Agrofarm eG Lüssow: Wer sich anstrengt, wird unterstützt
Die Agrofarm eG Lüssow hat sich durch ihre herausragende Ausbildung in der Landwirtschaft einen Namen gemacht. Doch auch hier merkt man: Die Zeit, in der sich die Bewerbungen stapelten, ist offenbar vorbei.
Als Ausbildungsort hat Lüssow in der Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns einen sehr guten Ruf. Vor der Wende wurden hier in der LPG 180 junge Leute zu Land- und Tierwirten ausgebildet. Im Nachfolgebetrieb, der Agrofarm eG Lüssow, wuchsen allein seit 1996 weitere 16 Land- und 42 Tierwirte sowie neun Landwirtschaftshelfer heran. 2014 wurde die Agrofarm als „Ausbildungsbetrieb des Jahres“ in Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. Doch die Zeit, in der sich die Bewerbungen stapelten, ist offenbar vorbei. „Die Erfolge sind in den letzten Jahren weniger geworden“, räumt Vorstand Lars-Peter Loeck ein.
Schwierige Situation in der ausbildung
Ursachen dafür gibt es mehrere. Der Wettbewerb um die Schulabgänger ist spürbar härter geworden. „Zeitweise hatten wir nur noch zwei bis drei Bewerbungen. Da zähle ich die Zettel schon mit, wo drauf stand: Ich will Landwirt werden“, sagt Vorstand Wencke Ladwig. Auch wenn zuletzt wieder mehr Bewerbungen eingingen – die Zahl der Bewerber, die die 10. Klasse abgeschlossen haben, geht zurück. Statt dessen melden sich immer mehr Jugendliche nach der 8. oder 9. Klasse und einem Berufsvorbereitungsjahr. „Vor dem Beginn der Ausbildung bieten wir zwei bis drei Tage Praktikum an. Die Kandidaten sollen alle Produktionsbereiche durchlaufen. Einerseits können sie sich so vergewissern, ob sie bei uns richtig sind. Andererseits haben wir die Gelegenheit, uns einen ersten Eindruck zu verschaffen. Leider werfen viele die Flinte früh ins Korn: Etwa jeder Zweite meldet sich schon am zweiten Tag krank oder gibt uns zu verstehen, dass es nicht passt“, sagt Lars-Peter Loeck.
Aber selbst wenn der Bewerber das Praktikum beendet und beide Seiten sich zur Ausbildung entschlossen haben, ist das keine Garantie. „Wir haben schon erlebt, dass jemand es sich vier Wochen vor dem Start plötzlich anders überlegt. Oder die Ausbildung beginnt und nach wenigen Wochen abbricht“, so Loeck.
Anders die Situation 2017: Damals sah sich der Vorstand veranlasst, die Notbremse zu ziehen. Im August hatten drei Schulabgänger mit sehr guten Zeugnissen ihre Ausbildung angefangen. „Wir versprachen uns einiges von ihnen“, erinnert sich Loeck. Doch ehe die vier Monate Probezeit vorüber waren, war von den dreien keiner mehr dabei. „Ihre Arbeitsmoral war schlecht, gegenüber Ausbildern und Kollegen traten sie arrogant auf. Wir sahen keinen anderen Weg, als alle drei Ausbildungsverträge aufzulösen und dachten ernsthaft darüber nach, die ganze Ausbildung im Betrieb einzustellen“, so Loeck.
keine alterative zur ausbildug
Soweit ist es dann doch nicht gekommen. Das liegt zum einen daran, dass es aus Sicht der Lüssower Landwirte eine Alternative zur Ausbildung nicht gibt: „Qualifizierte Mitarbeiter für die Landwirtschaft sind auf dem Arbeitsmarkt kaum zu kriegen. Es kann uns nichts Besseres passieren, als wenn sich jemand entscheidet, Landwirt zu werden. Diesen Mann oder die Frau muss man festhalten“, sagt Loeck. Für Auszubildende hat die Agrofarm schon Wohnungen in Lüssow angemietet und möbliert. Neben der Ausbildungsvergütung erhalten die Lehrlinge je nach Leistung anteilig oder zu 100 Prozent ein 13. und 14. Entgelt.
