Eigelege des Kartoffelkäfers auf der Blattunterseite. © Stefan Kühne

Kartoffelkäfer bekämpfen: Kahlfraß verhindern

Biologische Pflanzenschutzmittel töten Kartoffelkäfer-Larven selektiv und schonen Nützlinge. Herausfordernd sind die Kosten und die Toxizität für Bienen. Mechanische Geräte und resistente Sorten könnten helfen. Der Zeitpunkt zur Bekämpfung ist dabei auch entscheidend.

Von Prof. Dr. Stefan Kühne, Julius-Kühn-Institut, Kleinmachnow

Bundesweit häufen sich in den letzten Jahren die Meldungen über das verstärkte Auftreten der Kartoffelkäfer. Dabei summieren sich die Faktoren, die eine Massenvermehrung unterstützen. Auf der einen Seite profitiert der Käfer allgemein von der Klimaerwärmung. Milde Winter führen örtlich zu einem ungenügenden Abfrieren nicht geernteter Kartoffeln, die dann als Durchwuchskartoffeln im Getreide einen geschützten Lebens- und Vermehrungsraum für die Käfer im Folgejahr bieten. In heißen Sommern erscheint die neue Käfergeneration frühzeitig und kann das Kartoffellaub weiter schädigen.

Bleibt eine Bekämpfung des Käfers aus oder ist sie aufgrund geringer Wirksamkeit der angewendeten Pflanzenschutzmittel unzureichend, vergrößert sich die Ausgangspopulation im darauffolgenden Jahr. So beginnt ein Kreislauf, der sich in der Geschichte schon einmal ereignet hat und der Nachkriegsgeneration noch lebhaft in Erinnerung ist. Im Kriegsjahr 1944 kam es in Deutschland durch den Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen und die ausbleibenden Bekämpfungsmaßnahmen zu einer schnellen Ausbreitung des Kartoffelkäfers.

Kartoffelkäfer und ihre natürlichen Feinde

Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Kartoffelkäfer, früher auch Coloradokäfer genannt, tritt seit 1936 in Deutschland auf. In den vergangenen Jahrzehnten haben in Deutschland keine natürlichen Gegenspieler wirklich Geschmack an dem Käfer gefunden, der sich durch das giftige Solanin, das Alkaloid, das er aus der Kartoffel aufnimmt, wirksam gegen Feinde zur Wehr setzt.

Von Vögeln (Fasan, Rebhuhn) wird er gelegentlich gefressen. Hühner fressen in der Regel nur einmal Kartoffelkäfer und verschmähen dieses Futter zukünftig. Zwar findet man im Feld immer wieder die Larven der Florfliegen (Chrysopa spp.), welche die Eier und Larven der Kartoffelkäfer aussaugen, aber auch hier liegt die Vermutung nahe, dass immer nur bei Mangel an Blattläusen auf diese alternative Nahrungsquelle zurückgegriffen wird. Auch zukünftig ist nicht zu erwarten, dass über natürliche Gegenspieler und deren Förderung eine effektive Kontrolle der Käfer erfolgen könnte.

Larve der Florfliege saugt Eier des Kartoffelkäfers im Feld aus
Larve der Florfliege saugen Eier des Kartoffelkäfers im Feld aus. © Stefan Kühne
Larve der Florfliege saugt Larven des Kartoffelkäfers aus
Larve der Florfliege saugt Larven des Kartoffelkäfers im Feld aus (keine Laboraufnahme). © Stefan Kühne im Feld aus (keine Laboraufnahme). © Stefan Kühne

Kartoffelkäfer bekämpfen: Vorbeugende Maßnahmen

Zu den vorbeugenden Maßnahmen, die konsequent anzuwenden sind, gehören neben der Fruchtfolge und der Einhaltung der Anbaupausen eine Entfernung der Kartoffelfelder zu den Vorjahresflächen von mindestens 500 Meter. Die Einwanderung über das Flugvermögen der Käfer kann damit, je nach Temperaturverlauf, um bis zu 14 Tage verzögert werden.

Durchwuchskartoffeln müssen vermieden werden, um eine ungestörte Entwicklung der Käfer zu verhindern. Dabei handelt es sich um Kartoffeln, die nicht geerntet wurden und in einem milden Winter auf der nun mit Getreide bestellten Fläche überleben und nicht abfrieren. Sie können im Folgejahr im Getreide wachsen und als Überhälter für Kartoffelkäfer und die Krautfäule dienen. Das Vorkeimen, aber auch die Nutzung früher Sorten schafft einen Entwicklungsvorsprung der Pflanzen, der auch bei Folgeschäden durch Krautfäule von Nutzen ist.

