Leindotter: Mischanbau muss ins Betriebskonzept passen
Auf dem Landwirtschaftsbetrieb Schulze im brandenburgischen Dolgelin wird seit drei Jahren Leindotter angebaut. Im Laufe der Saisons ist einiges an Erfahrung mit der Kruzifere zusammengekommen. Erik Pilgermann, unser Redakteur für Pflanzenbau, traf Carsten und Stefan Schulze zum Interview.
Die Fragen stellte Erik Pilgermann
Bauernzeitung: Carsten und Stefan, seit wann seid Ihr in der Landwirtschaft aktiv?
Stefan: Eigentlich schon immer, von Kindesbeinen an.
Carsten: Unsere Familie ist 1991 nach Dolgelin gekommen, und unsere Eltern haben im gleichen Jahr den Betrieb gegründet.
Habt Ihr beide die gleiche Ausbildung absolviert oder seid Ihr unterschiedliche Wege gegangen?
Carsten: Ich hab nach der Schule eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert und war dann auf der zweijährigen Fachschule in Celle. Seitdem bin ich auf unserem Betrieb.
Stefan: Wir sind nach der Realschule zu unseren Großeltern nach Niedersachsen gegangen, um dort unser Fachabi und die Ausbildung zu machen. Zu der Zeit war es mit der beruflichen Bildung in unserer Gegend nicht so doll. Es wurde uns während des Schulpraktikums empfohlen, dafür woanders hinzugehen.
Stefan, hast Du auch Landwirt gelernt?
Stefan: Nein, ich hab Kraftfahrzeugmechatroniker bei Mercedes gelernt. Ich bin aber auch seit gut zehn Jahren auf unserem Familienbetrieb.
Perspektivisch werdet Ihr also den Betrieb Eurer Eltern gemeinsam weiterführen?
Stefan: Wir sind bei der Planung der Hofübergabe dabei. Man glaubt gar nicht, auf was man dabei alles achten muss. Vor allem, weil wir eine Biogasanlage im Betrieb haben. Das braucht einiges an Zeit. Aber wir haben gute Berater an Bord.
Habt ihr unter Euch Brüdern die Arbeit auf dem Betrieb aufgeteilt?
Carsten: Nein, jeder muss eigentlich alles können.
Stefan: Wobei mein Bruder schon mehr mit der Spritze und der Drille unterwegs ist.
Carsten: Und wenn irgendwas auf dem Hof kaputt geht, ist das schon eher was für Stefan.
Stefan: Stimmt. Und die Biogasanlagenwartung ist auch eher mein Bereich.
Anbau von Waldstaudenroggen seit über zwanzig Jahren
Wir haben heute auch Euren Waldstaudenroggen angeschaut. Seit wann baut Ihr den an?
Carsten: Wir haben vor zwanzig Jahren damit angefangen. Damals bekamen wir einen Bigbag mit ziemlich dreckigem Roggen und haben entschieden, den auf drei Hektar auszudrillen, dann alles, was an Unkraut aufläuft, rauszuspritzen und ihn zu dreschen. Das ging eine Zeit lang gut, schlief dann aber irgendwie ein, sodass wir, statt zu dreschen, den Waldstaudenroggen zu GPS gemacht haben. Dafür taugt er aber wegen seines hohen Ligningehaltes nicht.
Wofür wird Euer Waldstaudenroggen verwendet?
Carsten: Wir haben hauptsächlich Saatgut vermehrt, das Bestandteil von Wildackermischungen ist. Inzwischen ist er aber auch in Frankreich und Südeuropa in den Greeningmischungen enthalten.
Stefan: Es gibt auch ein paar Mühlen, die ihn verarbeiten. Wir haben hin und wieder mal eine Partie nach Österreich geliefert.
Was ist aber nun das Besondere an dem Getreide?
Stefan: Er wird auch als Johannisroggen bezeichnet. Das bedeutet, ich kann ihn am Johannistag im Juni aussäen und im Herbst schon den ersten Futterschnitt machen. Im Jahr darauf kann ich ihn dann dreschen.
Carsten: So ergibt sich die zweijährige Nutzung.
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Wie wird er im Agrarantrag eingeordnet?
Stefan: Zuerst lief er unter Sonderkulturen. Jetzt steht im Agrarantrag Roggen/Waldroggen.
