Rekordschaden in der Landwirtschaft

Unwetter-Schäden im Osten: Hagel und andere Wetterextreme 2023

2023 gab es schweres Unwetter mit Hagel. © Sabine Rübensaat
Ackerbau
Artikel teilen

Außergewöhnliche Wetterextreme haben 2023 Unwetter-Schäden in der Landwirtschaft in bislang Rekordhöhe verursacht. Der Osten Deutschlands war besonders betroffen. Welche Auswirkungen hat das auf die Versicherung?

Von Detlef Finger

Wetter-Extreme wie Hagel, Sturm und Starkregen, aber auch Frost und Dürre haben im vorigen Jahr in der Landwirtschaft einen Rekord-Schaden angerichtet. Die Vereinigte Hagelversicherung (VH) bilanzierte auf ihren Bezirksversammlungen zum Jahresende Schadenzahlungen in noch nie gesehenem Ausmaß.

In Deutschland – mit 4,9 Millionen Hektar versicherter Fläche der wichtigste Markt – wurden fast 123 Millionen Euro Entschädigungsleistungen an betroffene Betriebe ausgereicht. Das entspricht einer Schadenquote von fast 81 %.

In Europa, wo 6,2 Mio. Hektar unter Vertrag sind, leistete die Vereinigte Hagel mit insgesamt 313 Millionen Euro sogar die höchste Schaden-Auszahlung ihrer Geschichte, bei einer Schadenquote von 100 %. Hier halten sich von den Versicherungsnehmern eingezahlte Vorbeiträge und Entschädigungen die Waage. Dass 2023 dennoch zu einem deutlichen Überschaden-Jahr wurde, liegt an den Schadenregulierungs- und eigenen Verwaltungskosten, die zusätzlich zu tragen sind.

Unwetter-schäden im Osten: Meist traf es Getreide

Bundesweit am stärksten betroffene Kulturartengruppen waren Getreide/Hülsenfrüchte (33,5 Millionen Euro Schaden, 78 % Schadenquote), Mais (29,2 Millionen Euro, 124 %), Ölfrüchte/Gras (22,7 Millionen Euro, 74 %) sowie Wein (12,1 Millionen Euro, 70 %). Spitzenreiter bei den Zahlungen war die für Bayern zuständige Bezirksdirektion (BD) Nürnberg mit fast 39 Mio. Euro (112 % Schadenquote).

Für die ganz oder in Teilen für die ostdeutschen Länder zuständigen Direktionen stehen folgende Gesamtsummen bzw. -quoten zu Buche: BD Berlin (Brandenburg, Sachsen, südliches Sachsen-Anhalt, Altenburger Land) rund 7,4 Millionen Euro (52 %), BD Gießen (Thüringen) knapp 13 Millionen Euro (121 %), BD Hannover (nördliches Sachsen-Anhalt) 10,6 Millionen Euro (69 %) und BD Rendsburg (Mecklenburg-Vorpommern) knapp 6 Millionen Euro (89 %).

Aktuelle Ausgabe
Bauernzeitung Ausgabe 51/2024

Unsere Top-Themen

• Weihnachten im Schafstall
Sortenversuche Sommerbraugerste
• Landmaschinen mit KI
• Märkte und Preise

Zur aktuellen Ausgabe

Unwetterschäden im Osten: Brandenburg vorn

Die BD Berlin weist für Brandenburg für 2023 396.965 Hektar versicherte bzw. 17.855 Hektar geschädigte Fläche (in 130 Betrieben) aus. Mit einer Schadensumme von rund 4,75 Millionen Euro bildet das Land den Schwerpunkt innerhalb der BD. Für Sachsen wurden 398.808 Hektar versicherte und 6.954 Hektar geschädigte Fläche (bei 107 Vertragspartnern) gemeldet. Der Gesamtschaden beläuft sich im Freistaat auf 1,57 Millionen Euro. Aus Sachsen-Anhalt gehört der Bezirksverein Halle zur BD Berlin. Hier waren 177.255 Hektar versichert, 6.475 Hektar in 49 Betrieben wurden geschädigt. Die Entschädigungszahlungen belaufen sich auf insgesamt 0,96 Millionen Euro.

