Eine Handbreit Boden muss oft reichen

Mutterkuhherden sorgen auf den Weiden der Agrargenossenschaft für die Erhaltung des Dauergrünlandes. Das Muffelwild ist ständiger Gast auf den Flächen um Gahma. (c) Wolfgang Helmbold
Agrarpraxis
Artikel teilen

Das Wirtschaften in Höhenlagen ist anspruchsvoller als in der Ebene. Zwar reichen die Niederschläge, doch die Böden sind wenig ertragreich und das Grünland meist extensiv. Ein Beispiel aus Thüringen.

Von Wolfgang Helmbold

Die Landschaft wechselt. Zwischen Wäldern, Wiesen und Ackerflächen, zwischen Ebenen und Hangflächen bis hin zu Steilhängen und tiefen Tälern. Zwischen Thüringer Wald und Erzgebirge erstreckt sich das Thüringer Schiefergebirge als Teil des Thüringisch-Fränkischen Mittelgebirges, das zu großen Teilen von den Naturparks „Thüringer Wald“, „Frankenwald“ und „Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale“ eingenommen wird.

Agrargenossenschaft Hochland e. G. Gahma: Wirtschaften in Höhenlagen

Auf einer Hochebene zwischen Hohenwarte- und Bleilochtalsperre unweit der thüringisch-bayerischen Landesgrenze liegt der kleine Ort Gahma. Er ist Teil der Gemeinde Remptendorf im Saale-Orla-Kreis. Die so typische Landschaftsstruktur für das Schiefergebirge geht einher mit relativ hohen Niederschlagsmengen. Im Mittel der letzten Jahre betrug der Jahresniederschlag in diesem Gebiet 860 mm.

Hier bewirtschaftet die Agrargenossenschaft Hochland e. G. Gahma mit 30 Mitarbeitern und vier Auszubildenden etwa 1.150 ha. Es sind besondere, nicht immer einfache Bedingungen, Landwirtschaft auf einem Mittelgebirgsstandort bei einer durchschnittlichen Höhe von 600 m ü. NN zu betreiben.

Die relativ hohen Niederschläge waren zwar besonders in den vergangenen drei Dürrejahren von Vorteil, allerdings, so Geschäftsführer Jens Ölsner, kamen die Niederschläge in den letzten Jahren zum falschen Zeitpunkt, sodass auch ihr Betrieb die Dürre zu spüren bekam.

teilweise nur fünf Zentimetern Mutterbodenauflage

Weniger vorteilhaft sind die Böden. Relativ flachgründig – unter Grünland zum Teil mit nur fünf Zentimetern Mutterbodenauflage – und mit einem hohen Steinbesatz stellen sie eine Herausforderung an Mensch und Technik dar. Die Schieferverwitterungsböden im Territorium besitzen eine durchschnittliche Ackerzahl von 28 und eine durchschnittliche Grünlandzahl von 26.

Diese natürlichen Standortbedingungen bestimmen das Portfolio und die Anbaustruktur des Betriebes. Auf etwa 900 ha ist Ackerbau möglich. 250 ha, vorwiegend hängiges Gelände, werden als Grünland genutzt. Neben Winterraps, Wintergetreide und Braugerste baut die Agrargenossenschaft auch Silomais, Feldgras und Ackerbohnen zur Versorgung der eigenen Tierbestände an.

Die Tierhaltung der Agrargenossenschaft besteht aus Milchvieh einschließlich der entsprechenden Jungrinderaufzucht und einer Mutterkuhhaltung. Im Durchschnitt hält der Betrieb 360 Milchkühe, die eine Jahresleistung von 9200 kg/Kuh erbringen, und 390 Jungrinder der Rasse Holstein-Friesian sowie 225 Mutterkühe und zehn Zuchtbullen der Rassen Fleckvieh-Fleisch und Charolais.

Grünland: Extensiv und produktiv

Die Bewirtschaftung des Dauergrünlandes erfolgt gemäß den Zielsetzungen der Thüringer Grünlandstrategie auf 70 ha als produktives und auf 170 ha als extensives Grünland.

