Boden- und Düngungstag: Fragen über Fragen
Am digitalen Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern nahmen im Januar mehr als 500 Interessenten teil. Vor allem Landwirte aus nitratbelasteten Gebieten hatten großen Informationsbedarf.
Das Interview führte Gerd Rinas
Pünktlich zum Jahresbeginn trat in Mecklenburg-Vorpommern die Düngelandesverordnung in Kraft, obwohl ein Fachgutachten die Aussagekraft von Grundwassermessstellen in Frage stellt. Laut Gutachten der Hydor Consult GmbH, Berlin, das vom Bauernverband MV in Auftrag gegeben wurde, sind 56 von 103 untersuchten Messstellen hydrologisch nicht repräsentativ. Das Agrarministerium in Schwerin hat eine rasche Evaluierung zugesagt. Auf dem erstmals digitalen Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern im Januar standen Anforderungen aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten (AVV) im Mittelpunkt. Dazu gingen mehr als 100 Fragen von Landwirten ein. Nach der Veranstaltung sprach die Bauernzeitung mit Dr. Hans Eberhard Kape, Leiter der Zuständigen Stelle für Landwirtschaftliches Fachrecht und Beratung (LFB) in Rostock.
Herr Dr. Kape, die AVV und die neue Düngelandesverordnung MV stellen vor allem Landwirtschaftsbetriebe in den mit Nitrat belasteten Gebieten vor neue Herausforderungen. Mehr als 500 Teilnehmer am Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern zeugen von großem Interesse der Landwirte. An vielen Fragen waren Informationsdefizite und auch Verunsicherung zu spüren. Sind nun die größten Unklarheiten beseitigt?
Vorträge und Diskussion auf dem Boden- und Düngungstag in Mecklenburg-Vorpommern haben wichtige Informationen zu den Düngeanforderungen in den mit Nitrat belasteten Gebieten vermittelt. Das geht aus Reaktionen nach der Veranstaltung hervor. Die Mitarbeiter der Landwirtschaftlichen Fachbehörde stehen weiter für Fragen zur Verfügung.
Viele Nachfragen gab es zu den verschiedenen N-Bilanzwerten?
Der N-Bilanzwert von zuletzt 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar aus der Düngeverordnung (kurz DüV) 2017 spielt keine Rolle mehr, da nach der DüV 2020 die Landwirte keine Nährstoffbilanzen mehr erstellen müssen.
Der N-Bilanzwert der Stoffstrombilanz hat nicht unmittelbar etwas mit der Düngung zu tun. Nach diesem Wert werden die Stickstoffströme in Landwirtschaftsbetrieben und Biogasanlagen beurteilt. Der tolerierbare N-Bilanzwert und der N-Ist-Bilanzwert sind neu. Neben den Messwerten der Grundwassermessstellen sind diese beiden Bilanzwerte für die Ausweisung von mit Nitrat belasteten Gebieten bedeutsam. Sie werden auf einen Feldblock, also einzelschlagbezogen, ermittelt.
Der tolerierbare N-Bilanzwert wird rechnerisch aus den Standort- und Witterungsbedingungen des jeweiligen Feldblocks abgeleitet. Es ist der Wert für den N-Überhang, mit dem gewährleistet wird, dass im Sickerwasser unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht die Nitratkonzentration von 50 Milligramm Nitrat pro Liter nicht überschritten wird. Mit dem N-Ist-Bilanzwert, der sich aus der N-Zu- und -Abfuhr einer Fläche errechnet, wird im Abgleich mit dem tolerierbaren N-Bilanzwert geprüft, ob sich die Überhänge aus der N-Düngung negativ auswirken. Überschreitet der N-Ist-Bilanzwert den tolerierbaren N-Bilanzwert, ist davon aus
zugehen, dass im Sickerwasser die zulässige Nitratkonzentration überschritten wird. Übersteigt auch der Nitratgehalt im Grundwasser die Vorgaben nach der DüV 2020, § 13a, wird die Fläche des betroffenen Feldblocks als nitratbelastet ausgewiesen.
Wie werden die N-Ist-Bilanzwerte der AVV ermittelt?
Grundlage sind die N-Zu- und -Abfuhren über die landwirtschaftlichen Stoffflüsse, ermittelt für eine einzelne Fläche. Dazu gehören der Stickstoffanfall und -einsatz aus der Tierhaltung, betriebsfremden organischen Düngern, Stickstoffzufuhr durch Saat- und Pflanzgut, symbiotischer Stickstoffbindung, die Zufuhr über mineralische Dünger und die Stickstoffabfuhr mit Ernteprodukten. Ausgangsdaten dazu werden laut AVV aus Statistiken und Datenbanken wie InVeKos und HIT, der besonderen Ernteermittlung, Düngerdatenbanken oder einzelbetrieblichen Erhebungen gewonnen.
Warum hat Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu anderen Bundesländern die Möglichkeit aus der AVV genutzt, anonymisierte einzelbetriebliche Daten für die Ausweisung der N-Ist-Bilanzüberhänge einzubeziehen?