Carsten: Die zweijährige Nutzung spielt dabei keine Rolle, da als Hauptnutzung das Korn definiert wird. Wir versuchen aber, unseren Antrag so einfach wie möglich zu halten und nur das an Greening anzumelden, was nötig ist. So behalten wir maximal freie Hand bei der Bestandesführung bishin zur Ernte und müssen uns nicht um die Erfüllung von allen möglichen Verordnungen kümmern.
Ihr seid also keine Prämienlandwirte, richtig?
Carsten: Für uns ist die Produktion entscheidend.
Stefan: Bei unseren Standortbedingungen und unseren Kulturen bringen Prämien nichts. Wir wollen die Kultur richtig anbauen und vernünftig ernten. Viele der Einschränkungen von Prämienprogrammen halten uns aber genau davon ab. Wir wollen nicht prämienoptimiert wirtschaften, sondern vernünftige Landwirtschaft betreiben.
Seit drei Jahren Leindotteranbau
Jetzt zum Leindotter. Seit wann baut Ihr den an?
Carsten: 2022 ist unser drittes Anbaujahr.
Was ist aus Eurer Sicht das Besondere an Leindotter als Kultur? Kann man ihn mit anderen Kulturen vergleichen oder muss man sich völlig neu auf ihn einstellen?
Carsten: Er ist eine relativ einfache Frühjahrskultur. Um eine Frühjahrstrockenheit zu überstehen, sollte er schon eine gewisse Größe erreicht haben. Er kann auch ein paar Minusgrade in der Nacht ganz gut ab, weshalb manche ihn schon im März aussäen. Wir drillen ihn aber eher Richtung April.
Video: Praxis-Check Leindotter auf dem Landwirtschaftsbetrieb Schulze
Wenn man die Hauptanbauformen Mischfrucht und Reinsaat anschaut, welche wäre aus Eurer bisherigen Erfahrung die attraktivste Variante?
Carsten: Bei uns wäre der Einfachheit halber der Anbau in Reinsaat das Beste. Beim Mischfruchtanbau muss man immer bedenken, dass man die Mischungspartner vernünftig trennen und vermarkten oder selbst verwenden können muss.
Bildergalerie: Leindotteranbau
Also sollte man am besten über eine hofeigene Reinigung verfügen?
Stefan: Grobes Reinigen kommt immer mehr in Gebrauch, da wir häufig schwankende Witterung zu Ernte haben. Man kann so Besatz und unreife Körner aus dem Erntegut entfernen und vermarktungsfähige Partien zusammenstellen.
Carsten: Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass man für eine Reinigung Personal benötigt, das in der Lage ist, sie zu bedienen. Außerdem brauche ich Zeit und Lagermöglichkeiten. Eine Reinigung muss insgesamt in den Betrieb passen. Für eine einzelne Kultur lohnt sich der Schritt nicht. Genauso muss Mischanbau ins Betriebskonzept passen.
Wie schätzt Ihr die Leindottersaison 2022 im Vergleich zu Euren anderen Anbaujahren ein?
Stefan: Den Umständen entsprechend läuft die Saison ganz gut.
Carsten: Wenn man die drei Jahre betrachtet, lief das erste Jahr richtig gut. Da haben wir im Grunde nur gedrillt, etwas Dünger gestreut und am Ende fast zwei Tonnen pro Hektar Leindotter geerntet. Im zweiten Jahr haben wir es wegen eines Spritzfehlers mit Herbizid verbockt, denn Leindotter ist wirklich empfindlich. In diesem Jahr nun hat das Wetter uns sozusagen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber wir waren erstaunt, wie viele Pflanzen wiedergekommen sind und wie robust Leindotter gegen widrige Witterung doch ist.
Nächster Versuch Kichererbsen?
Ihr habt mit Waldstaudenroggen und Leindotter zwei „Spezialkulturen“ im Anbau. Ist es damit genug oder guckt Ihr Euch schon nach der nächsten Nische um?
Carsten: Wir gucken tatsächlich sehr genau auf die Entwicklungen und haben auch schon über Kichererbsen nachgedacht. Mit unseren knapp 400 Hektar brauchen wir uns nicht am Raps- oder Weizenanbau versuchen.
Stefan: Das passt für uns nicht. Da müsste eine andere Größenordnung Fläche her, damit sich die Zahlen drehen. Wir müssen in der Nische bleiben, wenn das Preissegment stimmen soll. Aber egal wie, das Wichtigste ist, sich von Anfang an um die Vermarktung zu kümmern.
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