Wenn der Hagel zuschlägt: Schaden, Folgen und Versicherung
Sturm und schwerer Hagel kann eine Ernte vernichten. Eine Versicherung soll den finanziellen Verlust ausgleichen. Die Folgen und was zu beachten ist, erklärt Lilian Guzmán Pfeiffer von der Agrargenossenschaft Groß Machnow eG im Interview.
Das Gespräch führte Erik Pilgermann
Der Agrargenossenschaft Groß Machnow eG, südlich von Berlin entstanden durch Hagel erhebliche Schäden. Der Betrieb mit 3.000 Hektar Nutzfläche ist gegen Hagel versichert und die Prüfung der Schäden erfolgte schnell. Insbesondere Raps und Wintergerste erlitten erhebliche Verluste. Trotz Versicherung entstehen dem Betrieb zusätzliche Kosten und Aufwand um die Auswirkungen auszugleichen.
Frau Guzmán Pfeiffer, am 21. Juni wurde Ihr Betrieb südlich von Berlin von einem Unwetter heimgesucht. Was genau ist passiert?
Das angekündigte Unwetter zog genau hier bei uns durch Rangsdorf durch wie in einer Schneise Richtung Klein Kienitz und ein Stück weiter nördlich Richtung Königs Wusterhausen ab. Gegen 18 Uhr hatten wir in der Region einen unheimlichen Starkregen, gemischt mit heftigem Hagel. Anwohner berichteten von Hagelkörnern so groß wie Golfbälle. Ich bin gegen 20 Uhr losgefahren und habe mir unsere Flächen angesehen, um zu sehen, ob wir auch geschädigt wurden. Dabei habe ich immer noch Hagelkörner mit einem Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern gefunden.
Hagel-Versicherung für den Schadensfall
So kurz vor der Ernte kann man so etwas wohl am wenigsten brauchen. Aber Sie haben Ihre Flächen ja versichert. Wogegen sind sie versichert und ist das Standard in Ihrem Betrieb?
Wir sind ein relativ großer Betrieb mit ungefähr 3.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und sichern uns standardmäßig gegen Hagel ab. Alle unsere Druschfrüchte, Mais und die Ölfrüchte werden in jedem Fall versichert.
Bereits am 25. Juni waren die Schadensschätzer der Versicherung vor Ort. Geht das immer so schnell?
Es wurden in der Region unheimlich viele Hagelschäden gemeldet. Da unser Raps und die Wintergerste betroffen waren, wurde unser Anliegen sozusagen auf eine Dringlichkeitsstufe gesetzt. Die Kulturen standen ja kurz vor der Ernte. Deshalb musste es mit der Schätzung schnell gehen. Zusammen mit den Schadensschätzern haben wir eine Begehung gemacht, bei der gleich eine Vorschätzung erstellt wurde.
Nachdem wir die wichtigsten Flächen abgefahren sind, haben wir uns die Einzelflächen im Detail angeschaut und dabei Messungen vorgenommen. Dabei wurden unterschiedliche Messverfahren angewandt. Es wird gezählt, wie viel Körner ausgefallen oder Ähren abgeknickt sind. Geplatzte Rapsschoten werden gezählt und Ausfall eingeschätzt. Aus den Stichproben mehrerer Teilflächen wird dann das Gesamtbild des Schlages ermittelt. Natürlich muss man sich vor Ort auch darüber verständigen, ob man als Betrieb mit dem Ergebnis einverstanden ist. In unserem Fall verlief das Treffen aber sehr positiv.
Raps: Teilflächen mit Totalschaden
Wie lautete deren erste Einschätzung zum Hagelschaden?
Mit unserem Mais sind wir noch nicht fertig geworden. Den müssen wir uns in der kommenden Woche noch einmal anschauen. Und auch beim Raps und der Gerste haben wir hier und da diskutiert, aber insgesamt kamen wir zu einem guten Ergebnis, bei dem sowohl wir als auch die Versicherung mitgehen können.
Welche Kulturen hat der Hagel getroffen und lässt sich der Schaden schon genauer beziffern?
Wir haben uns zunächst auf die Flächen mit dem Hauptschaden konzentriert. Die Flächen mit einem kleineren Schaden von zehn bis 20 Prozent haben wir noch gar nicht angesehen. Bei der Gerste hatten wir einen Verlust von zwölf Hektar. Eine Fläche hatte über 90 Prozent Schaden erlitten, andere um die 40 Prozent.
