Bauerndemo: Erfolge unter schwarzen Fahnen verweht
Bei der letzten Bauerndemonstration in Berlin ging es den Teilnehmenden besonders darum, ernstgenommen zu werden, und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft einzustehen. Doch diese Forderungen wurden teilweise durch aufkommende Missverständnisse aufgrund unangebrachter Symbolik überschattet.
Trecker rollten vorige Woche wieder durch Berlin. Verschiedene Gruppierungen hatten einige hundert Landwirte aus mehreren Regionen mobilisiert, die ihren Forderungen Nachdruck verleihen wollten. Unzufriedenheit damit, dass sich nach den Protesten und Blockaden nur wenig an der Gesamtsituation der deutschen Landwirtschaft änderte, dürfte ihr Hauptmotiv gewesen sein. Dieser Ärger ist durchaus nachvollziehbar, machen sich doch in vielen Familien und Betrieben Existenzsorgen breit. Dass eine von der Kanzlerin eingesetzte Kommission einen Plan für die Landwirtschaft der Zukunft erarbeiten soll oder dass sich hohe Vertreter des Lebensmittelhandels öffentlich zur heimischen Landwirtschaft bekennen, sind Erfolge, die vor Monaten undenkbar schienen. Aber sie bringen kaum das Zählbare, auf das viele warten.
Probleme ernst nehmen
Wind auf die politischen Mühlen wollten die Ungeduldigen mit ihrer Anwesenheit in Berlin bringen. Gelungen ist das nur bedingt. Schon der Zeitpunkt war schlecht gewählt. Die Millionenstadt hat gerade mit Corona und sich selbst genug zu tun. Schulen und Kitas sind geschlossen, junge Familien dauergestresst von Homeoffice und -schooling in der Dreiraumwohnung. Auch die Büros der Ministerien, vor denen die Traktoren Eindruck machen sollten, waren fast alle leer. In dieser angespannten Lage verzichten selbst vom Lockdown sehr hart betroffene Berliner Branchen auf Demos. Außer Landwirten waren nur die Coronaleugner auf der Straße.
Zu den hart erkämpften Erfolgen des letzten Jahres gehört es zweifellos, inzwischen (wieder) als wichtige Branche anerkannt und mit Problemen ernstgenommen zu werden. Dieses Privileg wurde nun in nur wenigen Tagen zum Teil verspielt. Schuld daran waren nicht einmal realitätsfremde Forderungen an die Politik, die auf die Wiedereinführung des Amtes für Preise, den Austritt aus dem EU-Binnenmarkt oder Verstöße gegen WTO-Regeln hinauslaufen würden. Der Grund dafür waren die an zahlreichen Schleppern wehenden schwarzen Fahnen mit dem weißen Pflug und dem blutroten Schwert. Dieses Symbol hatte schon im vorigen Sommer wegen seiner Vergangenheit für Streit im Berufsstand gesorgt. Trotzdem waren die Fahnen wieder bei einigen im Gepäck.
Missverständnisse vermeiden
Noch rechtzeitig warnte die Bundeslandwirtschaftsministerin die Protestanten, Pflug und Schwert stünden für eine „völkisch-nationalistische Bewegung, die nicht vor Gewalt zurückschreckte.“ Manche sehen das anders. Aber am Ende zählt nur, welche Botschaft beim Empfänger ankommt. Und das war bei einer Demo so dicht am Holocaust-Mahnmal absehbar. Die größte Tageszeitung der Stadt meldete postwendend: „Antisemitische Symbole bei Bauern-Protest“. Für das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ war es überhaupt die wichtigste Nachricht aus Berlin, dass Bauern mit einem „Blut und Boden-Symbol“ protestierten. Auch das Ausland wurde hellhörig: Ein seriöses Online-Politikmagazin sprach am Tag des Holocaust-Gedenkens von „rechten Bauerndemos in Berlin“.
Eine uneinsichtige Minderheit drückte somit der ganzen Aktion einen üblen Stempel auf. Es gehe nicht um Symbole, sondern um Menschen, rechtfertigten sich Teilnehmer. Wenn es so ist: Warum rollt man dann die schwarzen Lappen nicht einfach ein, um Missverständnisse zu vermeiden? Oder wäre das zu viel an Kompromiss?