Ehrliche Arbeit – korrekter Vertrag
Bei Tätigkeiten im Stall und bei der Ernte wirft die Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse oft Fragen auf. Unsere Expertin erläutert die Themen Scheinselbstständigkeit, Arbeitszeit und Kündigung.
Von Dr. Doris Geisenberger, Rechtsanwältin
Ein nicht zu unterschätzendes Thema in landwirtschaftlichen Unternehmen ist der Umgang mit der sogenannten Scheinselbstständigkeit von Arbeitskräften. Die Schlüsselnorm für die Abgrenzung zwischen einem Selbstständigen oder einem abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmer) ist der § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) IV: „Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Von einer Scheinselbstständigkeit ist also dann auszugehen, wenn jemand zwar nach der zugrunde liegenden Vertragsgestaltung selbstständige Dienst- und Werkleistungen für ein landwirtschaftliches Unternehmen erbringt, tatsächlich aber nichtselbstständige Arbeiten in einem Arbeitsverhältnis mit den damit verbundenen Folgen der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerpflicht leistet.
Abhängigkeit und Weisungsbindung
Zu den Kriterien für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses gehört die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Von dieser ist dann auszugehen, wenn der Beschäftigte in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert ist, also Inhalt, Durchführung, zeitliche Lage und Ort der Tätigkeit vom Unternehmen vorgegeben werden. Gegen eine persönliche Abhängigkeit spricht es, wenn der Landwirt dem Beschäftigten das Recht einräumt, die Arbeit auf Dritte zu übertragen, oder der Beschäftigte berechtigt ist, auch während der Laufzeit des Vertrages andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten für andere Auftragnehmer zu entfalten.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist die Weisungsbindung, und zwar in fachlicher und/oder zeitlicher und/oder örtlicher Hinsicht. Von einer fachlichen Weisungsbindung ist auszugehen, wenn der Landwirt anordnen kann, die Leistungen in einer bestimmten Art und Weise auszuüben. Eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegt dann vor, wenn das Unternehmen die Dauer und die zeitliche Lage der zu erbringenden Arbeiten bestimmen kann. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Einsatz durch Dienstpläne geregelt wird und diese weitgehend ohne die Mitwirkung des Beschäftigten erstellt werden. Insbesondere bei Verpflichtungen zur Ableistung von Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Abrufarbeit ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen. Schließlich liegt in der Regel dann ein Arbeitsverhältnis vor, wenn der Beschäftigte den Ort, an dem er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, nicht selbst bestimmen kann.
Wichtige Kriterien zur Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und selbstständiger Tätigkeit
Arbeitsverhältnis | selbstständige Tätigkeit |
Weisungsgebundenheit (Ort, Zeit, Dauer, Art der Ausführung) | freie Bestimmung der Arbeitsausführung |
in den Räumlichkeiten des Auftraggebers | Arbeit in eigenen Räumlichkeiten |
Verwendung von Arbeitsmitteln des Auftraggebers | Verwendung von eigenen Betriebsmitteln |
Entgelt nahe dem Mindestlohn | Entgelt deutlich über dem Mindestlohn |
fester Lohn ohne Möglichkeit der Erhöhung oder Risiko der Verringerung | flexibler Lohn mit der Möglichkeit, mit mehr Arbeitsstunden mehr Entgelt zu erhalten |
kein Unternehmerrisiko | Unternehmerrisiko u. a. des Vergütungs- und Auftragsverlustes |
grundsätzlich keine Delegierung der Arbeitsausführung auf Dritte | freie Möglichkeit der Arbeitsdelegierung auf Dritte und Subunternehmer |
kein freies Auftreten am Markt | freies Anbieten der Arbeitskraft am Markt (durch Werbung usw.) |
bezahlter Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall | grundsätzlich kein bezahlter Urlaub, keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit |
regelmäßig nur ein Auftraggeber | regelmäßig mehrere Auftraggeber |
Das weiter für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechende Merkmal der Fremdbestimmung überschneidet sich mit dem der Weisungsbindung (etwa Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation oder Angewiesenheit auf die Organisation des landwirtschaftlichen Unternehmens). Weniger entscheidend sind die Fragen der Vergütung, der Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall, der Gewährung von Urlaub und einer eventuellen Gewerbeanmeldung, da es insgesamt darauf ankommt, wie das Vertragsverhältnis gelebt wird. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Kriterien finden Sie in der Tabelle.