Kriterien sind etwa die Ergebnisse von Prüfungen, Noten in der Berufsschulausbildung und das Führen des Berichtshefters“, erläutert Wencke Ladwig. Zusammen mit Maren Krüger ist sie Ansprechpartnerin der Auszubildenden im Betrieb. Insgesamt verfügen sechs Mitarbeiter über die Ausbilderbefähigung. „Wenn wir sehen, dass jemand sich anstrengt, bekommt er von uns jede Unterstützung“, versichert Wencke Ladwig. Sie ist froh, dass immer noch Bewerber in Lüssow aufschlagen, die „zeigen, dass sie wollen: Diese jungen Leute sind für uns ein wichtiges Motiv, weiter in die Ausbildung zu investieren.“
Agrofarm eG Lüssow: Vielseitige ausbildung
Zur Zeit lernen in der Agrofarm neun Auszubildende: vier Tierwirte, drei Landwirte und zwei Fachpraktiker für Landwirtschaft. Ein Tierwirt und ein Fachpraktiker beenden im Sommer ihre Ausbildung. Drei Azubis – zwei angehende Landwirte und ein Tierwirt – sollen neu beginnen. „Der Ausbildungsvertrag mit der Tierwirtin in spe ist durch. Von einem jungen Mann aus dem Nachbardorf, der Landwirt werden will, fehlt noch die Unterschrift. Ein dritter, ebenfalls ein angehender Landwirt, muss noch probearbeiten“, beschreibt Lars Peter Loeck den Stand der Bewerbungen.
Natalie Hein lernt seit vorigem Sommer in Lüssow Tierwirtin. „Ich wollte schon immer mit Tieren arbeiten“, sagt die 19-Jährige. Eigentlich aber nicht in der Landwirtschaft, sondern im Zoo. Als es damit nicht klappte, startete Natalie eine Ausbildung als Sozialassistentin, merkte aber schnell, dass die viele Theorie und die lange Ausbildung nicht ihr Ding waren. Mit Unterstützung des Arbeitsamtes landete sie beim Probetraining in Lüssow – und blieb. In der Berufsschule ist nicht der Lernstoff, sondern das Homeschooling ihre größte Herausforderung. „Es ist ganz anders als in der Klasse, man arbeitet vor sich hin, es gibt kaum Kontakt zu Mitschülern und Lehrern“, bedauert Natalie.
Seit dem vorigen Sommer kommt sie fast täglich mit Fahrrad und Bahn aus Güstrow nach Lüssow. Die Arbeit in der Agrofarm sei anstrengend, mache aber Spaß. „Als es ein Problem in meiner Schicht gab, haben wir es gelöst. Ich fühle mich hier verstanden“, sagt die Auszubildende. In den ersten Monaten hat sie gelernt, wie man Kälber versorgt, Kühe melkt und treibt. „Die Ausbildung ist vielseitig. Nach dem Abschluss bleibe ich in der Landwirtschaft“, versichert Natalie.
Attraktiver, vielseitiger arbeitsplatz
Arend Kromwijk lernt im zweiten Jahr in Lüssow. Er stammt aus einer Bauernfamilie mit niederländischen Wurzeln von der Insel Usedom. „Landwirt ist mein Traumberuf. Ich bin damit groß geworden. Man sieht, wie alles heranwächst, irgendwann erntet man das Ergebnis seiner Arbeit“, sagt der junge Mann.
Eigentlich wollte er seine Ausbildung zum „Landwirt mit Fachhochschulreife“ in mehreren Betrieben machen, um verschiedene Erfahrungen zu sammeln. „Ganz ist der Plan noch nicht vom Tisch, aber ich denke drüber nach“, sagt Arend. In Lüssow könnten Auszubildende viel lernen. „Wenn ich sage, ich würde gern mit dem Pflanzenschutzberater mitfahren oder mit zum Pflügen, wird es möglich gemacht.“ Er ist im Sommer – im 1. Lehrjahr – Mähdrescher gefahren. „Ich spüre Vertrauen“, sagt Arend.
Wie es nach der Ausbildung weitergeht, weiß er noch nicht genau. „Ich habe noch anderthalb Jahre Zeit, mir darüber Gedanken zu machen“, so der Auszubildende, der einen älteren Bruder und eine Schwester hat, die ebenfalls eine landwirtschaftliche Ausbildung absolvierten. Wenn er die Lehre erfolgreich abschließt, kann er ein Meister- oder Fachhochschulstudium beginnen. Danach stünden ihm alle Wege offen. Ich frage Arend, ob er sich vorstellen könnte, später einmal eine Genossenschaft zu führen, wie hier in Lüssow 50 Leute zu einem Team zu formen und genauso effizient zu wirtschaften wie im elterlichen Familienbetrieb. Der junge Mann überlegt einen Moment. „Genossenschaften haben Vor- und Nachteile“, sagt er diplomatisch. Er wolle aber nicht nur im Büro sitzen oder den Streit zwischen Mitarbeitern schlichten. „Ich will irgendwann selbstständiger Landwirt sein. Weil ich‘s dann für mich mache“, beschreibt der 18-Jährige kurz und präzise Ziel und Motiv seiner Ausbildung.
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