Kombinierte Grünlandnutzung

Boden ist nicht nur Fläche

Eine Herde von 450 Mutterschafen wird zum Abhüten von Portionsweiden auf Winterzwischenfruchtflächen der LLG eingesetzt.
Ackerbau
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Ackerbau, Tierhaltung und Grünlandnutzung funktionieren nur im System. Praxisorientierte Ansätze dazu werden an der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau von Dr. Joachim Bischoff in Bernburg erforscht.

Von Erik Pilgermann
(Text und Fotos)

Was für ein Jahr! Es entsteht der Eindruck, dass in vielen Bereichen der Verwaltung und Gesetzgebung in Sachen Landwirtschaft geradezu inflationär mit neuen Erkenntnissen und Vorschriften umgegangen wird. Dabei wird jedoch ein entscheidender Fehler ständig wiederholt, nämlich jede Entscheidungsebene losgelöst von allen anderen zu betrachten und zu bearbeiten. Es wird Zeit für einen Wechsel, wenn Sie mich fragen, nicht nur den von 2020 auf 2021.

Die Bereiche Ackerbau, Nutztierhaltung und Grünland können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Sie bilden schon immer ein System mit hochkomplexen Zusammenhängen. Die Frage muss also nicht lauten, wie man diese Bereiche zusammenbringt. Vielmehr muss man die Frage stellen, wie man diesem System in Wissenschaft und Forschung und daraus folgend auch in der Gesetzgebung Rechnung trägt. Am Standort der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt (LLG) in Bernburg-Strenzfeld werden dazu von Dr. Joachim Bischoff gemeinsam mit der Multifunktionellen Versuchsbasis (MVB) und Versuchspartnern verschiedene Ansätze in der angewandten Forschung am Boden verfolgt. Wir haben uns in Bernburg-Strenzfeld umgesehen und vier Kernpunkte einer nachhaltigen Landwirtschaft angeschaut. Fakt ist, es gibt Mittel und Wege, auch unter den schwieriger werdenden Bedingungen zukünftig erfolgreich Ackerbau, Nutztierhaltung und Grünlandwirtschaft zu betreiben.

Acker nach abgeernteter Zwischenfrucht

Bodenbearbeitung und Direktsaat

Zur Bewirtschaftung des Bodens auf Acker- und Grünland wird in absehbarer Zeit kein Glyphosat mehr zur Verfügung stehen. Daher müssen standort- und betriebsspezifische Anpassungsstrategien gefunden werden, um weiter wirtschaftlich arbeiten zu können. Um zu untersuchen, wie Anbausysteme gestaltet werden können, damit reduzierte Bodenbearbeitungsverfahren trotz eines Glyphosatverzichts nachhaltig und rentabel umsetzbar sind, werden in Bernburg-Strenzfeld Feldversuche unter Praxisbedingungen durchgeführt. Dabei wird in einer Vierfelderfruchtfolge sowie einer erweiterten Fruchtfolge mit Luzerne der Einfluss unterschiedlicher Bodenbearbeitungsvarianten hinsichtlich ihrer Ertragswirkung beziehungsweise der Unkrautbekämpfung miteinander verglichen. Die Variante Pfluglos ohne Glyphosat erzielt durch die Erweiterung der Fruchtfolge und die ergänzende mechanische Unkrautbekämpfung mit zwei bis drei Bearbeitungsgängen des Bodens mit Grubber oder Scheibenegge bei der Unkrautbekämpfung einen ähnlich hohen Wirkungsgrad wie die wendende Pflugarbeit und führt in Trockenjahren aufgrund von Mehrerträgen zu höheren Ernteerlösen.

Bodengesundheit: Erweiterte Fruchtfolge durch Sommerblanksaat

Die Luzerne (Medicago sativa x varia cv. Plato) wurde Ende Juli unmittelbar nach der Getreideernte und einem zweimaligen Strohstriegeleinsatz im Direktsaatverfahren als Sommerblanksaat ausgesät (temporäre Direktsaat). Das Luzernesaatgut war geimpft mit den Knöllchenbakterien Sinorhizobium meliloti und Azospirillum brasilense. Die Aussaatmenge betrug 30 kg/ha. Die Ernte erfolgte im Knospenstadium der Luzerne. Nach jedem Luzerneschnitt (Dreischnittnutzung) wurde von Juni bis Oktober jeweils ein sechs Meter breiter Luzerne-Randstreifen wechselseitig zum Abblühen stehen gelassen. Der Erhalt von blühenden Randstreifen bietet Lebensraum für Schmetterlinge und Wildbienen (zu denen auch die Hummeln zählen). Im dritten Hauptnutzungsjahr stand eine Hafer-Luzerne-Mischkultur als Hafereinsaat in die Luzernestoppeln nach zweimaligem Schröpfen der Luzerne. Der Vergleich der Bewirtschaftungsverfahren zeigt, dass der Wasserverbrauch und die Wassereffizienz der Luzerne ungünstiger als bei einer Vierfelderfruchtfolge mit Sommerzwischenfrucht sind. Die Sommerblanksaat in Direktsaat erzielte gegenüber der Frühjahrsblanksaat mit Saatfurche eine bessere Wassereffizienz, das heißt weniger Wasserverbrauch je Einheit gebildeter Trockenmasse bei gleichzeitig höheren Erträgen.

