Applikationskarten: Sollwerte bei Aussaat und Düngung hinterfragen
Zahlreiche Dienstleister bieten Applikationskarten zur Aussaat und Düngung an. Bekommt man von allen Anbietern die gleichen Karten, oder gibt es Unterschiede?
Von Prof. Dr. Bernhard Bauer, Prof. Dr. Peter Breunig, Dorothea Brüggenwirth, Martin Hick, Steffen Kümmerer, Tobias Meyer, Prof. Dr. Patrick Noack, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Für den Vergleich wurden Mais-Aussaatkarten von sechs Anbietern auf neun verschiedenen Schlägen (zwischen 4,3 und 25,8 ha) miteinander verglichen. Dabei wurden zufällig zehn Punkte je Hektar ausgewählt, bei denen die Saatstärke an dieser Stelle zwischen den Herstellern verglichen wurde. Die Hypothese: Auf allen Schlägen stimmen die Applikationskarten mehr oder weniger überein.
Schon bei der durchschnittlichen absoluten Aussaatmenge gab es eine anbieterindividuelle Diskrepanz im Bereich zwischen 78.000 und 90.500 Kö/ha. Die Erstellung der Karten ist bei allen Anbietern nahezu gleich: Zuerst müssen die Feldgrenzen festgelegt werden. Das erfolgt bei fünf der sechs Hersteller über den Datenimport einer Shape-Datei, ein Hersteller bietet eine automatische Feldgrenzenerkennung in seinem Portal an.
Im zweiten Schritt werden die Satellitendaten ausgewählt, welche in die Berechnung des Ertragspotenzials mit einfließen. Hierbei gibt es erste Unterschiede, da manche Anbieter die Möglichkeit bieten, die verwendeten Satellitenbilder einzuschränken. Andere Anbieter geben die verwendeten Daten durch ihren Algorithmus fest vor. Bei zwei Herstellern werden auch die Hauptfrüchte der drei Vorjahre mit abgefragt. Im letzten Schritt erfolgt die Zonierung, die alle Hersteller automatisch einteilen. Lediglich eine Software erlaubt es die automatische Zonierung anschließend betriebsindividuell zu verändern. Ein Anbieter arbeitet lediglich mit drei verschiedenen Zonen, der Rest unterteilt die Schläge in fünf Zonen.
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Aussaatstärke: Standard-Sollwert ist Pflicht
Bei der Vorgabe der Aussaatstärke muss immer mindestens der Standard-Sollwert vorgegeben werden, in unserem Fall waren es 90.000 Kö/ha. Für die Zonen mit höherem oder geringerem Ertragspotenzial müssen die Abweichungen vom Sollwert durch den Anwender entweder prozentual vom Sollwert oder mit einem separaten Wert für diese Zone festgelegt werden. Lediglich ein Hersteller teilt die Sollwerte den einzelnen Zonen komplett selbstständig zu – auf Basis seines Algorithmus und anhand der Potenzialkarte.
Die Unterschiede zwischen den Sollwertkarten lassen sich einerseits durch Berechnungen des Herstellers und andererseits durch die Eingaben des Nutzers erklären. Bezüglich der Spanne zwischen der größten und der kleinsten Aussaatmenge sind die Unterschiede zwischen den Schlägen gering (14.000 bis 20.000 Kö/ha). Auffällig ist, dass zwei Hersteller im Vergleich zu den drei anderen eine deutlich geringere Spanne generieren (8.000 bzw. 14.000 Kö/ha im Vergleich zu 20.000 Kö/ha).
Sollwerte verschiedener Anbieter vergleichen
Um die Ähnlichkeit der Karten zu bewerten, wurden die Sollwerte an zufällig verteilten Probepunkten paarweise (je zwei Anbieter) miteinander verglichen. Das Ergebnis war der Korrelationskoeffizient r pro Anbietervergleich und Schlag. Dieser kann Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Ein Wert größer 0 bedeutet, dass beide Karten tendenziell an denselben Stellen jeweils höhere und an denselben Stellen jeweils geringere Aussaatdichten vorschlagen. Je näher der Wert an 1 heranreicht, desto häufiger ist diese Übereinstimmung gegeben.
Bei negativem Korrelationskoeffizienten verhält es sich umgekehrt: die Aussaatkarte eines Anbieters empfiehlt dort höhere Aussaatdichten, wo der andere geringe Aussaatdichten ausweist – und umgekehrt. Je näher sich der Wert -1 annähert, desto häufiger sind die Empfehlungen gegenläufig. Ein Korrelationskoeffizient um 0 deutet darauf hin, dass die beiden Sollwertkarten zufällig verteilt einmal übereinstimmen und einmal voneinander abweichen.
Applikationskarten: Bewertung mit Hilfe von Scores
Für die Bewertung wurden zwei Maßzahlen (Scores) entwickelt: der Score 1 bewertet sowohl hohe positive als auch hohe negative Korrelationen als positiv und führt dann zu einem hohen Ergebnis, wenn die Aussaatkarten die gleichen Zonen ausweisen, auch wenn diese gegenläufig sind.
Score 2 bewertet positive Zusammenhänge positiv und negative Zusammenhänge negativ. Er ist im Fall, der in Tabelle 1 dargestellt wird, deshalb immer niedriger als Score 1, weil negative Zusammenhänge zu Punktabzug führen.
Tabelle 1 stellt die Häufigkeit der Korrelationen auch mit den entsprechenden Mittel-/ Durchschnittswerten und Scores zwischen den Sollwerten für die einzelnen Schläge unter den verschiedenen Herstellern dar. Hier ist ersichtlich, dass die Sollwerte bei manchen Schlägen ähnlicher sind als bei anderen.
