Biogemüse für Berlin
Hanna und Johannes Erz bauen im Oderbruch Biokürbisse, -kartoffeln und -linsen an. Hätten sie mehr Land, könnten sie vielleicht endgültig in den Haupterwerb wechseln. Der Bedarf an regionalen Bioprodukten ist riesig. Doch Land zu pachten, ist gar nicht so einfach.
Vor acht Jahren gründeten Hanna und Johannes Erz in Rathstock im Oderbruch den Bauernhof Erz. Beide waren schon ausgebildete Landwirte, als sie von Baden-Württemberg nach Eberswalde gingen, um an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Ökolandbau und Vermarktung zu studieren.
Danach wollten sie ihre Vorstellungen von ökologischer Landwirtschaft in einem eigenen Unternehmen umsetzen. Gar nicht so leicht, wenn man kein Bauernhoferbe ist oder einen Sechser im Lotto hatte.
Ein Kredit finanzierte die Hofstelle in Rathstock. Von den elf Hektar Land, die zum Hof gehörten, konnten sie anfangs nur drei Hektar selbst nutzen, der Rest war noch für fünf Jahre verpachtet.
Fläche und Finanzen
Es ging also zunächst um ein Konzept, mit dem man auf wenig Fläche möglichst viel Umsatz erwirtschaften kann: Die beiden Ökolandwirte setzten auf Kartoffeln und Feldgemüse. Dazu kam eine mobile Hühnerhaltung, ein Betriebszweig, von dem sie sich im Herbst vergangenen Jahres jedoch wieder verabschiedet haben: Drei Stunden Arbeit täglich für 200 bis 300 Hühner, das sei betriebswirtschaftlich nicht klug, hat Johannes Erz erfahren.
Auch der arbeitsintensive Gemüseanbau hat seine Grenzen in der Ökonomie, haben sie erkennen müssen und sich im Laufe der Zeit auf Hokaido-Kürbisse und Kartoffeln spezialisiert. Die Technik für deren Anbau ist gebraucht, aber bezahlt, wenn auch weiter mit viel Handarbeit verbunden. Johannes Erz legt Wert auf eine leichte Landtechnik mit höchstens 3,6 t Achslast, um Bodenverdichtungen entgegenzuwirken.
An diesem Mittwoch Mitte Mai zieht ein Deutz, Baujahr 1976, eine etwa 60 Jahre alte Kartoffellegemaschine, Teil des landtechnischen Kombi-Systems des Maschinenherstellers Rau aus Weilheim in Württemberg. Hanna Erz und Brigitte Polster, eine Freundin des Hofes, haben auf dem Zweisitzer hinter dem Traktor Platz genommen. Sie sortieren die Saatkartoffeln auf den Legeteller, der für gleichmäßige Ablage in die gelockerte Spur sorgt, die danach durch Zudeckscheiben wieder vom guten 56er-Oderbruchboden bedeckt wird. Für 500 Euro Investitionskosten haben Erz’ eine wirkungsvolle und robuste Technik, mit der sie die Knollen auf drei Hektar an gut zwei Tagen in die Erde bekommen.
„Linse mit Gesicht“: Linsen und Leute
Um die Fruchtfolge mit einer Leguminose zu bereichern, die sich gut direkt vermarkten lässt, starteten Hanna und Johannes Erz im vergangenen Jahr „Linse mit Gesicht“, eine Schwarmfinanzierung bei Startnext. Sie mobilisierten mit ihrer Aktion jede Menge Leute, die Linsen aus heimischem Bioanbau fördern wollten und sammelten knapp 24.000 Euro, um Landtechnik für den Linsenanbau anzuschaffen. Seitdem steht ein John-Deere-Mähdrescher, Baujahr 1984, auf dem Hof. Linsen werden in diesem Jahr auf gut einem Hektar in Kombination mit Hafer wachsen.
Außerdem stehen Kleegras, Winterweizen und – eine weitere Neuerung – Schwarzhafer auf dem Anbauplan. Und natürlich die Kürbisse: vier Hektar, gelegt mit einer umgebauten Rau-Kombi.