Noch günstiger war die Wassereffizienz im dritten Hauptnutzungsjahr, als Hafer nach zweimaligem Schröpfen in die Luzernestoppeln im Direktsaatverfahren ausgesät wurde. Durch die erweiterte Vierfelderfruchtfolge (Mulchsaatverfahren) und Luzernesommerblanksaat (Direktsaatverfahren) zur Siebenfelderfruchtfolge ist in der Summe von einem wirtschaftlichen Nachteil von rund 200 €/ha gegenüber der Vierfelder-Marktfruchtfolge auszugehen. Was die Wirtschaftlichkeit betrifft, ist allerdings zu berücksichtigen, dass Arbeitsgänge gespart werden können, außerdem Betriebsmittel wie Diesel und Dünger. Fakt ist, erst in Kombination mit einer Erweiterung der Fruchtfolge kann das System nachhaltig funktionieren. Die Erweiterung der Fruchtfolgen mit der mehrjährigen Luzerne erlaubt pfluglose Anbausysteme auch bei einem Glyphosatverbot und bietet einen hohen Grad an Bodenbedeckung während der gesamten Rotation. Insbesondere die Mischkultur mit Hafer und Luzerne profitierte von Endomykorrhizen (Pilzen), die die Pflanzenwurzeln im Boden besiedeln. Damit haben sie bei anhaltender Trockenheit zu vitalen Pflanzenbeständen geführt. Durch mehrmaligen Schnitt der Luzerne (Dreischnittnutzung) war es möglich, problematische Wurzelunkräuter innerhalb des Nutzungszeitraumes zu erschöpfen und schwer bekämpfbare Ungräser auszuschalten.

Ackerbausysteme mit Schafhaltung

In Zusammenarbeit mit Ulrike Wehrspohn von der Schäferei Estancia in Bernburg-Strenzfeld erfolgte eine Sommerhutung durch Schafe, ein wiederholtes Abhüten der Hafer-/Luzernestoppeln sowie der Zwischenfrüchte nach dem Abblühen. Die Feldmauspopulation wurde durch den Huftritt der Schafe beim Weidegang nachweislich unterdrückt. Kontrolliert wurde mittels Lochtretmethode auf vier repräsentativen Stellen von 250 m2. Der Schwellenwert liegt bei fünf bis acht wieder geöffneten Löchern nach 24 h. Dem Abhüten lagen folgende Vorgaben zugrunde: Pferchen von 450 Schafen, ein Weidezaun-Pferch war von 2.500–3.600 m2 groß. Gehütet wurde jeweils acht Stunden. Danach wurden die Tiere systematisch und regelmäßig umgestellt. Die Düngung durch die Schafexkremente bereitet den Boden für einen späteren Anbau der Folgekulturen vor. Harn und Kot enthalten, abhängig von der Mineralstoffversorgung der Schafe, Mineralien in verschiedenen Konzentrationen: unter anderem Stickstoffverbindungen, Phosphate, Kalium- und Kalziumsalze sowie Hormone, Enzyme, Bakterien. Untersucht werden sollen die Nährstoffwirkung, die bodenbiologische Wirkung sowie unkrautunterdrückende und unkrautbekämpfende Wirkungen des Schafpferchens.

Side-Dressing-Verfahren im Praxiseinsatz

Bei diesem Düngeverfahren wird Stickstoff zwischen den Reihen im Boden platziert, um Ammoniakverluste zu minimieren. Eigentlich für Harnstoff entwickelt, scheint die Technik auch für den Ökolandbau interessant zu sein. Im Frühjahr 2020 wurden an der LLG erste Praxistests auf Großparzellen durchgeführt. Einen wesentlichen Erkenntniszuwachs brachten dabei die Praxistests mit verschiedenen organischen Düngern für den Ökolandbau: Die oberflächige Ausbringung von Gärrestgranulat, Gärrestpellets sowie von Phytogran-Granulat (Vinassedünger nach EU-Öko-Verordnung) wurde jeweils mit dem Side-Dressing verglichen. Diese ersten Praxistestswaren vielversprechend. Speziell für den Ökolandbau – aber durchaus auch für konventionelle Betriebe interessant – ergibt sich ein weiterer Vorteil: Durch die konstruktive Zusammenführung der Schlitztechnik für granulierte Dünger im Boden und einen angebauten Striegel lassen sich die Vorteile verlustarmer Düngung mit den positiven Effekten der mechanischen Unkrautbekämpfung verbinden.

Angewandte, praxisorientierte Forschung, hier am Beispiel der MVB Bernburg-Strenzfeld zeigt, dass nicht lauter neue Räder erfunden werden müssen. Vielmehr geht es darum, herauszufinden, welches Rad an welche Achse des Karrens gehört, denn mit allen Rädern an der richtigen Stelle ließe sich der Karren ganz gewiss leichter aus dem Dreck ziehen. Bleiben Sie gespannt auf viele interessante Beiträge zu diesem Thema. Lesen werden Sie es in der Bauernzeitung.


Wissenschaft und Praxis gehen in Bernburg-Strenzfeld Hand in Hand. Ulrike Wehrspohn im Gespräch mit Dr. Joachim Bischoff.

„Das Jammern liegt mir nicht“

Sachsen-Anhalt hat seit Kurzem eine weitere junge Schäferin. Wir haben mit Ulrike Wehrsporn über ihre Schäferei Estancia, ihren Werdegang, die Schafherde und Zukunftspläne gesprochen. mehr