2023-Mais-Berlin
Ein gespenstisches Bild gibt dieser Schlag mit Mais im Gebiet der Bezirksdirektion Berlin in der zweiten Julihälfte nach einem schweren Unwetter mit Hagel ab. © Vereinigte Hagel

Im Vorjahr gab es nach Auskunft von Bezirksdirektor Dr. Daniel Hillert in diesen Regionen vier besonders auffällige Schadentage: Am 27.Juni wurden etwa 200 Feldstücke durch Hagel unterschiedlicher Intensität getroffen, regional weit gestreut über das östliche Sachsen-Anhalt und das westliche Brandenburg.

Hagel schädigte am 24. Juli rund 550 Feldstücke im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg. Dies war zugleich der schwerste Schadentag innerhalb der BD mit ca. 4,7 Millionen Euro Schadensumme. Am 14. August wüteten intensive Unwetter mit Hagel, Sturm und Starkregen im sachsen-anhaltischen Saalekreis, wo 140 Feldstücke, vor allem mit Mais, betroffen waren. Tags darauf traf ein starkes Unwetter wiederum 140 Feldstücke vor allem mit Mais im Erzgebirgs- und im Vogtlandkreis (Sachsen).

Daneben gab es in der BD Berlin, die bis in die zweite Julihälfte von ausgeprägter Trockenheit gekennzeichnet war, auf leichten Standorten Dürreschäden in Getreide, Raps und Mais.

Sachsen-Anhalt: Börde stark betroffen

Aus den Bezirksvereinen Börde und Altmark in Sachsen-Anhalt, für die die BD Hannover zuständig ist, wurden Schäden auf rund 18.500 Hektar gemeldet, es waren 75 Unternehmen betroffen. Die Schadensumme liegt bei insgesamt rund 3,8 Millionen Euro, was einer Schadenquote von ca. 65 % entspricht. Ein besonders betroffenes Gebiet war Bezirksdirektor Peter H. Schemmel zufolge die Börde südlich der Autobahn A2, an Kulturen traf es vor allem Getreide, Mais und Winterraps. Als besonderer Schadentag wurde hier der 22.Juni ausgewiesen.

Thüringen: Schäden um Erfurt

Nach Angaben der BD Gießen waren in Thüringen, einschließlich des von der BD Berlin betreuten Landkreises Altenburg, bei der Vereinigten Hagel 390.422 Hektar Fläche versichert. 14.029 Hektar in 87 Betrieben wurden geschädigt. Die Schadensumme im Freistaat beträgt insgesamt 2,47 Millionen Euro. Wie Bezirksdirektor Jürgen Schuldig-Fritsch informierte, gab es in Thüringen 29 Schadentage; die Schäden waren über das gesamte Land verteilt. Mitte August wurden 6.000 Hektar rund um Erfurt direkt in der Ernte stark getroffen.

Schuldig-Fritsch zufolge wurden in Thüringen ab Juni 2023 erste Verträge über eine geförderte Mehrgefahren-Versicherung abgeschlossen. Der Freistaat bezuschusst die Prämien bis 50 %, förderfähige Kulturen sind Wein, Obst, Gemüse, Hopfen sowie Arznei- und Gewürz-Pflanzen.

Sachsen arbeitet an neuem Konzept zur Versicherung

Auch in Sachsen wird laut der BD Berlin unter Federführung des Landesbauernverbandes und der Vereinigten Hagel im Auftrag des Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft an einem Konzept zur Einführung einer geförderten Mehrgefahrenversicherung gearbeitet. Ziel sei es, die Entscheidungsgrundlagen für das Ministerium zu liefern – dies mit Vorbildcharakter für eine einheitliche, geförderte Mehrgefahrenversicherung in ganz Deutschland.

MEcklenburg-Vorpommern: Übers Land verteilt

In Mecklenburg-Vorpommern (MV) wurden laut der zuständigen BD Rendsburg insgesamt 23.013 Hektar Fläche von 163 versicherten Betrieben als geschädigt gemeldet. Die Schäden waren über das gesamte Landesgebiet verstreut. Nach Auskunft von Bezirksdirektor Derk Westphal zählte der 24. Juni im Nordosten zu den schwersten Schadentagen, an dem auch mehrere Totalverluste zu verzeichnen waren. Zwischen dem 1. bis 15. August gingen täglich Schadenmeldungen ein, da es landesweit immer wieder starke Regenschauer mit Hagel gab.