Anfrage beugt Nachforderungen vor
Meist wird die fehlerhafte Bewertung einer Tätigkeit im Rahmen von Betriebsprüfungen festgestellt. Das Risiko für den Landwirt ist erheblich. Sowohl das Finanzamt als auch die Sozialversicherungsträger können bis zur Verjährungsgrenze (regelmäßig vier Jahre) rückwirkend vom Unternehmen die Lohnsteuer- und die Sozialversicherungsbeiträge nachfordern, die einzubehalten und abzuführen gewesen wären.
Eine vorsätzliche Nichtabführung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge kann Strafverfahren nach sich ziehen. Da es sich bei den Entscheidungen, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine Selbstständigkeit vorliegt, immer um Einzelfallentscheidungen handelt, ist eine rechtssichere Klärung letztlich nur über ein Anfrageverfahren gemäß § 7 a SGB IV möglich. Die Entscheidung trifft die Deutsche Rentenversicherung Bund.
Acht Stunden sind die Regel
Viele Fragen ergeben sich in Unternehmen auch im Zusammenhang mit Arbeitszeitregelungen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht folgende Grundsatzregelungen vor: die werktägliche Höchstarbeitszeit (Montag bis Samstag) beträgt acht Stunden täglich = 48 Stunden pro Woche. Eine maximale Verlängerung auf zehn Stunden werktäglich = 60 Stunden die Woche ist möglich, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten der Durchschnitt von werktäglich acht Stunden nicht überschritten wird.
Bei bis zu sechs Stunden Arbeitszeit ist keine Pause nötig, zwischen sechs und neun Stunden sind 30 Minuten Pause vorgesehen und bei einer Arbeitszeit von über neun Stunden 45 Minuten Pause. Die Pausen dürfen maximal in Zeitabschnitte von 15 Minuten aufgeteilt werden. Zwischen zwei Arbeitsschichten müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen, und es ist ein grundsätzliches Arbeitsverbot an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen geregelt. Die werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmern (wenn mindestens zwei Stunden zwischen 23 Uhr und 6 Uhr gearbeitet werden) beträgt maximal acht Stunden.
Ausnahmen für den Agrarsektor
Allerdings gibt es im ArbZG für Landwirtschaft und Tierhaltung Ausnahmeregelungen:
- Eine Verkürzung der Ruhezeit zwischen zwei Schichten auf zehn Stunden ist möglich, wenn ein entsprechender Ausgleich durch eine Ruhezeit von zwölf Stunden innerhalb von vier Wochen/einem Kalendermonat gewährleistet ist.
- Es besteht kein Arbeitsverbot an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, sofern Arbeiten durchgeführt werden müssen (zum Beispiel Versorgung der Tiere, Einbringen der Ernte etc.); allerdings muss für jeden Sonntag innerhalb von zwei Wochen ein Ersatzruhetag gewährt werden (was allerdings auch an einem ohnehin freien Tag geschehen kann) und für Feiertage am Werktag innerhalb von acht Wochen. 15 Sonntage pro Jahr müssen arbeitsfrei bleiben.
Auch die Arbeitszeiten entsprechend obigen Ausnahmen können laut ArbZG nochmals ausgedehnt werden in Not- und außergewöhnlichen Fällen. Solche Fälle liegen vor, wenn Rohstoffe zu verderben und Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen. Allerdings muss innerhalb von sechs Kalendermonaten wieder ein Durchschnitt von maximal 48 Arbeitsstunden pro Woche erreicht werden.
Tarifverträge können Abweichendes regeln
Der „Manteltarifvertrag (MTV) für die private Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ in der Fassung vom 2. Februar 2004 beispielsweise sieht ebenfalls Sonderregelungen vor, die aber nur angewendet werden dürfen und können, wenn sowohl der Landwirt (als Mitglied des „Land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Mecklenburg-Vorpommern“) als auch der Arbeitnehmer (als Gewerkschaftsmitglied der „IG Bauen-Agrar-Umwelt“) tarifgebunden sind oder im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt den Regelungen des MTV unterliegen soll. Sogenannte „Rosinenpickerei“ ist ausgeschlossen. Dann gilt Folgendes:
- eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche in einer Fünf-Tages-Arbeitswoche bei einer Jahresstundenzahl von 2.088,
- Möglichkeiten der Sonderregelungen bei Bedarf, aber nur zwischen Landwirt und Betriebsrat (sofern vorhanden), zum Beispiel mindestens 37 und maximal 46 Stunden pro Woche Arbeitszeit;
- 170 Arbeitsstunden pro Monat dürfen bei einer Vollzeittätigkeit nicht unterschritten werden.
