„AC/DC-weeds“: Projekt zur Bekämpfung von Wurzelunkräutern
Im Projekt „AC/DC-weeds“ werden mehrjährige ausläuferbildende Unkräuter untersucht. Schwerpunkt sind die drei wichtigen Arten in Nord- und Mitteleuropa: Ackerkratzdiestel, Ackergänsediestel und Quecke.
Von Merle Hamacher, Dr. Sabine Andert, Prof. Bärbel Gerowitt (Universität Rostock)
Mehrjährige Wurzelunkräuter beeinflussen die Agrarproduktion stark. Werden sie nicht kontrolliert, kann es zu Einbußen bei der Ertragsmenge und -qualität kommen. Diese Unkräuter sichern ihre Lebensfähigkeit durch unterirdische Speicherorgane (zum Beispiel Wurzeln, Rhizome). Ihre unterirdischen klonalen Systeme erleichtern das Überleben und die räumliche Ausbreitung auf Ackerflächen durch vegetative Vermehrung. Oftmals nimmt der Besatz an Wurzelunkräutern trotz intensiver Bodenbearbeitung weiter zu. Grund genug für ein Forschungsprojekt, in dem verschiedene Strategien für ein erfolgreiches Management der Wurzelunkräuter in der Praxis untersucht werden sollen.
Forschungsprojekt „AC/DC-weeds“
In der europäischen Plattform SusCrop werden Initiativen gefördert, die durch Forschung angewandte Methoden und Praktiken zur integrierten Schädlingsbekämpfung entwickeln. In SusCrop arbeiten nationale Förderer aus verschiedenen Ländern Europas zusammen. Die Forschungspartner werden dabei von ihren jeweiligen nationalen Förderern unterstützt – in Deutschland sind dies die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Eines dieser SusCrop-Projekte befasst sich mit agroökologisch basiertem Management von ausdauernden Unkräutern durch Anwendung von Störung und Konkurrenz und deren Kombination. Unter dem Akronym „AC/DC-weeds“ werden mehrjährige ausläuferbildende Unkrautarten untersucht.
Schwerpunkt des Projektes sind die drei wichtigen Arten in Nord- und Mitteleuropa: Ackerkratzdistel, Ackergänsedistel und Quecke. In AC/DC-weeds arbeiten Partner aus fünf Ländern zusammen: Norwegen, Finnland, Dänemark, Frankreich und Deutschland. Neben neuen Ansätzen für konventionell wirtschaftende Betriebe wird dabei auch an mechanischen Lösungen geforscht. Dabei erreicht eine direkte mechanische Bekämpfung in den Feldfrüchten zum Beispiel durch Striegeln die Wurzelunkräuter in der Regel kaum.
Mechanisch können die Wurzelunkräuter vor allem durch die wendende Bodenbearbeitung und die Stoppelbearbeitung eingedämmt werden. Diese letztgenannten Aspekte betreffen auch direkt den Ökologischen Landbau. Der Pflug spielt in diesen Betrieben noch eine große Rolle, und gängige Praxis sind Ackerbausysteme, in denen zu einjährigen Feldfrüchten stets gepflügt wird. Trotzdem sind es gerade die ökologisch arbeitenden Betriebe, die große Probleme mit Wurzelunkräutern haben. Eine Komponente für zeitgemäße Lösungsansätze in AC/DC-weeds ist es deshalb auch, konventionelle und ökologisch wirtschaftende Betriebe gleichermaßen im Auge zu behalten, um Synergien zu erkennen und zu fördern.
Effekte von Störung und Beschattung
Stand der Forschung bei der Bekämpfung von Wurzelunkräutern ist, dass sich sowohl Störung als auch die Beschattung durch Haupt- und Zwischenfrüchte negativ auf Spross- und Wurzelbildung von Pflanzen auswirken. Wurzelunkräuter mit ihrer kriechend-ausdauernden, klonalen Lebensweise sind hiervon besonders betroffen. Offen sind die Fragen, ob und wie sich Maßnahmen im Einzelnen auf die drei Arten der Wurzelunkräuter auswirken:
- Was bewirkt es genau, Pflanzen oberirdisch zu stören? Kann man bodenschonend unterirdisch stören?