Mit dem extensiv bewirtschafteten Grünland nimmt die Agrargenossenschaft am Thüringer Programm zur Förderung von umwelt- und klimagerechter Landwirtschaft, Erhaltung der Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschaftspflege (Kulap 2014) teil. Es erfordere schon einige Anstrengungen, die strengen Bedingungen und Vorgaben des Programms umzusetzen, aber es sei auch ein guter Beitrag für Natur und Umwelt, betont Geschäftsführer Jens Ölsner. Auch wenn nicht jede Vorgabe immer den unmittelbaren betriebswirtschaftlichen Interessen entspräche und die extensive Bewirtschaftung mit einem Verzicht auf Wertschöpfung verbunden sei, dienen diese Maßnahmen doch der Erhaltung und Verbesserung des Dauergrünlandes und der Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft. Aber andererseits sei ohne die Kulap-Beihilfen die Bewirtschaftung vieler Flächen, vor allem der nicht-mechanisierbaren Flächen, aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Die Verantwortung für den Pflanzenbau, und damit auch für die Wiesen und Weiden, trägt im Betrieb Ronny Braunschweig. Der studierte Landwirt berichtet, dass 2013, als das Grünland bonitiert wurde, auch er ganz überrascht war, wie viele verschiedene Pflanzenarten auf den Wiesen und Weiden zu finden waren. Sehr viele in der Kulap-Richtlinie aufgeführte Pflanzenarten wie Frauenmantel, Ehrenpreis, Wiesen-Rotklee, Schafgarbe, Spitzwegerich und vieles mehr wachsen auf den extensiv genutzten Weiden rund um Gahma. Deshalb entschloss sich der Betrieb, für das Programm 2014–2020 an der Kulap-Maßnahme G11, artenreiches Grünland – sechs Kennarten teilzunehmen.

extensiv bewirtschafteten Flächen für Jungvieh und Mutterkühe

Die Futtergrundlage für das Milchvieh bildet das Ackerfutter und das als Mähweide genutzte Grünland. Für die melkenden Kühe erfolgt die Futterversorgung während der Weideperiode tagsüber im Stall, nachts auf der Weide. Auf den Milchviehweiden erfolgt eine intensive Bewirtschaftung als Portionsweide. „Immerhin sollen die Kühe 40 Liter Milch geben, da müssen sie auch gutes Futter erhalten“, unterstreicht Jochen Tiesel, der für die Tierhaltung im Betrieb verantwortlich zeichnet. Deshalb sind auch die 70 ha nicht für das Kulturlandschaftsprogramm beantragt worden.

Auch alle anderen Maßnahmen wie Pflege, Düngung und Pflanzenschutz sind auf eine Nutzung mit hohen Erträgen bei energie- und eiweißreichem Futter ausgerichtet. Der erste Schnitt wird bei einem Teil der intensiv genutzten Weiden gemäht und als Heu oder Grassilage gewonnen. Der weitere Aufwuchs dient als Weidefutter. Je nach Aufwuchs erfolge der Umtrieb drei bis sechs Mal, allerdings sei in den vergangenen drei Jahren nach dem 2. Schnitt nur noch wenig gewachsen, stellte Tiesel fest.

Die extensiv bewirtschafteten Flächen sind dem Jungvieh und den Mutterkühen vorbehalten. Die großzügig angelegten Koppeln werden von einer Jungvieh- und neun Mutterkuhherden mit je 20 bis 40 Tieren beweidet. Mit einer kleinen Mutterkuhherde im Ortsteil Lückenmühle wird eine Ganzjahresweide praktiziert, wobei diese Tiere ständig freien Zugang zum Stall haben.

Die Jungviehherde besteht aus den tragenden Färsen, bei den Mutterkuhherden sorgen mitlaufende Zuchtbullen für den Nachwuchs. Eine Zufütterung von Stroh, besonders im Frühjahr, wird auch auf den hängigen Flächen gesichert. Frisch geborene Kälber in den Mutterkuhherden fangen die Tierpfleger mit einem Lasso ein und versehen sie mit Ohrmarken. Diese Methode sei einfacher und sicherer als über Fangstände oder ähnliche Einrichtungen, da es weniger Unruhe in der Herde verursacht, sagt Tierwirt Tiesel.