Vereinigte Hagel – Versicherer traf es selbst

Am 7. und 8. August kamen noch orkanartige Stürme dazu, durch die erntereife Raps- und Getreide-Bestände teilweise erhebliche Ernte-Ausfälle erlitten. Insgesamt wurden in Mecklenburg-Vorpommern Entschädigungsleistungen von 4,8 Millionen Euro an die Betriebe ausgezahlt, was einer Schadenquote von 101 % entspricht.

Am 24. Juli war die Vereinigte Hagel sogar selbst von einem UnwetterEreignis in Brandenburg betroffen: Dieses zerstörte teilweise Versuchsflächen in Müncheberg, die der Versicherer in Zusammenarbeit mit dem dortigen Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) angelegt hatte.

Anlass war der von der Vereinigten Hagel organisierte Kongress der Internationalen Vereinigung der Versicherer in der landwirtschaftlichen Produktion (AIAG), der vom 30. August bis 1. September 2023 in Berlin stattfand. Die rund 150 Teilnehmenden aus insgesamt 21 Ländern widmeten sich auf dem Expertenseminar dem Themenschwerpunkt Mais.

Darüber hinaus baute die Vereinigte Hagelversicherung im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Kachelmann GmbH ihren Agrarwetterservice meteosol und das Netz der Wetterstationen weiter aus. Mittlerweile betreibt das Unternehmen damit das größte privat getragene Messnetz mit wissenschaftlich validen Wetterdaten in der Bundesrepublik.

meteosol-Wetterstation
Prominente Gäste kamen zur Einweihung der 200. mitteldeutschen meteosol-Wetterstation in der Agrargenossenschaft Kahla im Saale-Holzland-Kreis mit VH-Vorstand Thomas Gehrke, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und dem Wetterexperten Jörg Kachelmann (v.l.). © Vereinigte Hagel

Wetterstation – Jörg Kachelmann vor Ort

Bundesweit sind es bereits über 1.000 meteosol-Stationen, davon ein Fünftel in Mitteldeutschland. Die 200. Station nahm Wetterexperte Jörg Kachelmann kurz vor dem Jahresende 2023 zusammen mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und VH-Vorstandsmitglied Thomas Gehrke auf dem Gelände der Agrargenossenschaft Kahla im Saale-Holzland-Kreis in Betrieb.

Deren Vorstandsvorsitzender Udo Große, der zudem die Agrargenossenschaft Reinstädt leitet, kann zusammen mit den Teams beider Betriebe nun auf die Mess-Ergebnisse von zwei Stationen zurückgreifen. Nach seinen Erfahrungen kann es auf der 3.000 Hektar großen Fläche des Agrarverbundes „selbst auf engstem Raum verschiedene Wetterverhältnisse geben“. Auf Grundlage guter Daten könne man zielgerichtet entscheiden, welche Arbeitsprozesse an einem Tag sinnvoll sind – beispielsweise, ob sich Aussaat und Ernte lohnen oder die Wind-Verhältnisse das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln zulassen.

Vereinigte Hagel: 2024 ist Jubiläumsjahr

Das Jahr 2024 wird für die Vereinigte Hagel ein ganz besonderes, denn das Unternehmen kann nunmehr auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken. 1824 wurde auf dem Rittergut Rüdigsdorf nahe Leipzig von Dr. Wilhelm Leberecht Crusius und weiteren Mitstreitern die „Hagelschädenversicherungsgesellschaft im Königreich Sachsen“ ins Leben gerufen, die später als Leipziger Hagelversicherung Bekanntheit erlangte. Im Jahr 1993 verschmolz diese mit der 1889 in Berlin gegründeten Norddeutschen Hagelversicherung zur Vereinigten Hagel, dem heutigen Marktführer unter den deutschen und europäischen Ernteversicherungen.

Auch interessant
Rinder auf einer Weide im Thüringer Wald
Nebel über dem Thüringer Wald. Die Verdunstungsleistung von Bäumen ist für das menschliche Auge normalerweise nicht sichtbar. Erst als Wolke wird der von den Blättern transpirierte Wasserdampf erkennbar. Auch die natürlichen Kondensations- und Eiskerne, an denen sich Tropfen für die Wolken- und Niederschlagsbildung entwickeln, entstehen in den Wäldern. © Sabine Rübensaat

Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!

Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:

  • Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
  • Zuverlässig donnerstags lesen
  • Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
  • Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
  • Zugriff auf das Ausgaben-Archiv

Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!

Bauernzeitung Upgrade 1 Jahr gratis