An Ideen mangelt es den beiden Junglandwirten vom Bauernhof Erz also nicht, und auch der Absatz stimmt. Der Markt würde sogar mehr abnehmen, als sie anbieten. Dennoch können sie von ihrer Hände Arbeit auf dem Hof allein noch immer nicht leben und wechseln seit der Betriebsgründung zwischen Haupt- und Nebenerwerb. Allein für die Beiträge zur landwirtschaftlichen Kranken- und Rentenkasse müssten sie zu zweit über 12.000 Euro jährlich aufbringen. Das ist schwierig, da kann man noch so sparsam wirtschaften. Darum ist Johannes Erz derzeit bei einem Caterer beschäftigt und dort vor allem an den Wochenenden unterwegs. Hanna Erz ist über einen 450-Euro-Job versichert ist. Was fehlt, um betriebswirtschaftlich entscheidend voranzukommen, ist das wichtigste Produktionsmittel eines Landwirts: der Boden.
Bauernhof Erz: Pacht und Politik
Momentan gäbe es eine Chance auf Pachtland. Die Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH (BVVG) hat in der Gemarkung Golzow knapp 50 ha Fläche in mehreren Losen ausgeschrieben. Ein 20-Hektar-Los in der Nähe wäre für Erz’ besonders attraktiv. Doch es gibt einen entscheidenden Haken: Die Pachtlaufzeit beträgt nur vier Jahre. „Das ist viel zu kurz, um sich als Biolandwirt darauf einzulassen“, sagt Johannes Erz. „Zwei Jahre Umstellung und zwei Jahre Erträge, das funktioniert beim besten Willen mit nachhaltiger Landwirtschaft nicht. Wir brauchen längere Pachtverträge!“, sind Hanna und Johannes Erz überzeugt.
Hinzu komme, dass die Rechnung auch aus fördertechnischer Sicht nicht aufgeht: „Die Ökolandbauförderung ist im Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) integriert. Verpflichtungen bei der Bewirtschaftung im Kulap-Programm laufen jedoch über fünf Jahre. Können diese Verpflichtungen aufgrund von kurzen Pachtverträgen nicht eingehalten werden, muss die komplette Kulap-Förderung zurückgezahlt werden“, so Erz. Zudem würden die Flächen zum höchsten Gebot vergeben.
Schon lange kritisiert das Bündnis Junge Landwirtschaft Brandenburg, dessen Mitbegründer Johannes Erz ist, die Privatisierungspraxis der BVVG. Es fordert ein Moratorium für den Flächenverkauf und die Entwicklung von fachlich fundierten Vergabekriterien. Das Bündnis macht am Beispiel des Bauernhofes Erz deutlich: Die Flächenvergabe der öffentlichen Hand bremst den Ökolandbau aus. Bei kurzen Pachtzeiten werde der Maximalertrag erwirtschaftet, der Boden ausgebeutet und heruntergewirtschaftet, heißt es in einer Pressemitteilung des Bündnisses.
Mit längeren Pachtverträgen zu Pachtpreisen, die sich am Ertrag orientieren, könnte dagegen Betrieben Planungssicherheit und Existenzgründern eine langfristige Perspektive gegeben werden. Bund und Länder seien mit ihren Landwirtschaftsflächen in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, fordern die Junglandwirte.
Doch zurück auf den Acker zu den Kartoffeln: Sie werden demnächst mit der modernen, drei Meter breiten Treffler gestriegelt und mit der 1960er-Rau-Kombi 5 gehäufelt – abwechselnd, bis es nicht mehr geht. Derweil wachsen Laura, Bernina, Belana und Co. ohne Beregnung in den schweren Böden heran, Kürbisse und Linsen in der Nachbarschaft. Und Hanna und Johannes Erz tüfteln weiter und zeigen, dass das Oderbruch als Gemüsegarten Berlins immer noch funktionieren kann, wenn man es lässt.
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