Während sich die Resistenz des Kartoffelkäfers gegenüber chemisch-synthetischen Pyrethroiden schon weit ausgebreitet hat und deren Anwendung im konventionellen Landbau nur noch regional, nach positiven Erfahrungen weiterhin sinnvoll ist, stehen die bisher wirksamen Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide (Acetamiprid), Cyantraniliprol, aber auch Spinosad zunehmend in der öffentlichen Kritik.

Hier sind es die Auswirkungen auf die Biodiversität allgemein und die Bienengiftigkeit im Besonderen, die als problematisch angesehen werden. Deshalb gewinnen auch für den konventionellen Kartoffelbau alternative Maßnahmen zunehmend an Bedeutung.

Biologische Pflanzenschutzmittel: Was wirkt gegen Kartoffelkäfer?

Im ökologischen Landbau können Kartoffelkäfer wirksam mit biologischen Pflanzenschutzmitteln reguliert werden. Sehr gute Wirkungsgrade erzielt man durch die zeitlich versetzte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff des tropischen Neembaumes (NeemAzal-T/S) und des Bakterienpräparates Bacillus thuringiensis tenebrionis (B.t.t.; Novodor FC, Abstand vier bis sechs Tage). Mit dieser Kombination können Wirkungsgrade von über 80 % erzielt werden. Auch die einmalige Anwendung von Spinosad (SpinTor) wird bisher als sehr erfolgreiche Bekämpfungsstrategie empfohlen (Abb. 1).

Abbildung 1: Wirkungsgrad biologischer Pflanzenschutzmittel gegen den
Kartoffelkäfer

Abbildung 1
Quelle: Feldversuche von 2004–2022 in Dahnsdorf (JKI, Brandenburg)

Hier ist jedoch zu beachten, dass Spinosad durch die deutschen Ökoanbauverbände aufgrund seiner Bienengefährlichkeit (B1) verboten ist. Deshalb darf es nur in Betrieben, die nach EU-Ökorichtlinien wirtschaften, angewendet werden.

Mit dem Widerruf der EU-Wirkstoffzulassung von B.t.t. auf Antrag des Zulassungsinhabers am 30. April 2019 erfolgt die Anwendung von Novodor FC seitdem nur noch über eine immer wieder jährlich neu auszusprechende Notfallzulassung.

Naturpyrethrum, das als Wirkstoff gegen Kartoffelkäfer ebenfalls zur Verfügung steht, hat denselben Wirkmechanismus wie die synthetischen Pyrethroide und hat gegen resistente Käferpopulationen nur eine ungenügende Wirkung.

Kartoffelkäfer bekämpfen: Den optimalen Spritztermin bestimmen

Für eine erfolgreiche Bekämpfung des Kartoffelkäfers und seiner Larvenstadien mit Pflanzenschutzmitteln ist der Spritzzeitpunkt von großer Bedeutung. Nur die Junglarven im L1- und L2-Stadium können effektiv bekämpft werden. Zur Bestimmung des optimalen Bekämpfungszeitraumes, der im Juni allgemein innerhalb einer Woche durchlaufen wird, eignet sich das kostenlos im Internet bereitgestellte SIMLEP-3-Prognosemodell, dass unter isip.de zu finden ist. Als Eingabeparameter dienen der Erstfund von Eigelegen im Feld und die Auswahl der nächstgelegenen Wetterstation.

Aufgrund der geringeren Lichtstabilität biologischer Pflanzenschutzmittel liegt der optimale Anwendungstermin in den Abendstunden. In der Regel reduziert sich dann auch die Windgeschwindigkeit und die Gefahr der Abdrift. Da die Käfer aus Richtung der Vorjahresschläge in die Kartoffelfelder einfliegen und die zugewandte Feldseite stärker besiedeln, lohnt sich auch zu prüfen, ob nur eine Teilflächenbehandlung vorzunehmen ist, um Kosten zu sparen.

Als Methode zur Bestimmung der Eigelege und Kartoffelkäferlarven auf dem Feld eignet sich die Linienbonitur. An fünf Punkten einer Linie vom Feldrand Richtung Feldmitte, im Abstand von jeweils 20 Schritten, werden jeweils fünf Kartoffelpflanzen hintereinander bonitiert. Der erste Boniturpunkt liegt 20 Schritte vom Feldrand entfernt (Abb. 2).

Abbildung 2: Linienbonitur zur Schaderregerüberwachung

Abbildung 2
Quelle: (Kühne, JKI)

Die Kartoffelblätter werden dabei angehoben und vorsichtig gedreht, sodass man auf der Blattunterseite die orangefarbenen Eigelege erkennen kann. Findet man schon frisch geschlüpfte Junglarven (L1), sollte man für das Prognosemodell den Termin für das Erstauftreten der Eigelege um sechs Tage vordatieren.

