Bad Collberg: Unser Bürgermeister ist Student
Robin Fleck ist Ortsbrandmeister, Kirmes-Oberhaupt – und jetzt auch Bürgermeister von Bad Collberg im Süden Thürigens. Dabei ist der Student gerade einmal 23 Jahre alt.
Von Birgit Schunk
Im Verein braut Robin Fleck Bier, in der Feuerwehr ist er stellvertretender Ortsbrandmeister. Und als Kirmes-Oberhaupt übernimmt er alljährlich, wenn Ende August kräftig gefeiert wird, für vier tolle Tage das Zepter im Dorf. Aus dem Spaß ist nun Realität geworden. Der junge Mann ist Bürgermeister im südthüringischen Bad Colberg – genauer gesagt Ortsteilchef, denn das Dorf gehört zur Stadt Heldburg.
Eigentlich wollte er im Mai dieses Jahres nur in den Stadtrat einziehen. „Kommunalpolitik interessiert mich.“ Dann wurde aber auch noch ein Ortsteilbürgermeister für Bad Colberg gesucht. „Ich habe mich schon immer für unser Dorf eingesetzt und mich deshalb bereit erklärt für die Wahl“, sagt Fleck, der im Frühjahr gerade mal 23 Jahr alt war. Und so kam er über die Liste der Freien Wähler/ Unabhängigen Bürger in den Stadtrat und als Einzelperson auf den Stuhl des Ortschefs.
Kaum finanzieller Spielraum in Bad Collberg
Von Anfang an war ihm klar: Große Sprünge kann er nicht machen. Bad Colberg hat als Ortsteil keinen eigenen Haushalt. Und auch das Heldburger Stadtsäckel ist nicht prall gefüllt. Gerademal 650 Euro umfasst Flecks jährliches Budget, über das er selbst entscheiden kann – Gelder, die vor allem den Vereinen zugute kommen sollen. Und dennoch resigniert er nicht. „Man kann trotzdem einiges bewegen – durch Fördermittel beispielsweise: Man muss nur wissen wie und wo.“
Als einen ersten Schritt führte der junge Mann im Sommer gleich mal den digitalen Ortsfunk ein. Übers Handy gibt es nun die neuesten Infos für alle – der althergebrachte Schaukasten, wo wichtige amtliche Mitteilungen nachzulesen sind, hängt trotzdem noch. In einer Einwohnerversammlung hatte er sein Projekt vorgestellt. Schon am nächsten Tag hatten 30 Leute ihm ihre Handynummer mitgeteilt. Und so ging es weiter.
Mit Senioren im WhatsApp-Chat
„Wenn dann Senioren um die 80 kommen und mich bitten, ihnen mal WhatsApp aufs Handy zu spielen, dann ist das eine coole Sache“, sagt er und ist überzeugt, „dass die neuen Medien die Kommunikation untereinander nicht ersetzen – im Gegenteil.“ Als er im Sommer per WhatsApp zu einem Arbeitseinsatz am Spielplatz aufgerufen hatte, kamen an die 25 Leute – und das mitten in der Woche. Sie halfen mit, die alten Spielgeräte wieder flott zu machen. Gemeinsam wurde gewerkelt und geschwatzt.
„Man kann nicht nur nach dem Bauhof rufen, auch Eigeninitiative ist gefragt.“ Der Spielplatz war einige Zeit schon in der Kur, die Weichen waren bereits unter seinem Vorgänger gestellt worden. Neues wurde angeschafft, das Alte aufgemöbelt. „Nun ist alles fertig und alle freuen sich – das schweißt zusammen.“ In der Dorfaue, die auch neu gestaltet wird, laufen zudem letzte Arbeiten.
Das Brauhaus von Bad Collberg wird saniert
Künftig werden wohl aber erst einmal kleinere Brötchen gebacken. Als großer Brocken steht unter anderem noch die Sanierung des Brauhauses an, denn Bier wird nach wie vor im Dorf für die Leute selbst gemacht – Brauen hat im fränkisch geprägten Süden Thüringens eine lange Tradition. „Es müssen nicht immer Riesenvorhaben sein. Auch kleine Dinge halten die Leute bei Laune – und sei es nur das Vordach am Eingang zum Gemeindehaus“, sagt Robin Fleck. Und der Boden fürs Kirmeszelt müsse zudem erneuert werden. Den haben die Bad Colberger und ihre Gäste in all den Jahren schon durchgetanzt.
Obwohl das Dorf gerademal nur 130 Einwohner hat, ist einiges los im Laufe eines Jahres. Brauhausfest, Fischerfest und Kirmes sind feste Größen im Kalender. Anfang 2019 richtete die Dorfgemeinschaft sogar ein großes Open-Air Rockkonzert aus – mit professioneller Bühne und allem, was dazu gehört. Sonntags im Advent trifft man sich auf den Höfen, an der Kirche oder am Feuerwehrhaus.
Viele Einwohner als Helfer aktiv
Jeder bringt etwas mit und gibt, was er kann. Zum Abschluss spielt sogar eine Blaskapelle auf. All die Feste müssen erst mal gestemmt werden. „Wenn von den 130 Einwohnern schon viele als Helfer aktiv sind, fehlen die allerdings schon mal als Gäste.“ Deshalb freut man sich, wenn auch aus den Nachbarorten Besucher kommen und sich natürlich auch die Kurgäste blicken lassen.