- Es darf maximal für sieben Tage im Monat Arbeitsbereitschaft angeordnet werden.
- Es sind Zuschläge für Überstunden (25 %), Sonntage (50 %) sowie Feiertage (120 %) und Nachtarbeit (10 bis 20 %) vorgesehen.
- Schließlich müssen arbeitsfreie Tage innerhalb von sechs Wochen gewährt werden, wenn die Fünf-Tages-Arbeitswoche nicht eingehalten wird.
Beendigung von Arbeitsverhältnissen
Häufig werden bei vorübergehendem „betrieblichen Bedarf“ wie zum Beispiel in Erntezeiten rechtmäßig sachgrundbefristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Die Befristungsabrede muss zur Rechtswirksamkeit schriftlich fixiert und von beiden Parteien unterzeichnet sein. Diese Verträge enden durch Ablauf der Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Über die Autorin
Dr. Doris Geiersberger ist Rechtsanwältin bei der Geiersberger Glas & Partner mbB in Rostock
Der Abschluss von Aufhebungsverträgen ist einvernehmlich zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer möglich. Dabei ist ebenfalls die Einhaltung der Schriftform zwingend. Ein Aufhebungsvertrag ist also nur wirksam, wenn er die Originalunterschriften beider Parteien enthält. Beschäftigt ein Landwirt weniger als 10,25 Arbeitnehmer und/oder kündigt er innerhalb der ersten sechs Monate der Tätigkeit, sind folgende Formalien zu beachten:
- Die Kündigung muss schriftlich,
- mit Originalunterschrift des Kündigungsberechtigten und
- unter Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgen. Diese kann zwei Wochen in der Probezeit oder auch bis zu sieben Monate zum Monatsende betragen. Letzteres trifft z. B. bei über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit zu. Existiert ein Tarifvertrag, kann dieser noch weitere, gültige Kündigungsfristen vorschreiben.
Unternehmensgröße und Kündigungsschutz
Die Zählweise der Arbeitnehmer im Unternehmen bestimmt sich nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), und zwar nach den Wochenarbeitsstunden der Arbeitnehmer, wobei Azubis nicht mitgezählt werden:
- bis zu 20 Wochenstunden = 0,5 Arbeitnehmer
- bis zu 30 Wochenstunden = 0,75 Arbeitnehmer
- über 30 Wochenstunden = 1,0 Arbeitnehmer.
Zu beachten ist weiter, dass der Kündigende beweispflichtig für den Zugang der Kündigung ist, der erst die Kündigungsfrist in Lauf setzt. Hier empfiehlt sich eine persönliche Aushändigung oder der Einwurf in den Briefkasten.
Vor Ausspruch einer Kündigung ist immer – unabhängig von der Arbeitnehmerzahl – Folgendes zu beachten: Während Schwangerschaft, Mutterschutz oder Elternzeit sowie Bundeswehr- und Zivildienst besteht ein Kündigungsverbot. Vor Ausspruch der Kündigung eines Schwerbehinderten oder einem Schwerbehinderten gleichgestellten Arbeitnehmer ist die vorherige Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. In einem Ausbildungsvertrag ist nach der Probezeit nur noch eine fristlose Kündigung möglich, für die ein wichtiger Grund erforderlich ist, der zwingend im Kündigungsschreiben aufzuführen ist.
Beschäftigt der Landwirt mindestens 10,25 Arbeitnehmer und ist der zu kündigende Arbeitnehmer länger als sechs Monate im Betrieb/Unternehmen tätig, kann eine sozial gerechtfertigte und wirksame Kündigung nur noch ausgesprochen werden, wenn
- betriebsbedingte,
- verhaltensbedingte oder
- personenbedingte Gründe vorliegen.
Die rechtssichere Gestaltung solcher Kündigungen wird das Thema eines künftigen Beitrages an dieser Stelle sein.