Beispielhaft hierfür sind die Schläge 4 und 9 zu nennen, welche mit über 70 % einen hohen Score 1 aufweisen. Für Schlag 2 und Schlag 8 stellt sich das Ergebnis hingegen so dar, dass keine Zusammenhänge zwischen den Sollwerten zu bestehen scheinen: die positiven und negativen Korrelationen gleichen sich fast aus, sodass der Score 2 jeweils in einem Bereich von circa 10 % liegt.
Wahrscheinlich Zonen vertauscht
Doch warum gibt es eine so große Streubreite zwischen positiver und negativer Korrelation? Die Hinweise sind in Tabelle 2 zu finden. Sie stellt die Korrelationen unter den Anbietern dar, einmal mit dem Mittelwert der Korrelation und einmal mit der maximalen Abweichung nach oben oder unten. Anbieter 3 weist durchschnittlich deutlich negativere Korrelationen auf und der maximale Korrelationskoeffizient ist mit 0,22 deutlich niedriger als bei den anderen Anbietern.
Dies lässt vermuten, dass entweder die Zonen von Hoch- und Niedrigertrag vertauscht wurden, oder alle anderen Hersteller eine andere Strategie zur Erzeugung der Ausbringkarte nutzten. Letzteres lässt sich durch die Betrachtung eines paarweisen Vergleichs der Korrelationskoeffizienten stützen: Dabei wurden immer zwei Anbieter über die gesamten Flächen übereinandergelegt und deren Korrelation bestimmt. Bei jedem Vergleich, in dem Anbieter 3 enthalten ist, resultierte ein negativer Zusammenhang zwischen den beiden Karten.
Unterstützt wird diese Annahme außerdem durch die Betrachtung der Häufigkeiten der Korrelationen mit und ohne Anbieter 3. Beim Vergleich der Korrelationen ohne Anbieter 3, ist auf vier der neun Schläge eine überdurchschnittliche Ähnlichkeit im Vergleich zum Durchschnitt über alle Felder der Karten festzustellen. Bei zwei Schlägen liegt sie im Bereich des Mittelwertes und auf einem Drittel der Flächen gibt es nur eine unterdurchschnittliche Übereinstimmung. Die schlagbezogene Spreizung lässt vermuten, dass es bei den verschiedenen Feldern weitere Einflüsse gab, die bei der Kartenerzeugung durch die Hersteller unterschiedlich bewertet wurden.
Es greifen zwar alle Anbieter mutmaßlich auf dieselben Satellitenkarten zu, jedoch hat jeder Anbieter eigene Berechnungs- und Verschneidungsmodelle. Wenn man die Streuung der einzelnen Probepunkte schlagweise betrachtet, ist deutlich erkennbar, dass die Einigkeit zunimmt, wenn Anbieter 3 nicht berücksichtigt wird. Bei anderen Schlägen bleibt die Uneinigkeit auch ohne Anbieter 3 räumlich stabil. Es zeigt sich, dass sich die Uneinigkeit an bestimmten Zonen festmachen lässt. In anderen Zonen sind die Übereinstimmungen über weite Bereiche stabil eng.
Sollwerte der Applikationskarten richtig nutzen
Die Übereinstimmung der Sollwerte verschiedener Applikationskarten für die Maisaussaat ist erkennbar, aber nicht flächendeckend gegeben. Auf einzelnen Schlägen und in einzelnen Zonen sind die Zusammenhänge eng, in anderen Zonen treten deutliche Unterschiede auf. Bei einem einzelnen Anbieter wird das Vertauschen der Zonen (Niedrig-/Hochertrag) vermutet. Satellitendaten und andere Datenquellen wie Bodenkarten, Sensorkarten und Nährstoffkartierungen stellen eine hervorragende Möglichkeit dar, um Unterschiede in der Ertragsfähigkeit von Böden auszuweisen und darauf zu reagieren.
Aufgrund dieses Vergleichs sind Satellitendaten allein anscheinend nur beschränkt in der Lage, ein korrektes Abbild des Ertragspotenzials zu liefern. Zusatzinformationen über den Boden tragen ebenso wie das Wissen des Betriebsleiters dazu bei, die Ertragsfähigkeit korrekt zu beurteilen.
Zeitlicher Aufwand ist nicht zu unterschätzen
Das optimale Ergebnis kann wahrscheinlich nur dann erreicht werden, wenn nicht nur Informationen von Satellitenbildern bei der Erstellung von Applikationskarten zur Aussaat berücksichtigt werden. Das erfordert in der Regel den persönlichen Einsatz des Betriebsleiters und die selbstständige Suche nach Daten und deren Verarbeitung. Die Daten und die dafür benötigte Software sind meist kostenlos, aber der zeitliche Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
Damit sich der Aufwand lohnt, sind vorab folgende Fragen zu klären: Welche Ziele möchte ich mit der Einführung dieser Technik erreichen? Welche Pflanzenbaustrategien verfolgt man als Betriebsleiter? Wo möchte ich Applikationskarten einsetzen? Welchen Zeitaufwand gestehe ich der Digitalisierung und Applikationsplanung zu? Wie viel eigene Entscheidungsgewalt möchte ich abgeben? Am Ende bleibt es dann jedem selbst überlassen, ob er in die teilflächenspezifische Bewirtschaftung einsteigt, die Karten selbst erstellt oder diese Aufgabe an einen Dienstleister abgibt.
Ein Ergebnis liefern die Karten aller Hersteller, aber ob sie zur eigenen Philosophie und Zielsetzung passen, muss jeder Betriebsleiter individuell entscheiden.
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