- Stören oder Beschatten sind Prozesse, die sich in der Stoppelphase weitgehend ausschließen – man kann die Zeit entweder nutzen, um eine kräftige Zwischenfrucht zu etablieren oder um oberirdische Sprosse durch Stoppelbearbeitung zu zerstören. Abzuschätzen, wann welcher Prozess bessere Wirkung auf die Wurzelunkräuter erzielt, ist entscheidend für ein nachhaltiges Management.
Im Rahmen des Projektes werden auch neue Wege bei der mechanischen Störung von Wurzelunkräutern untersucht. So wird die Wirkung eines vertikalen „Rootcutters“ seit 2019 in Feldversuchen untersucht. Prototypen des Gerätes werden von der Firma Kverneland bereitgestellt. Der Rootcutter durchschneidet den Boden sowie die darin wachsenden Rhizome und Wurzeln mit minimaler Lockerung, natürlich ohne zu wenden. Geprüft werden die Zeitpunkte und notwendige Häufigkeit der Maßnahmen, um eine optimale Kontrolle der Wurzelunkräuter zu erzielen. Von den norwegischen Partnern liegen hierzu bereits Erfahrungen vor, auf denen die Versuche aufbauen. In Modellstudien wird die Wirkung des Gerätes nachgebildet, um die Reaktion verletzter Wurzeln besser untersuchen zu können.
Test biobasierter Herbizide mit dem Wirkstoff Pelargonsäure
Im Rahmen des Projektes wird auch die Wirkung des biobasierten Wirkstoffs Pelargonsäure untersucht, der seit 2015 für die konventionelle Anwendung in Kartoffeln, Hopfen undWeinreben zugelassen ist. Pelargonsäure ist ein „Verbrenner“, das heißt getroffene Pflanzenteile sterben relativ schnell ab, eine wurzelaktive Wirkung besteht nicht. Daher hat Pelargonsäure eine weniger lang andauernde Wirkung. Biobasierte Herbizide wie Pelargonsäure könnten jedoch das zukünftige Management von Wurzelunkräutern indirekt mit unterstützen. Im Projekt liegt darum ein Schwerpunkt auf Gewächshaus- und Feldversuchen, die die Wirkung der Pelargonsäure im Kontext des Anbausystems untersuchen (aktuell nur zur Krautabtötung, zum Hopfenputzen und zur Regulierung der Stocktriebe zugelassen).
Ackergänsediestel (Sonchus arvensis)
■ Familie: Korbblütler (Asteraceae)
■ Hauptblühzeit: Juli bis Oktober
■ Vorkommen: Ackerfl ächen, Gärten, Wegränder
■ Verbreitungsart: vegetativ durch horizontale verdickte Wurzeln und generativ durch Samen
■ Bekämpfungsmöglichkeiten: Lichtentzug durch Beschattung und mechanische Störungen des unterirdischen Wurzelsystems
Zwischenfrüchte als Management-Tool
Um Effekte durch Beschattung von Zwischenfrüchten quantitativ einschätzen zu können, geht AC/DC-weeds mit einer Metastudie einen innovativen Weg, ohne neue Experimente durchzuführen. Europaweit wurden und werden die verschiedensten Versuche mit Zwischenfrüchten durchgeführt (welche Arten, Gemenge, welche Anbautechnik), in denen das Auftreten von Wurzelunkräutern dokumentiert worden ist. In einer Meta-Studie wertet AC/DC-weeds diese Ergebnisse hinsichtlich des Unterdrückungserfolgs aus. Eine französische Arbeitsgruppe ist hier methodisch erfahren und leitet die Arbeiten – alle Partner recherchieren und arbeiten zu.
Disteln in Nestern per Drohne orten
Durch klonales Wachstum treten Wurzelunkräuter fast immer in Nestern auf. Bei der Ackerkratzdistel ist das meistens sehr ausgeprägt, aber auch die Quecke neigt dazu. Die Ackergänsedistel zeigt wohl die geringste Nesterbildung von den drei Arten. Es ist wichtig, Nester verorten zu können, um diese gezielt zu bekämpfen, aber auch um die Wirkung von Bekämpfungsmaßnahmen schnell zu erfassen. Deshalb ist die Erfassung von Wurzelunkräutern im Feldmaßstab mit Drohnen ein weiteres Anliegen von AC/DC-weeds. Die Partner an der Universität Kopenhagen bringen hierzu bereits Erfahrungen mit. Gearbeitet wird an Lösungen für alle drei Arten, wobei sich besonders für die Ackerkratzdistel abzeichnet, dass ein Drohnen-Monitoring möglich ist.