Striegeln und Walzen

Alle mechanisierbaren Weiden werden im Frühjahr mit einer Wiesenwalze, die noch aus DDR-Zeiten stamme, bearbeitet. Und das wollen sie auch in den nächsten Jahren so beibehalten, bemerkte Jens Ölsner. Zu den Frühjahrsarbeiten zählt auch, dass Wiesen und Weiden gestriegelt werden. Dazu hat die Agrargenossenschaft vor drei Jahren einen Grünlandstriegel mit Nachsäeinrichtung angeschafft. Dieser kommt auf allen befahrbaren Flächen zum Einsatz.

Auf den Mähweiden wird gleichzeitig mit dem Striegeln auch alle drei Jahre oder bei Bedarf nachgesät. Ein solcher Bedarf entsteht oft auf den Flächen, die Wildschweine heimgesucht hatten. Zum Einsatz kommt eine Mischung von Deutschem Weidelgras und Weißklee. Als Nachsaatmenge haben sich 15 kg/ha bewährt.

Um die Ertragsziele zu erreichen, ist auf diesen Flächen eine gezielte, regelmäßige Düngung zwingend erforderlich. Grundlage für die bedarfsgerechte Düngung sind Bodenproben, die alle sechs Jahre gezogen werden, und die Düngeberechnungen des Betriebes. Da die Böden im Schiefergebirge leicht sauer sind, wird auf den Mähflächen turnusmäßig Kalkmergel (3 t/ha) gestreut. Die Stickstoffgaben werden je nach Aufwuchs und Bedarf sowohl als Rindergülle als auch als mineralischer Dünger auf die Mähflächen gegeben. Den Bedarf an Kali deckt die ausgebrachte Gülle.

Wirtschaften in Höhenlagen: Nachsaat ausgeschlossen

Auf den Weiden der Mutterkühe, die einer extensiven Bewirtschaftung unterliegen, erfolgt – sofern erforderlich – neben dem Walzen und Striegeln lediglich eine Kalkung, um einer Versäuerung der Böden vorzubeugen. Nachsaat wird ganz bewusst nicht durchgeführt, damit die Pflanzenvielfalt und die gemäß Kulap-Richtlinie geforderten Kennarten nicht gefährdet werden. Im vergangenen Jahr wurde erstmals mithilfe des Grünlandstriegels das Einjährige Rispengras (Gemeine Rispe) bekämpft, wobei es sich zeigte, dass der Bekämpfungserfolg bei trockenen Bedingungen am höchsten ist. Als eine wichtige Pflegemaßnahme ist auf allen befahrbaren Flächen mindestens einmal jährlich eine Nachmahd selbstverständlich.

Durch das hohe Wildaufkommen im Territorium und die Nähe der Landwirtschaftsflächen zu den Wäldern gibt es nicht nur auf den Ackerflächen, sondern auch auf dem Grünland Wildschäden. Besonders der übermäßig hohe Bestand an Wildschweinen und eine circa 200 Stück starke Mufflon-Herde verursachen teils erheblichen Schäden. Während durch Schwarzwild besonders die etwas tiefgründigeren, intensiv genutzten Weiden umgebrochen werden, verbeißen die Wildschafe mit Ausdauer vorzugsweise wertvolle und anscheinend schmackhafte Gräser. Zur Regulierung der Wildschäden hat sich die Agrargenossenschaft mit den Jagdpächtern auf eine Pauschalregelung „zum Freundschaftspreis“ geeinigt, um den Aufwand zur Schadensfeststellung gering zu halten, sagt Ölsner.

Ebenso wie viele andere Betriebe in Thüringen hat die Agrargenossenschaft Hochland Gahma mit dem massenhaften Auftreten von Mäusen zu kämpfen. „So viele Mäuse wie im vergangenen Jahr hatten wir noch nie“, resümiert Geschäftsführer Jens Ölsner. Vorrangig auf dem Ackerland, aber zunehmend auch auf dem Grünland seien die Fraßschäden zu beobachten. Selbst der Sportplatz am Dorfrand sei vergangenes Jahr betroffen gewesen. Die Mittel und Möglichkeiten zur Mäusebekämpfung seien aber sehr begrenzt. Zunehmend ersetze man deshalb einige Weidezaunpfähle durch Sitzstangen für die Greifvögel.

