Die 10 000er-Marke werden wir wohl bald knacken.“
Doch ganz so einfach ist die Angelegenheit nun auch wieder nicht. Denn zum einen melkt die Kuh durchs Maul, wie ein altes Sprichwort besagt. Ohne hochwertiges Futter, im konkreten Falle handelt es sich um hofeigene Gras- und Maissilage, würde diese Leistung niemals zustande kommen. Zum anderen gilt es für einen guten Gesundheitszustand der Tiere zu sorgen. Zwar bietet der neue Stall den Kühen viel Bewegungsfreiheit und Platz zum Liegen sowie Fressen.
Überdies zeigt das computergestützte Melksystem nicht nur für jedes Tier die Milchleistung, sondern auch etwaige Störungen beim Milchfluss und bei den Inhaltsstoffen an. Diese sind ein Indikator für mögliche Eutererkrankungen, erläutert Jasmin und erzählt beiläufig, dass derzeit lediglich fünf Kühe daraufhin behandelt werden müssen.
Herdenmanagement: Eines Tages nur noch Maschinen?
Doch auch die modernste Technik kann zwei Dinge nicht ersetzen: den wachsamen Blick auf jedes Tier und die Vorsorge. Mindestens einmal pro Woche wird den Kühen ein Klauenbad verordnet, um vor Entzündungen zu schützen. Die Gesundheit der Tiere zu überwachen ist eine entscheidende Aufgabe für die Herdenmanagerin, aber bei Weitem nicht die einzige. „Es geht darum, dass sämtliche Abläufe im Stall, vom Besamen über die Fütterung und Behandlungsmaßnahmen bis zum Melken selbst, ordentlich funktionieren“, erläutert Jasmin.
Ihr kommt zugute, dass sie in einer Besamungsorganisation gearbeitet hat, bevor sie nach Werneuchen kam. Nach wie vor ist sie auch für diesen Bereich zuständig, sorgt zuverlässig dafür, dass die Färsen beziehungsweise Kühe trächtig werden. Dass sie dafür das berühmte „Händchen“ hat, war Vincent Overmars, Gesellschafter der Berlin-Birkholzer Kommanditgesellschaft, beizeiten aufgefallen. „Jasmin ist eine Top-Besamerin, kann richtig gut mit Kühen umgehen.“ Deshalb habe er über die Frage, ob sich die junge Frau als Herdenmanagerin eigne, nicht lange nachdenken müssen, versichert der gebürtige Niederländer. Jasmin habe bereits beim Umzug der Kühe in die neue Anlage ihre Feuertaufe bestanden und sich in kurzer Zeit viel Anerkennung im Team erworben. Overmars setzt noch eins drauf: „Jasmin ist ein richtig guter ,Kuhmensch‘, wenn man das so sagen darf.“
Das Faible fürs Vieh hat feste Wurzeln. Jasmin ist sozusagen mit Tieren groß geworden, da ihre Eltern in einem Landwirtschaftsbetrieb arbeiten. „Am liebsten saß ich bei Papa auf dem Trecker und war stolz wie ein Spanier, wenn ich mal eine Runde auf dem Feld selber drehen konnte“, bekennt sie. Dabei waren die Eltern anfangs gar nicht so davon angetan, dass ihre Tochter eine landwirtschaftliche Lehre aufnehmen wollte. „Ich habe meinen Sturkopf aber durchsetzen können.“
Die Ausbildung absolvierte Jasmin in der Agrargenossenschaft Münchehofe, einem Ökobetrieb. Reichlich Praxisluft schnupperte sie zudem in einem Mutterkuhbetrieb in Sachsen-Anhalt, ehe sie als Besamungstechnikerin zum Einsatz kam. Zugleich mischte Jasmin beim Jungzüchterverein der RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH kräftig mit, nahm an Schauen sowie Wettkämpfen teil.
Über Erfolg und Alter
Ihr größter Erfolg? „Das war auf der Brandenburgischen Landwirtschaftsausstellung 2007, als ich den Titel eines Grand Champion im Bereich Fleischrindzucht einheimsen konnte. Den gab es für das erfolgreiche Abschneiden bei den Wettbewerben Theorie und Tierbeurteilung sowie beim Vorführwettbewerb.“ Den Kontakt zum Züchternachwuchs hält sie nach wie vor, auch wenn sie mittlerweile einer anderen Alterskategorie zugeordnet wird. „Ich bin jetzt eine Seniorzüchterin“, sagt sie. „So richtig alt komme ich mir aber nicht vor.“
Nachdenklich wird Jasmin, wenn sie an die aktuelle Diskussion über Massentierhaltung denkt. „Es ärgert mich, wenn Leute über Tierwohl reden und gar keine Ahnung haben.“ Vermutlich würde die Anlage in Werneuchen auch den Stempel Massentierhaltung aufgedrückt bekommen. Dabei sei doch nicht die Tierzahl entscheidend, sondern wie es dem einzelnen Tier geht, erklärt Jasmin. „Wer sich ehrlich dafür interessiert, ist bei uns willkommen.“ Am Tage, versteht sich.
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