Grundlage sind Daten aus einem Projekt zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, in dem N-Überhänge flächendeckend ermittelt wurden, um Aussagen über die Stickstoffbelastung von Oberflächengewässern und Grundwasser ableiten zu können. In die Auswertung flossen 25.000 Datensätze aus Landwirtschaftsbetrieben ein. Den Ausschlag für deren Nutzung gaben die hohe Qualität und Menge der Einzeldaten.
Gegenüber dem in anderen Bundesländern angewandten Berechnungsmodell erlaubt unser Verfahren, dass die vorliegenden Daten flächen- und nicht gemeindebezogen zugeordnet werden können. Dadurch wird eine hohe Genauigkeit der Aussagen zur Nitratbelastung aller bewirtschafteten Flächen des Betriebes erreicht. Das ist besonders wichtig mit Blick auf die Verteilung der organischen Düngung auf den Flächen des Betriebes. Eine überproportionale Zuordnung organischer Düngung auf den Hauptsitz des Betriebes wird vermieden. Im Bundesmodell ist dieses Prinzip bisher nicht berücksichtigt. Das könnte besonders für große Betriebsstrukturen zu fachlich nicht korrekten Aussagen führen.
Die tolerierbaren N-Bilanzwerte der AVV sind bei der Betrachtung der Nitratbelastung des Grundwassers und somit für die Düngung künftig entscheidend. Wie werden diese Werte ermittelt?
Zu berücksichtigen sind flächenbezogene Standortfaktoren und Witterungsbedingungen für die durchwurzelbare Bodenschicht. Wichtige Eingangsparameter für die Berechnung sind die Sickerwasserrate, die Denitrifikation im Boden, die Festlegung des Stickstoffs durch Humusfixierung auf dem Grünland und der N-Eintrag aus der Luft.
Kennen die Landwirte diese Parameter für ihre Flächen?
Die Daten stehen ihnen bisher nicht zur Verfügung, liegen bei den zuständigen Stellen aber vor. Auch Landwirte in noch nicht roten Gebieten sollten sich diese Angaben beschaffen. Wer die Werte kennt, kann bei den N-Ist-Bilanzüberhängen gegensteuern, sodass seine Flächen bei einer erneuten Ausweisung die tolerierbaren N-Bilanzwerte unterschreiten. Daraus abgeleitet, spielen diese Daten indirekt eine große Rolle bei Entscheidungen zu N-Düngung, Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau.
Welche Rolle spielt das Denitrifikationspotenzial des Bodens bei der Ausweisung der tolerierbaren N-Bilanzwerte?
Denitrifikation ist ein natürlicher Prozess, bei dem Mikroorganismen Nitrat in elementaren Stickstoff umwandeln, der als Gas in die Atmosphäre entweicht und somit die Konzentration im Bodenwasser senkt. Nasse bzw. vernässte Böden und solche mit hohen Humusgehalten haben ein hohes Denitrifikationsvermögen. Das Gegenteil ist der Fall bei leichten luft- und wasserdurchlässigen Böden und Flächen in trockenen Regionen bzw. mit geringer durchwurzelbarer Bodenschicht.
Je höher das Denitrifikationspotenzial, um so höher ist der Abbau von Nitrat, in dessen Folge ein höherer tolerierbarer N-Bilanzwert ausgewiesen wird. Bei der Denitrifikation gibt es in Mecklenburg Vorpommern ein deutliches West-Ost-Gefälle: Im Osten und Südosten des Landes werden vergleichsweise niedrige tolerierbare N-Bilanzwerte ausgewiesen.
In Gebieten mit nur mittleren Jahresniederschlägen unter 550 Millimeter werden durch die AVV in der Regel niedrige tolerierbare Stickstoffsalden ausgewiesen. Die wirtschaftliche Landnutzung wird hier nach Einschätzung von Pflanzenbauexperten künftig sehr problematisch.
Das ist richtig. In Teilen von MV, vor allem in den trockneren Regionen, wurden tolerierbare N-Bilanzüberhänge von weniger als 20 Kilogramm Stickstoff pro Hektar ausgewiesen. Den Bundesländern wurde erlaubt, für die aktuelle Gebietsausweisung die niedrigen tolerierbaren N-Salden auf mindestens 20 Kilogramm Stickstoff pro Hektar heraufzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat MV in diesen Gebieten Gebrauch gemacht.
Wann können Landwirte rote Gebiete verlassen?
Laut AVV müssen N-Ist-Bilanzüberhänge in den Bundesländern alle vier Jahre neu bewertet werden. Seit der Novellierung des Düngerechts 2017 hat sich das Düngeverhalten nach unseren Erkenntnissen verändert. In Mecklenburg-Vorpommern sind die N-Überhänge deutlich zurückgegangen. Deshalb strebt das Agrarministerium in Schwerin an, zeitnah die Düngedaten für 2018 bis 2020 zu erheben. Wir gehen bei der Neuberechnung von einer weiteren Reduzierung der Flächen aus, in denen tolerierbare N-Überhänge überschritten werden. Eine wichtige Voraussetzung, um dies nachzuweisen, besteht darin, dass die Landwirte sich intensiv an der erneuten Erhebung der Daten beteiligen.