Begrenzter Schutz

Maßnahmen zum Pflanzenschutz führt der Betrieb nur in sehr begrenztem Umfang und nur auf den produktiven Flächen durch. Hier-bei ist vorrangig die steigende Ausbreitung des Ampfers im Fokus der Pflanzenbauer. Eine regelmäßige Bekämpfung mit dem Herbizid Simplex ist gängige Praxis. Dabei sei jedoch Vorsicht geboten, warnt Ronny Braunschweig, da das Herbizid auch den Weißklee angreife. „Aber wie es ausschaut“, so der Pflanzenbauexperte, „haben wir den Kampf gegen den Ampfer verloren.“ Dazu trügen auch die Wildschweine bei, die durch ihr Wühlen freie Stellen schaffen, auf denen sich der Ampfer ansiedelt.

Seit über 20 Jahren werden auf Grünlandflächen der Agrargenossenschaft gemeinsam mit der Versuchsstation Oberweißbach des Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) Dauerversuche durchgeführt.

Auf 30 Parzellen in dreifacher Wiederholung testen Agrargenossenschaft und Versuchsstation Sortenmischungen für das Grünland unter anderem auf Eignung, Ertragsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit unter den speziellen Bedingungen der Mittelgebirgsstandorte. „Zum jetzigen Zeitpunkt im Frühjahr“, so Ölsner, „sehen alle Parzellen gleich aus.

Aber im Laufe des Jahres erkennt man deutlich, was gut wächst und was den Tieren schmeckt. Den Rohrschwingel lassen sie regelmäßig stehen, nicht mal die Mufflons fressen ihn.“ Eigentlich sollten die Versuche bereits vor Jahren beendet werden, erzählt der Geschäftsführer. Man sei aber froh, dass sie fortgeführt würden, denn sie liefern nach wie vor wichtige Erkenntnisse sowohl für die konventionelle, produktive als auch für die extensive, naturschutzkonforme Bewirtschaftung des Dauergrünlandes.

Wirtschaften in Höhenlagen: Die Investitionen

Viel hat der Betrieb in den letzten Jahren investiert. Schwerpunkt der Investitionen war trotz oder gerade wegen des niedrigen Milchpreises die Milchviehwirtschaft. Der bestehende Stallkomplex wurde durch ein neues Melkhaus ergänzt, das mit einem GEA-Melkrobotersystem ausgerüstet ist und ein neuer Güllebehälter wurde gebaut. Für Fütterung, Ver- und Entsorgung investierte der Betrieb in mobile Technik, Mähdrescher und neue Traktoren. Und bereits 2006 beschloss der Vorstand, sich an einer Biogasanlage in Thimmendorf zu beteiligen, die gemeinsam mit anderen Landwirten der Region betrieben wird. Die Gärreste aus der Biogasanlage werden durch die Agrargenossenschaft Gahma ausgebracht.

Der Grünlandstriegel und zwei Traktoren waren wichtige Investitionen im Bereich der Grünlandwirtschaft. Im vergangenen Jahr wurde noch ein Zaunkönig, ein Mäher für Zäune und Pfosten, angeschafft, mit dem der Aufwuchs unter den Weidezäunen beseitigt wird. Der Zaunkönig soll die Weidebetreuung erleichtern und für die notwendige Weidesicherheit sorgen.

Die Investitionssumme der vergangenen drei Jahre beträgt fast 2,5 Mio. Euro. Dies war notwendig, damit auch unter den extremen Bedingungen im Thüringer Schiefergebirge jetzt und in Zukunft einerseits wirtschaftlich Landwirtschaft betrieben werden kann und gleichzeitig den Anforderungen des Naturschutzes Rechnung getragen wird, rechtfertigte der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Hochland Gahma den finanziellen Aufwand.