Bildergalerie: Kartoffelkäfer-Stadien

Larven des Kartoffelkäfers
Erstes Larvenstadium des Kartoffelkäfers. © Stefan Kühne
Zweites Larvenstadium des Kartoffelkäfers
Bis zum Ende des zweiten Larvenstadiums ist die Regulierung der Kartoffelkäfer mit Pflanzenschutzmitteln optimal. © Stefan Kühne
Drittes Larvenstadium des Kartoffelkäfers
Drittes Larvenstadium des Kartoffelkäfers. © Stefan Kühne
Kartoffelkäfer Larve
Viertes Larvenstadium der Kartoffelkäfer. Das Halsschild ist überwiegend dunkel gefärbt und weist noch keine helle Binde auf. © Stefan Kühne

Kartoffelkäfer bekämpfen: Neue Methoden sind in der Erprobung

Mechanische Absammelgeräte: Absammelgeräte, die als zwei- oder vierreihiges Anbaugerät am Traktor hängen, sind seit Kurzem auf dem Markt (Beetle Collector). Mithilfe von Paddeln, die auf je zwei hintereinander laufenden Wellen angebracht sind, werden die Kartoffelkäfer vom Laub abgeschlagen und in einem Sammelbehälter aufgefangen. Das Prinzip ist wirkungsvoll und eine
Alternative zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Am Ende muss die Biomasse entsorgt werden (www.gallinger-maschinenbau.de).

Transfermulch aus Grünschnitt kann die Besiedlung durch Kartoffelkäfer reduzieren: Feldversuche am Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz der Universität Kassel haben gezeigt, dass die Anwendung von Transfermulch aus Grünschnitt (Wick-Triticale) in Kartoffeln auch die Besiedlung mit Kartoffelkäfer verringert. Die Ergebnisse müssen allerdings noch weiter abgesichert werden.

In Kombination mit ungemulchten Randstreifen erhöht sich möglicherweise der Erfolg einer selektiven Randbehandlung mit Pflanzenschutzmitteln und kann zur Reduktion der ausgebrachten Mittel beitragen (Attract and Kill-Strategie).

Kartoffelkäfer bekämpfen: Züchtung neuer Sorten mit Abwehrstoffen

An den Julius-Kühn-Instituten in Berlin-Dahlem, Groß Lüsewitz und Quedlinburg werden basierend auf Experimenten mit Wildkartoffeln neue Kartoffelkreuzungen erprobt, die im Kartoffellaub Abwehrstoffe gegen den Kartoffelkäfer produzieren und somit die Pflanzen natürlich schützen.

In einer Wildart, die gegen diverse Kartoffelkrankheiten und Schadinsekten hoch resistent ist, konnten die Forscher einen bislang unbekannten Inhaltsstoff identifizieren, der sich in Experimenten als hochwirksam gegen Schadinsekten zeigte. Dieser Inhaltsstoff und auch weitere identifizierte Resistenzen können durch Kreuzung und Züchtung in adaptierte Kartoffellinien überführt werden.

Ebenfalls könnte der gefundene Abwehrstoff in abgewandelter Form und Formulierung zukünftig auch als biologisches Pflanzenschutzmittel auf die Pflanzen gesprüht werden. Ergänzend dazu sucht die TU Dresden Blätter mit biomechanischen Eigenschaften, die in Kombination mit den Abwehrstoffen zu Linien mit mehreren Resistenzen führen, die für längere Zeit nicht überwunden werden können.

Kartoffelkäfer bekämpfen – Ein Fazit

Die Anwendung biologischer Pflanzenschutzmittel und alternativer Regulierungsstrategien wird bei der Bekämpfung des Kartoffelkäfers immer wichtiger. Die Wirksamkeit biologischer Pflanzenschutzmittel ist ausreichend, um den Schädling unter der ökonomischen Schadensschwelle zu halten.

Der Neemwirkstoff (Azadirachtin) sowie das Bakterium B.t.t. schonen die Nützlinge und andere Insekten bei vergleichsweise hohen Mittelkosten für Neem. SpinTor (Spinosad) ist kostengünstig, besitzt eine hohe Wirksamkeit, ist aber als Bienengefährlich (B1) eingestuft.

Mechanische Absammelgeräte können die Anwendung von Pflanzenschutzmittel ersetzen und Attract and Kill-Strategien zur Reduzierung beitragen. Neue Kartoffelzüchtungen mit Abwehrstoffen gegen den Kartoffelkäfer sind in Zukunft eine weitere Option.

Beitrag aus dem Ratgeber Ökolandbau in der Ausgabe 24/2024

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