Das kleine Bad Colberg ist nämlich alsHeilquelle schon etwas Besonderes. Auf der Heldburger Homepage wird mit den „in Ostdeutschland einzigartigen warmen Thermalsprudelquellen“ geworben, die beinahe zufällig 1907 bei der Suche nach Kalisalz in einer Tiefe von 471 m entdeckt wurden. Der Quelle wurde eine außerordentliche Heilkraft, besonders bei Diabetes, Fettsucht, Gicht, Herz-, Nieren-, Nerven- und Gefäßerkrankungen zugesprochen, heißt es da. Und so hat der kleine Ort sage und schreibe 295 Kurbetten – und im Dorf zwei Gasthäuser, ein Cafe sowie eine Pension, einen Jugendraum und das Bürgerhaus. Sogar die Touristinformation der Stadt Heldburg sitzt in Bad Colberg. Und weil es hier eben den Kurbetrieb gibt, können die Leute im Ort sogar die Terrassentherme samt Sauna besuchen – ohne ins Auto steigen zu müssen. Viele kleine Dörfer können davon nur träumen.
Nur einem Kilometer bis nach Bayern
Während zu DDR-Zeiten vor allem staatstreue Funktionäre zur Kur kamen, sind die Klinik sowie Bad Colberg selbst seit der Wiedervereinigung für Jedermann offen. Früher kam hierher nur, wer eine Sondergenehmigung hatte, denn der Ort liegt direkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze und somit einst im Sperrgebiet. „Bis zum nächsten Dorf in Bayern ist es gerade mal nur einen Kilometer“, sagt Robin Fleck, der den einstigen Eisernen Vorhang nur vom Erzählen her kennt. Dennoch fühlt man sich in dem südlichsten Zipfel Thüringens nicht abgehangen. „Wir sind mittendrin.“ Der 24jährige ist überzeugt, dass die kleinen Orte eine Zukunft haben können – auch wenn sie längst nicht mehr die Kraft für eine eigene Gemeindeverwaltung haben. „Deswegen bleibt unser Dorf doch unser Dorf.“
Er hat allerdings auch schon verspürt, dass man sich als fünftes Rad am Wagen fühlen und es auch Grüppchenbildung im Ort selbst geben kann. Die Bad Colberger und die Heldburger waren jahrelang nicht unbedingt die dicksten Freunde, sagt er. „Die Kommunikation hat oftmals nicht gestimmt zwischen Verwaltung und Bürgern – doch sicher war es auch nicht leicht, weil an der Spitze immer nur ein ehrenamtlicher Bürgermeister in Heldburg stand – seit der letzten Kommunalwahl und weiteren Eingemeindungen haben wir nun ein hauptamtliches Stadtoberhaupt und einen neuen Stadtrat. “ Der neue Chef sei auch erst 29, man wird gehört, das Klima sei sehr gut. „Und das motiviert – immerhin gehören zu Heldburg 14 Dörfer.“ Keine leichte Aufgabe also.
Mitfahrbänke gegen Lücken im Nahverkehr
Auch von Berufswegen befasst sich Robin Fleck mit dem Leben auf dem Dorf. Er studiert an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg Geografie. In seiner Bachelorarbeit hat er die Mobilität im ländlichen Raum untersucht – genauer gesagt ging es um sogenannte Mitfahrbänke, die es mancherorts bereits gibt. Wer hier Platz nimmt, signalisiert, dass er mitgenommen werden will, um von A nach B zu kommen. Auf diese Weise sollen Lücken im öffentlichen Personennahverkehr auf dem Lande teilweise überbrückt werden. Der Student machte eine Bestandsaufnahme, die Erwartungshaltung war positiv.
Lesen Sie auch
Deshalb würde er gerne ein entsprechendes Modellprojekt angehen – auch wenn Bad Colberg bislang noch gut bedacht ist. „Hier fahren noch zehn, elf Busse am Tag nach Coburg oder Hildburghausen.“ Doch anderswo gibt es genug weiße Flecken, weiß er. Über das Thema hat er auch schon mit dem Heldburger Bürgermeister diskutiert, weil der die Resonanz aus einer Nachbarregion in Bayern kennt, die allerdings nicht positiv war. „Da hatte alleine eine solche Bank 800 Euro gekostet – viel zu viel“, sagt Robin Fleck.
20-Stunden-Job in der Kreisentwicklung
Das Geld würde er lieber in die Vermarktung stecken, um die Idee erst mal unter die Leute zu bringen. Welches Thema er in seiner Masterarbeit angehen will, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es wohl ebenso um Land und Leute gehen wird. Robin Fleck ist nicht nur Ortsteilbürgermeister, Stadtrat, Student und engagierter Vereinsmann. Nach einem Praktikum im Landratsamt Hildburghausen und einer offenen Stelle in der Kreisentwicklung macht er im Fachbereich Regionalplanung und Wirtschaftsförderung bereits einen 20-Stunden-Job.
Hat er den Abschluss in Bamberg in der Tasche, wird er dort ganz einsteigen. Und so schließt sich der Kreis für den jungen Mann, dem künftig ehrenamtlich und beruflich gleichermaßen das Leben auf dem Lande am Herzen liegt. Die großen Metropolen haben ihn nie gelockt. Auch seine Liebe hat er bereits in der Region gefunden. Sie kommt aus Schlechtsart, einem kleinen Ort mit 160 Einwohnern – und bringt in den Gotteshäusern der Dörfer ringsum die Orgel zu Klingen.