Richtungswechsel in der Beelitzer Frischei eG
Für zeitgemäße digitale Lösungen braucht man junge Leute – sogar wenn man „nur“ Eier produzieren will. Das traf auch für die Beelitzer Frischei eG zu, die ihre Betriebsführung mit moderner Software von SAP und Datev neu organisieren wollte. Doch es bestand Personalmangel, keine ausgebildeten Mitarbeiter in Sicht. Und wie es der Zufall wollte: Susanne Kimmel (30 Jahre) war auf Jobsuche. Als gelernte Sozialpädagogin fand sie nach ihrem Studium nicht sofort einen Arbeitsplatz, was sich am Ende als Vorteil für die brandenburgische Genossenschaft herausstellen sollte.
Von Anja Nährig
Natürlich wollte sich Susanne mit einem Pädagogikstudium nicht auf einem Landwirtschaftsbetrieb bewerben, aber da sie diesen seit ihrer Jugend kennt, lag der Schritt nicht so fern. Außerdem steht man sich in Notsituationen bei, gerade in der Familie. Als ihre Mutter, Sabine Kimmel, ihr vom Personalengpass der Genossenschaft erzählte, stand ihr Entschluss schnell fest – sie hilft aus. Das war im September 2012. Seither arbeitet Susanne im Betrieb, und es macht ihr sichtlich Spaß. Am Anfang als das „Mädchen für alles“, wuchs sie schnell mit ihren Aufgaben. Heute, als Assistenz der Geschäftsführung, trägt sie Verantwortung für viele Verwaltungsaufgaben, leitet das Marketing und springt auch schnell mal als Vertretung für kranke Kollegen ein, um die Großkunden zu betreuen.
Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende der Beelitzer Frischei eG Sabine Kimmel ist stolz auf ihre Tochter. Sie selber ist seit 1984 im Betrieb tätig, der 1962 als Zwischengenossenschaftliche Einrichtung (ZGE)gegründet worden war. Schon damals waren 60 000 Legehennen (weiße Leghorn), anfangs in Boden-, später in Käfighaltung, aufgestallt. Auch 2 000 Schafe gehörten dazu. In den 80er Jahren wurde der Betrieb in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) umgewandelt. Das stellte für das Unternehmen deutlich mehr Eigenständigkeit dar, und die ca. 70 Mitarbeiter wurden sogleich zu Genossen. Kimmel ist studierte Ingenieurpädagogin der Landwirtschaft und übernahm zwei Jahre nach der im Mai 1990 gegründeten eG die Geschäfte des Betriebes.
Anfangs investierten die Beelitzer in neue Käfiganlagen, fingen aber bereits fünf Jahre nach dem Systemwechsel mit der ersten Freilandhaltung an. Gleichzeitig bauten sie eine Direktvermarktung auf und suchten sich ihre eigenen Großkunden. Angebote westdeutscher Vermarktungsunternehmen schlugen sie aus, denn die Hauptstadtnähe und eine Millionenstadt als Absatzmarkt wollten sie selbst nutzen. Seit 2005 wurden nach und nach alle Käfige aus den Ställen geschafft und in Freiland- und Bodenhaltung investiert. Als einer der ersten Betriebe in Ostdeutschland entließen sie ihre Legehennen in die Ausläufe, die Nachfragen aus der Umgebung und die eigene Überzeugung trieben sie an. Es wird nach den Vorgaben des KAT (kontrollierte alternative Tierhaltungsformen) e. V. produziert. Mittlerweile ist das Unternehmen Vorreiter in Sachen Tiergerechtheit geworden, denn sie verzichten bereits heute schon auf das Schnabelkürzen bei den Hennen. Einzig allein Tierseuchen können den freilaufenden Hennen zum Verhängnis werden, derzeit trifft der Betrieb alle Vorsorgemaßnahmen gegen die Gelügelgrippe, und die Tiere bleiben im Stall.
Ca. 65 000 braune „Lohmann Tradition“ stehen in den fünf Ställen verteilt, zwei davon werden in Bodenhaltung bewirtschaftet, drei sind mit zusätzlichen Wintergärten und Ausläufen versehen. Morgens um zehn gehen die Klappen zum Freiland auf, nachdem die Hühner ihre Eier gelegt haben. Mit der Leistung ist Kimmel zufrieden, im Schnitt legt ein Huhn 300 Eier pro Jahr. Aber wie funktioniert die Haltung ohne das Schnabelkürzen? „Wichtig ist, dass man eng mit der Junghennenaufzucht zusammenarbeitet“, erklärt Kimmel. Immer aus einer Hand sollten die Tiere sein und die Bedingungen schon in der Aufzucht auf den späteren Legebetrieb angepasst. Kleinere Bestände, niedrigere Besatzdichten und vor allem das nötige Lebendgewicht vor dem Eintritt in die Legephase sind entscheidend. Sie werden als Junghennen mit 17 Wochen und ca. 1 450 g zugekauft, wobei auf eine einheitliche Herde in Alter und Gewicht geachtet wird. Auch ein konsequentes Lichtregime muss bereits in der Aufzuchtphase betrieben werden, damit die Hennen nicht zu zeitig in den Legezyklus kommen. Das Dualhuhn ist bisher aber für die Beelitzer noch keine Option, zu wenig Leistung auf beiden Seiten.
Der Preis, den die Genossen für ihre Eier erzielen, ist gut, er liegt durchschnittlich bei 12 ct. Zu den Abnehmern gehören hochpreisige Kunden wie Rewe, Edeka, die Gastronomie oder Krankenhäuser. Denen ist vorrangig die Regionalität wichtig. Da der Zwischenhandel ausgeschlossen wurde, reicht es auch, um das Mehr an Tierwohl zu bezahlen. Insgesamt 23 Mio. Eier vermarkten die Beelitzer pro Jahr. Noch schaffen sie es nicht, alle Ware selbst zu produzieren, weshalb sie schon zwei neue Ställe beantragt haben. Natürlich Freilandhaltung, einer davon soll sogar „bio“ werden. Insgesamt 23 Mitarbeiter hat der Betrieb heute, zwölf davon für die Bewirtschaftung der Hühnerställe und der Eierpackstelle.
Dass die Mitarbeiter auch Genossen werden können, dafür setzt sich Kimmel ein. Das stärkt die Motivation, ist sie sich sicher. So ist auch Susanne seit Dezember 2013 ein Mitglied geworden. Sie ist froh, dass sie ein abgeschlossenes Studium und eine gute Qualifikation besitzt, aber weg möchte sie vorerst nicht aus der Genossenschaft. Was die Mutter für die Vergrößerung des Betriebes plant, plant die Tochter im Bereich Vermarktung. Die S-Eier lassen sich nur schwer an den Mann bringen, weshalb bald ein neues Projekt ins Laufen kommt. Nudeln sollen daraus werden …
Betriebskennzahlen Beelitzer Frischei eG
Futter: Der Rohproteingehalt beträgt 17,5 %, der Energiegehalt 11,6 MJ je kg TM. Es ist frei von Gentechnik.
Komponenten: Weizen, Mais, Raps, Sonnenblumen, Erbsen sowie Palmöl, Fettsäuren und Vitamine.
Lichtregime: Langsame Steigerung nach Einstallung bis auf 15 Stunden, Dämmerungsphase eine Stunde jeweils morgens und abends mit einem Sonnenlichtsimulator; 20 Lux im Tierbereich.
Besatzdichte: 8 bis 9 Hühner pro m² Nutzfläche (begehbare Fläche); 4 m² pro Tier Auslauf.
Leistung: 290 bis 300 Eier pro Huhn und Jahr.