Die Forderungen der Tierhalter nach einer Wolf-Weidetier-Strategie sind laut. Das neu gegründete „Bundeszentrum für Wolf und Weidetiere“ soll nun die Aufgaben übernehmen. Doch der Projekt-Egoismus hat wilde Blüten getrieben.

Von Ralf Stephan

Kurz und knackig hat US-Präsident Joe Biden seine Strategie gegen Corona und deren Folgen erklärt: „Spritzen in die Arme! Geld in die Taschen!“ Das versteht jeder – und preist dabei auch gleich ein, dass sich die Umsetzung durchaus ein wenig komplizierter gestalten könnte. Aber selbst als Ausländer merkt man sich die amerikanische Anti-Corona-Strategie leichter als die der eigenen Regierung(en).

Wolf-Weidetier-Strategie: forderungen endlich umsetzen

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Unsere Leidenschaft, Dinge kompliziert zu machen, könnten wir uns aber auch erst einmal bei ungleich kleineren Aufgaben abtrainieren. Zum Beispiel der Koexistenz von Wölfen und Weidetieren. Da könnte die Strategie schlicht und einfach heißen: „Zäune auf die Weiden! Geld zu den Tierhaltern!“ In den Ausführungsbestimmungen ist natürlich klarzustellen, dass es nicht allein um noch mehr Zaunkilometer geht, sondern um intelligente Lösungen, die von Schäfern wie Schäferinnen ohne körperliche Schwerstarbeit und mit vertretbarem Zeitaufwand zu handhaben sind. Und mit „Geld zu den Tierhaltern!“ sind nicht nur angemessen hohe Entschädigungen gemeint. Hier ginge es darum, endlich die Verfahren so zu gestalten, dass die Opfer von Wolfsangriffen bei Behörden nicht länger wie Bittsteller antreten müssen.

Die einfachere Entnahme von Problemwölfen bis hin zur Bestandsregulierung wäre allerdings als dritte Maßnahme aufzunehmen, auch wenn die deutsche Wolf-Weidetier-Strategie damit aufgeblähter wird als das Anti-Corona-Konzept der Vereinigten Staaten. Damit sind dann aber alle Punkte genannt, um Konflikte auf den Weiden zu entschärfen. Sie sind keineswegs neu, sondern längst bekannte Forderungen der Tierhalter. Es käme darauf an, sie endlich umzusetzen.

Neue Behörde soll aufgaben übernehmen

Viel Hoffnung steckt die Politik in das neue „Bundeszentrum Wolf und Weidetiere“. Ob es die Erwartungen der Weidetierhalter erfüllen kann, muss sich zeigen. Zu loben ist zunächst, dass es mehr als 20 Jahre nach ihrer Rückkehr endlich eine staatliche Einrichtung gibt, die Konflikte mit den Wölfen ausdrücklich problemorientiert zu ihrem Thema macht. Optimierung des Herdenschutzes, verbesserte Abläufe beim Entschädigen, eine länderübergreifende – und hoffentlich weniger als bisher verschlüsselte – Übersicht über Tierverluste durch Wölfe und „strategische Überlegungen zur Regulierung“ gehören ausdrücklich zu den Aufgaben der neuen Behörde. Sie stellt sich damit genau jenen Themen, an denen die ebenfalls vom Bund finanzierte Dokumentations- und Beratungsstelle (DBBW) bislang wenig Interesse zeigt.

Kämpfe um Kompetenzen und um die nach Corona knapper werdenden staatlichen Mittel werden nun an Schärfe gewinnen. Der Projekt-Egoismus hat nicht nur im Land Brandenburg, wo das Zentrum angesiedelt wird, wilde Blüten getrieben. Selbst Kooperationen zwischen neutralen wissenschaftlichen Einrichtungen scheiterten an ihm. Hier soll das neue Zentrum nun vermitteln und auch gleich noch den Dialog zwischen Weidetierhaltern, Naturschützern und Öffentlichkeit führen. Das klingt nach richtig viel Arbeit. Geplant sind für die neue Behörde aber ganze drei Stellen und ein Budget von 300.000 Euro jährlich. Gemessen an dem, was Wölfe und ihre Folgen bisher kosten, ist das ein Klacks. Das sieht verzagt aus, wie „Geld in die Taschen!“ auf Deutsch. Und es dürfte schwer werden, damit im lauten Chor der Interessen den Ton anzugeben.