Brandenburg: Ackern im roten Gebiet – Wortmeldung aus der Praxis
Seit dem 1. Januar gibt es eine neue Nitratkulisse. Landwirt Uve Gliemann berichtete in einem Fachgespräch des Landesbauernverbandes, wie er auf der Fläche gewirtschaftet hat, für die er nun 139.000 Euro Verlust kalkuliert.
Wer Ackerfläche in einem roten Gebiet hat, den wird es nicht trösten, dass die Fläche nach der Neuausweisung zum 1. Januar 2021 in Brandenburg kleiner geworden ist. 284 Betriebe sind betroffen, und mit 22.882 ha ca. 1,73 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Brandenburgs (Tabelle). Das meiste ist Ackerland, 21.593 ha konventionell, 1.289 ha ökologisch bewirtschaftet.
Der Landesbauernverband (LBV) lud im Februar zu einem Fachgespräch über Ackerbau in roten Gebieten: Zuständige Mitarbeiter aus Agrarministerium (MLUK), Landesumweltamt (LUA) und dem Landesamt für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) trafen online auf betroffene Landwirte, und auch die Tagespresse war vom LBV eingeladen worden. Mehr als 60 Interessierte folgten online.
Landwirt Gliemann macht Brisanz deutlich
Die Materie ist so zäh wie im Einzelfall oft umstritten – von der Auswahl der Messstellen über die gesetzlichen Bestimmungen bis zu den Handlungsempfehlungen für betroffene Landwirte. Die Brisanz machte gleich zum Auftakt des Gesprächs ein Praktiker deutlich: Uve Gliemann ist Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Mühlberg im südwestlichsten Zipfel Brandenburgs. Der Unternehmensverbund bewirtschaftet 5.800 ha, es gibt 1.000 Milchkühe, eine Sauenzuchtanlage mit 500 Sauen im geschlossenen System, eine Biogas- und zwei Photovoltaikanlagen. 110 Arbeitskräfte sind im Unternehmen angestellt. Vier weniger könnten es wegen der Ausweisung von 521 ha in der Nitratkulisse werden, rechnet Gliemann vor. Und das, obwohl es am bisherigen betrieblichen Wirtschaften kaum liegen kann, wie der Betriebsleiter erläutert.
Ackerbau in rotem gebiet: Beste Böden betroffen
Bis kurz vor Weihnachten 2020 hatte sich Gliemann mit dem Thema nicht beschäftigen müssen. Dann kam der Brief vom Landratsamt des Landkreises Elbe-Elster, in dem die Flächen ausgewiesen waren, die künftig nach den Regeln der Nitratkulisse bewirtschaftet werden müssen. Die Hälfte der 521 ha betrifft die besten Böden des Betriebes in der Elbaue. Bis zur Schließung der Zuckerfabrik Brottewitz wuchsen auf den 90er-Böden regelmäßig Zuckerrüben (Titel Bauernzeitung 47/2019). Die andere Hälfte betrifft leichtere Böden, unter anderem eine Enklave mit 30er-Bodenwertzahl (BWZ) – auf der Karte der rote Tupfer neben dem Streifen entlang der Elbe.
Seit 2018 arbeitet die Agrargenossenschaft Mühlberg mit der computergestützten Düngebedarfsermittlung (Düpro). Gliemann geht ins Detail: Auf den 90er-Böden folgten auf Zuckerrüben Sommergerste, Winterweizen, Winterweizen und Silomais. Nitratbilanz im Mittelwert der fünf Jahre: 21,8 kg/ha. Auf den mittleren Böden (Bodenwertzahl um 60) folgten auf Winterweizen Wintergerste, Zuckerrüben, Winterweizen und Winterweizen; Nitratbilanz 9,0 kg/ha.
Auf den leichten Böden (BWZ um 30) folgten Winterroggen auf Winterroggen, dann Erbsen, Wintergerste und Raps . Die Nitratbilanz hier: 10,6 kg/ha im fünfjährigen Mittel. „Seit etwa 15 Jahren bringen wir nur stabilisierten Dünger aus“, so Gliemann. „Wir ziehen schon immer betriebliche Nmin-Proben und bringen definitiv nur so viel Dünger aus, wie notwendig.“ Wie die anderen Bewirtschafter im roten Gebiet in der Elbaue agieren, weiß Gliemann freilich nicht. Insgesamt sind hier in der Nitratkulisse 1.042 ha ausgewiesen. Eine Hälfte bewirtschaftet die Agrargenossenschaft, die andere beackern kleinere Betriebe oder „Tieflader-Landwirte“, die den guten Boden hier nutzen, ohne in ihm verwurzelt zu sein.
