EU-Agrarpolitik: Wettstreit der Forderungen

Es brauchte nicht viel, um mediale Aufmerksamkeit zu erregen: Die AbL überbringt am Vortag der Sonder-AMK ihre Forderungen zur nationalen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik. ©Frank Hartmann
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Vor der Sonderkonferenz der Agrarminister: Thüringer Bauernverband und Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft übergeben in Erfurt ihre konträren Forderungen zur nationalen Umsetzung der kommenden EU-Agrarpolitik.

Von Frank Hartmann

Würde die Macht der Bilder über die nationale Ausgestaltung der kommenden Periode der EU-Agrarpolitik entscheiden, hätte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Thüringen Chancen, sich mit ihren Forderungen durchzusetzen. Dienstagmittag zog die AbL, begleitet von den Landesverbänden des BUND und Nabu sowie dem Ökoherz als Dachverband der Bioanbauverbände, das mediale Interesse auf sich. Dafür genügten ein Traktor und ein Karre Mist vor dem Agrarministerium in Erfurt. Das Bündnis übergab vor der Sonderkonferenz der Agrarminister (Sonder-AMK) seine Forderungen an Agrarstaatssekretär Torsten Weil.

Kritik an Landwirtschaftsminister Hoff

Wie zuvor schon die Grünen-Landespartei übte AbL-Geschäftsführer Reiko Wöllert scharfe Kritik am von den Linken geführten Landwirtschaftsressort, namentlich an Minister Benjamin-Immanuel Hoff. Dieser sei mit dem von ihm mitgetragenen Vorschlag der Länderfachminister von CDU, SPD und FDP zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarpolitik vor der „Agrarindustrie eingeknickt“. Damit bliebe alles beim Alten: Mit pauschalen Flächenprämien soll weiterhin vor allem „der Besitz von Fläche belohnt“ werden.

Ausstieg aus der Flächenprämie

Finanzielle Anreize, die notwendigen Herausforderungen der Zukunft anzugehen und insbesondere kleinbäuerliche Betriebe zu stärken, fehlten „fast völlig“. Beispielhaft führte Wöllert aus Sicht der AbL und ihrer Unterstützer den Vorschlag an, „lediglich“ 20 Prozent der Mittel der Ersten Säule für die Ökoregeln (Eco-schemes) zu verwenden. Die AbL fordert mindestens 30 Prozent. Wöllert erklärte, dass die Mittel hier ihre größte Wirkung entfallen könnten – im Gegensatz zur Zweiten Säule. Die AbL erachtet es als notwendig an, diesen Prozentsatz jährlich anzuheben, um einen schrittweisen Ausstieg aus den pauschalen Flächenprämien zu gewährleisten.

70 Prozent für Naturschutz-honorare

Mit Beginn der GAP-Periode will die AbL zudem mindestens 16 Prozent der Mittel aus der Ersten Säule in die Zweite umschichten. Acht bzw. zehn Prozent, wie es die genannte Gruppe der Länderminister vorschlägt, würden „alle Ambitionen für mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz“ untergraben. Ziel sollte es laut Forderungspapier sein, dass am Ende der Förderperiode im Jahr 2027 „70 Prozent der Mittel für die Honorierung von freiwilligen Umwelt-, Natur- und Klimaschutzleistungen der Landwirtschaft eingesetzt werden“. Damit, so gaben sich Wöllert und BUND-Landesgeschäftsführer Dr. Burkhard Vogel überzeugt, ließe sich zugleich das notwendige Einkommen der Landwirte sichern.

Investoren werden nicht gebremst

Kritik übte Wöllert zudem an fehlenden Einschränkungen für verbundene Unternehmen („Agrarholdings“). Während das AbL-Bündnis Mutter- und Tochterunternehmen als Einheit behandeln will und eine verbindliche Kappung der Direktzahlungen ab 100.000 Euro unter Anrechnung von Lohnkosten fordert, lehnt Hoff dies ab. Aus Sicht der AbL profitierten außerlandwirtschaftliche Investoren in Zukunft weiter von den EU-Beihilfen und würden eingeladen, Betriebe zu kaufen.

