Brand in Schweinezuchtanlage Alt Tellin: Landtag nimmt Landesregierung in die Pflicht

Brandursachenermittler in der Ruine der Schweinezuchtanlage Alt Tellin. © Christopher Niemann
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Abgeordnete des Landtages fordern nach dem Brand in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin Aufklärung der Brandursache, Prüfung der Betriebsgenehmigung und Brandschutzkontrollen in schweinehaltenden Betrieben.

Von Gerd Rinas

Die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommerns haben gestern einstimmig einen Antrag der Linksfraktion und einen Änderungsantrag von SPD und CDU zu Schlussfolgerungen aus der Brandkatastrophe in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin beschlossen. Danach wird die Landesregierung aufgefordert, „alle notwendigen Schritte zur umfassenden Aufklärung der Brandursache“ zu unternehmen. Sie soll außerdem prüfen, inwiefern die Betriebsgenehmigung für den Betrieb schnellstmöglich widerrufen werden kann. Untere Behörden sollen sensibilisiert werden, Brandschutzkontrollen in schweinehaltenden Betrieben zu intensivieren.

Vorgaben für besseren Brandschutz

Die Landesregierung wird außerdem aufgefordert, Vorgaben für besseren Brandschutz und wirksame Brandschutzkonzepte in Tierhaltungsanlagen zu entwickeln und sich für eine bodengebundene regionale Tierhaltung einzusetzen. Wie schon in der Aktuellen Stunde des Landtages am Mittwoch brachten Sprecher aller Fraktionen zum Ausdruck, dass sich eine Brandkatastrophe wie in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin nicht wiederholen dürfe. Nach dem Antrag der Linksfraktion sollte der Landtag feststellen, dass die Genehmigung für die Ferkelaufzuchtanlage in Alt Tellin mit 10.000 Sauenplätzen und einer Kapazität von 250.000 Ferkeln pro Jahr „gegen den Willen der umliegenden Gemeinden und entgegen der Kritik an den Umweltauswirkungen, der Gewährleistung des Tierschutzes und nicht zuletzt am Brandschutz“ erfolgte. Diese Formulierung fand aber ebenso keine Mehrheit wie die Feststellung im Antrag, dass „in Tierhaltungsanlagen dieser Größenordnung der Brandschutz nicht gewährleistet werden kann“.

Mitglieder und Symphatisanten der Umweltschutzorganisation BUND und des Deutschen Tierschutzbundes demonstrierten Donnerstagmorgen vor dem Schweriner Landtag für die Schließung der Schweinezuchtanlage in Alt Tellin. © BUND MV

gewerbliche Anlagen verbieten?

Auch beim von der Linksfraktion geforderten Verbot gewerblicher Tierhaltungsanlagen wollten CDU und SPD nicht mitgehen. Bei dieser Entscheidung gehe es um Grundrechte, gab Agrar- und Umweltminister Till Backhaus zu bedenken. Davon wären auch kleine gewerbliche Haltungen betroffen, begründete der Abgeordnete Holger Kliewe (CDU). Er räumte ein, dass über den Brandschutz und die Brandbekämpfung in Tierhaltungsanlagen neu nachgedacht werden müsse. Kliewe vertrat die Auffassung, dass der Brandschutz grundsätzlich auch in Anlagen wie in Alt Tellin gewährleistet werden könne; die Frage sei nur, inwieweit dies finanzierbar wäre. Der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion empfahl, bei den Vorgaben „nicht übers Ziel hinaus zu schießen“, weil die Tierhaltung sonst nach Osten, bis nach Russland oder China, abwandern werde. Auch die AfD lehnte das Verbot gewerblicher Tierhaltungen und die Änderung rechtlicher Genehmigungsgrundlagen zur Größenbegrenzung von Tierhaltungsanlagen im Antrag der Linksfraktion ab. Nicht die Größe der Stallanlage sei entscheidend, sondern wie die Tiere gehalten würden, sagte der Abgeordnete Ralf Borschke. Geprüft werden müsse nach diesem Brand aber, wie sinnvoll es sei, Solaranlagen auf Dächern von Stallanlagen zu genehmigen. Nach Aussagen von Feuerwehrleuten hätten Solaranlagen auf den Stalldächern in Alt Tellin die Löscharbeiten massiv behindert.

backhaus: Bundesratsinitiative zu Obergrenzen

Minister Backhaus kündigte eine Bundesratsinitiative zu Stallplatzobergrenzen, eng gekoppelt an den Brandschutz, an. „Wir bewegen uns auf Bundes- und Europarecht. Es kommt darauf an, andere mit ins Boot zu holen. Alleingänge sind schlicht nicht möglich“, machte der SPD-Politiker deutlich. Er wies darauf hin, dass die Anlage in Alt Tellin seinerzeit zu genehmigen war, weil die Voraussetzungen nach der BIMSCH-Verordnung vorlagen. Jeder Entscheidungsträger, egal von welcher Partei, wäre dazu verpflichtet gewesen. Der Minister wies die Forderung der Linksfraktion zurück, die Anlage sofort zu schließen. „Das wäre Willkür.“ Dokumente zur Stallanlage in Alt Tellin füllen nach Backhaus‘ Angaben schon 42 Aktenordner. 16 enthalten Papiere zum Genehmigungsverfahren, die anderen sind voll mit Verstößen und Auflagen. Verstöße seien durch das zuständige Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt „zeitnah und streng“ bearbeitet worden: Allein im November 2013 verschickte das Amt an den Anlagenbetreiber elf Bußgeldbescheide über 88. 000 €. „Wegen allgemeiner Unzuverlässigkeit kann aber keine Genehmigung aufgehoben werden“, erklärte Backhaus.

„Sonst werden die Leute uns nichts mehr glauben“

Das Brandschutzkonzept habe seinerzeit „sehr hohen technischen Anforderungen und dem Stand der Brandschutztechnik“ entsprochen. Aus heutiger Sicht müsse man es infrage stellen. „Es hat nicht funktioniert. Wenn man die Lehren aus diesem schrecklichen Ereignis nicht zieht, darf man sich nicht wundern, wenn uns die Leute nichts mehr glauben“, warnte der Minister.

Die Abgeordnete Jeannine Rösler wies darauf hin, dass es schon vor der Genehmigung der Anlage von Brandschutzexperten klare Aussagen gegeben hätte: Ein Brand in Alt Tellin würde nicht beherrschbar sein, die Tiere könnten nicht gerettet werden. „Es ist unfassbar, dass alles ignoriert wurde“, zeigte sich die Linken-Politikerin erschüttert. Zahlreiche einfache Brandschutzvoraussetzungen wären in Alt Tellin nicht erfüllt: Zum Beispiel seien die Abstände zwischen den Ställen viel zu gering. Es fehlte an befestigten Stellflächen für Feuerwehrfahrzeuge. Mitarbeiter und Anwohner hätten sich in großer Gefahr befunden. Nur durch den Einsatz der Feuerwehren konnte das Übergreifen des Feuers auf die Biogasanlage abgewendet werden. „Kreisliche Behörden sind mit solchen Riesenanlagen überfordert. Sie können den Ereignissen nur noch hinterherlaufen“, warnte die Abgeordnete im Rückblick.