Fragwürdige Messstellen
Gliemann recherchierte, dass von den neun Grundwassermessstellen in der Region zwei für die Ausweisung der roten Gebiete ausschlaggebend waren: eine am Rand von Mühlberg, die andere im Ortsteil Koßdorf. Hier gab es zur DDR-Zeit einen Kartoffellagerplatz, gegenüber private Landwirte mit privater Viehhaltung und privatem Stalldungmanagement. „Die Misthaufen waren bis vor paar Jahren noch zu sehen“, so Gliemann. Die Werte seien seit 2017 fallend, liegen aber noch über dem Grenzwert von 50 mg/l.
Warum ihm Mitte Februar noch nicht der Wert der Herbstmessung mitgeteilt werden kann, ist ihm schleierhaft. Ganz deutlich sieht er allerdings die Folgen für den Betriebsverbund: „Wir haben die gleichen Kosten bei der Bearbeitung, zusätzliche Kosten für Nmin-Proben, die nun schlagweise erfolgen müssen, und wir haben eine längere Sperrfrist. Um 20 % weniger Dünger auszubringen, wird nur der Düngerstreuer anders eingestellt, alles andere bleibt“, so Gliemann, der befürchtet, dass mit den jährlich um 20 % sinkenden Stickstoffgaben auch Erträge und Erlöse sinken.
Verluste könnten Jobs kosten
Gliemann rechnet vor: Auf etwa der Hälfte der 512 ha steht Winterweizen. Laut Düngebedarfsermittlung wären 175 kg/ha Stickstoff zu düngen. 20 % hieße 35 kg/ha weniger. Gliemann rechnet bei zwei Kilo weniger Stickstoff je Hektar mit einem Ertragsverlust von einer Dezitonne: Bei 35 kg weniger Stickstoff müsste er also auf rund 18 dt/ha verzichten. Bei 20 €/dt kommt Gliemann auf einen Verlust von 360 €/ha, für die 250 ha also auf 90.000 € Minus.
Auf den anderen 250 ha stehen Wintergerste und Winterroggen. Statt der kalkulierten 130 kg/ha kann er hier nur 105 kg/ha Stickstoff düngen. Bei einem Preis von 15 €/dt Getreide und einem Verlust von 17 dt/ha rechnet Gliemann mit 255 €/ha weniger – insgesamt also mit einem Verlust von rund 64.000 €. Zieht man vom Gesamtverlust die 15.000 € ab, die beim Dünger gespart werden, sind immer noch 139.000 € weniger in der Kasse. Davon könnten drei bis vier Mitarbeiter bezahlt werden, so Uve Gliemann. Und multipliziert man seinen Unmut mit dem der anderen 283 Betroffenen in Brandenburg, ahnt man, wie groß der Frust über die Auswirkungen der neuen Verordnung sein muss.
SERVICE
Wer an den Präsentationen der anderen Referenten der Fachtagung interessiert ist, kann sie beim LBV bekommen. Einfach eine kurze E-Mail an die Bildungsreferentin des LBV Meike Mieke schicken: mieke@lbv-brandenburg.de
Im Einzelnen ging es um:
„Umsetzung der Düngeverordnung (DüV 2020) § 13a in Brandenburg/Ausweisung der Nitratkulisse (Referentin Petra Bodenstein vom Landwirtschaftsministerium, Referat 36, Bodenschutz und Düngung), „Handlungsspielräume bei der N-Düngung in mit Nitrat belasteten Gebieten“ (Referentin Dorothea Kahl vom Landesamt für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung, Referat 42, Bodenschutz, Düngung), „Immissionsbasierte Ausweisung nach §6 AVV GeA“ (Referentin Anja Stang vom Landesamt für Umwelt, Referat W15, Altlasten, Bodenschutz, Grundwassergüte).
Wer Fragen oder Hinweise zu den Nitratmesswerten auf seinen Flächen hat, kann sich per E-Mail an das LfU wenden: grundwasse@lfu.brandenburg.de