Absage an Gemeinwohlprämie

Staatssekretär Weil erwiderte der AbL, dass die schwierigen Verhandlungen nach einem Kompromissvorschlag verlangt hätten. Dieser sei aufgrund der Blockade der Grünen-Vertreter in der Agrarministerkonferenz eine notwendige Antwort gewesen. Der Staatssekretär widersprach nicht zuletzt dem Vorwurf, dass man sich dem Umwelt-, Natur- und Klimaschutz verweigere. Abteilungsleiter Dr. Ingo Zopf stellte heraus, dass es administrativ äußert schwierig sein wird, die Maßnahmen der Ökoregeln umzusetzen. Zopf zweifelt daher, dass es gelingt, die monetären Forderungen der AbL zu den Ökoregeln in der Ersten Säule zu realisieren. Beim Thema Verbundunternehmen gestand Zopf ein, dass es derzeit keine rechtlich gesicherte Definition dafür gibt. Eine pauschale Anwendung treffe eben nicht nur „Investoren“, sondern auch Familienbetriebe oder Genossenschaften. Der Forderung der AbL nach einer Gemeinwohlprämie erteilte Staatssekretär Weil eine klare Absage. Dies sei Konsens unter den Agrarministern, unabhängig von der parteipolitischen Farbe.

Kurzsichtige Politik schwächt gesunde Betriebe

TBV-Präsident Klaus Wagner übergibt in Erfurt die Forderungen des Bauerverbandes und seiner Partner zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarpolitik an Thüringens Agrarstaatssekretär Torsten Weil. ©TBV

Nur eine Stunde vor der AbL traf am Dienstag der Präsident des Thüringer Bauernverbandes, Dr. Klaus Wagner, auf Staatssekretär Weil. Wagner übergab ebenfalls Forderungen zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarpolitik. Getragen wird das Papier von Partnerverbänden, etwa der IGS Thüringen. Die wirtschaftliche Stärke der Thüringer Landwirtschaft müsse bewahrt und damit die Vielfalt der Betriebsstrukturen erhalten bleiben, erklärte Wagner. Forderungen „nach immer mehr Geld für Umweltprojekte“ sowie einer Kürzung der GAP-Fördergelder für die klein- und mittelständischen Landwirtschaftsbetriebe in Thüringen „zugunsten von unwirtschaftlichen Kleinstbetrieben“ lehnt der TBV ab: „Eine solch kurzsichtige Politik schwächt die Wirtschaftskraft gesunder Unternehmen und bedroht die heimische Lebensmittelerzeugung sowie die erreichten Erfolge im Natur- und Umweltschutz.“ Bereits der von Minister Hoff mitgetragene Vorschlag bedeute für die Bundesrepublik eine Umwidmung von einer Milliarde Euro pro Jahr für Klima- und Biodiversitätsmaßnamen, „für die die Landwirtschaft zusätzliche Leistungen erbringen muss“.

Nein zum Umschichten in Zweite Säule

Der TBV lehnt eine Kappung oder Degression klar ab. Auch Vorschläge, Landwirtschaftsbetriebe mit einer Fläche von mehr als 300 ha von der Umverteilungsprämie auszunehmen, gelte es zu verhindern. Der TBV besteht darauf, dass an „einer getrennten Veranlagung juristisch selbstständiger Unternehmen festgehalten“ werden muss. Eine Anhebung der Umschichtung von Geldern in die Zweite Säule lehnt man ebenso ab. Der Anteil der Mittel für die Ökoregeln der Ersten Säule will der TBV auf 20 Prozent beschränkt wissen. Eine gezielte Unterstützung der Haltung von Ziegen, Schafen und Mutterkühen sollte über die Zweite Säule weiterentwickelt werden. Nicht zuletzt fordert der TBV mit seinen Partnerverbänden, dass die Eler-Mittel für die ländlichen Räume Thüringens erhalten bleiben müssen.