Ackerkratzdiestel (Cirsium arvense)
■ Familie: Korbblütler (Asteraceae)
■ Hauptblühzeit: Juli bis September
■ Vorkommen: Ackerfl ächen, Grünland besonders bei Beweidung, Ruderalfl ächen wie Straßenränder und Brachen
■ Verbreitungsart: vegetative Vermehrung mit einem weit reichenden, tiefen Wurzelsystem
■ Bekämpfungsmöglichkeiten: Lichtentzug durch Beschattung und mechanische Störungen des unterirdischen Wurzelsystems
Erkenntnisse zusammenführen
Bei der Wegbereitung, um Ergebnisse wissenschaftlich und praktisch zu nutzen, geht AC/DCweeds zwei Wege: Die Planung eines nachhaltigen Managements soll unterstützt werden, indem für jede Art ein qualitatives Modell entwickelt wird. Qualitativ deshalb, weil weitgehend mit Einschätzungen gearbeitet wird, also auch ohne genaue Zahlen zu den Wirkungen von Maßnahmen. Die Methode wurde von einer der französischen Arbeitsgruppen bisher erfolgreich auf pilzliche Krankheitserreger angewendet. Die Übertragung auf Wurzelunkräuter bringt neue Ansprüche mit sich, die in AC/DC-weeds im Team bearbeitet werden. Die Arbeiten tragen dem Umstand Rechnung, dass in der Praxis entschieden werden muss, egal ob Wissenschaftler bereits alles in sicheren Zahlen ausdrücken können oder nicht. Ein zweiter Weg stellt die Zielobjekte, die Wurzelunkräuter ins Zentrum. Biologie, Ökologie und Populationsentwicklung der Arten sind komplex. Wahrscheinlich können sie sich genau deshalb so erfolgreich einfachen Managementkonzepten entziehen. Umso wichtiger ist es für Praktiker, die prinzipiellen Reaktionen der Pflanzen zu kennen. AC/DC-weeds will dafür ein grafisches Web-Tool entwickeln, das die ober- und unterirdische Ausbreitung der Pflanzen visualisiert und mit dem verdeutlicht wird, wie sich Managementmaßnahmen auswirken können.
Quecke (Elymus repens)
■Familie: Süßgräser (Poaceae)
■Hauptblühzeit: Juni bis August
■Vorkommen: Ackerfl ächen, Weiden, Wiesen
■Verbreitungsart: durch unterirdische Rhizome, die oberfl ächennah wachsen, Samenverbreitung möglich ■Bekämpfungsmöglichkeiten: Licht- und Nährstoffentzug, häufi ges Schneiden der Triebe, beschattende Ackerfeldfrüchte
Vorgänge im Dunkeln verständlich machen
Im ersten Schritt soll dieses Werkzeug dem Verständnis, der größtenteils unterirdisch ablaufenden Prozesse, dienen und Praktikern helfen, diese bei Managementent
scheidungen zu berücksichtigen. Auf lange Sicht wird damit die Grundlage für eine flächenspezifische Prognose gelegt.
Der Partnerverbund wird durch die Arbeitsgruppe Phytomedizin an der Universität Rostock zusammengehalten. Zusammenhalt bedeutet, Versuche und Recherchen arbeitsteilig zu organisieren, sich stets transparent gegenseitig zu informieren, Daten auszutauschen und Methoden zu beraten. Zentral in Rostock werden auch Daten zusammengestellt, um neue Wege bei der Kontrolle von Wurzelunkräutern ökonomisch und hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen zu bewerten. Dabei soll auch die Bedeutung von Wurzelunkräutern in Vorgängen rund um das Pachtgeschehen untersucht werden. In gemeinsamen Anstrengungen der beteiligten Partner entstehen aus diesen methodisch ganz unterschiedlichen Forschungsansätzen neue Erkenntnisse und Grundlagen für den Umgang mit Wurzel-unkräutern. Die Projektarbeiten laufen seit Sommer 2019, bis abgesicherte Ergebnisse für die Praxis vorliegen wird es noch etwas dauern. Für Dialog stehen die AC/DC-weeds-Partner in ihren Ländern auch während des laufenden Projektes zur Verfügung.