Dann haben wir eine große Rapsfläche von 81 Hektar mit 75 Prozent Schaden über den Gesamtschlag, Teilflächen mit Totalschaden und andere Bereiche mit einem Rest an Schoten, den wir noch ernten können. Weiterer Raps von insgesamt 45 Hektar hat einen Schaden in Höhe von 93 Prozent genommen. Das tut richtig weh.
Eine Maisfläche von 41 ha sieht für mich nach einem Totalausfall aus. Wir haben sie zwar nochmal zurückgehalten, da die Gutachter eine Restchance zum Wiederaustrieb sahen. Wir werden uns die Fläche deshalb nächste Woche noch einmal ansehen, aber aus meiner Sichtwerden diese Maispflanzen keine gescheiten Kolben mehr ausbilden.
Da ist Hopfen und Malz verloren. Insgesamt sind wir als Betrieb aber breit aufgestellt, und es hat deshalb nicht nur eine Kultur erwischt. Die breite Fruchtfolge hat dazu beigetragen, den Schaden auf mehrere Kulturen zu verteilen. Schlimm wäre, wenn man durch den Totalausfall einer Kultur wie Raps zum Beispiel Vorkontrakte nicht erfüllen könnte. Das ist uns Gott sei Dank erspart geblieben. Kleinere Betriebe können so ein Schadereignis sehr viel schlechter oder gar nicht abpuffern.
Hagel hat direkte Konsequenzen für Betriebsablauf
Wie wirkt sich der Schaden innerbetrieblich aus?
Dadurch, dass wir neben Mutterkühen und Sauen auch eine Biogasanlage im Betrieb haben, tut uns der Verlust von 41 Hektar Mais besonders weh. Das ist eben nicht nur ein finanzieller Verlust sondern wir brauchen ja die Biomasse für den Betrieb der Biogasanlage. Mit dem finanziellen Ausgleich der Versicherung können wir nicht den Biomasseverlust kompensieren.
Ausfall auf dem Acker ist das eine und wird im Idealfall auch von der Versicherung kompensiert. Aber haben Sie jetzt noch irgendeine Chance, den Verlust zum Beispiel beim Mais noch abzufangen?
Tatsächlich sehen wir hier keine Möglichkeiten mehr. Anfänglich hatten wir gedacht, wir könnten nach dem Umbruch noch Sudangras säen, aber das passt leider weder mit der Fruchtfolge noch mit der Pflanzenschutzbehandlung, die bereits im Mais erfolgt ist.
Das einzige wäre jetzt noch Mais, aber ehrlicherweise brauchen wir den jetzt auch nicht mehr legen, da die Zeit zur Reife in jedem Fall zu kurz wäre. Wir werden die Fläche also höchstwahrscheinlich umbrechen und eine Zwischenfrucht säen. Davon versprechen wir uns wenigstens noch einen kleinen Teil Biomasse als Gärsubstrat. Ersetzen wird das den Mais aber auf keinen Fall.
Wie sieht es es mit der Witterung aus. Hilft der feuchte Vorsommer, dass soviel wächst, dass Sie Mais eventuell zukaufen könnten?
Wir bauen Mais und Sudangras eigentlich immer mit einem gewissen Puffer an, denn wir wissen ja nie, ob uns ein trockenes Jahr erwartet. Wir kalkulieren unsere Anbauflächen immer mit der schlechtesten Grundannahme. Deshalb haben wir noch Spielraum. Die Biogasanalage wird nicht gleich verhungern, aber unser Puffer ist definitiv aufgebraucht.
Wenn der Sommer aber doch sehr trocken wird und der Mais sich nicht so weiter entwickelt wie bis jetzt, müssen wir eventuell doch in das nächste Frühjahr ausweichen und mehr Grünschnittroggen ernten. Das wird dann aber wieder zulasten der Druschfläche gehen.
Wetterdaten bei Sturm nur begrenzt nützlich
Auch wenn man Unwetter und Hagel dieser Art nicht verhindern kann, so kann man es heutzutage kommen sehen. Wie sieht hier Ihre Strategie aus? Haben Sie eine eigene Wetterstation auf Ihrem Betrieb? Oder nutzen Sie Vorhersagen vom Deutschen Wetterdienst oder Herrn Kachelmann?
Wir verfügen über eine betriebseigene Wetterstation und nutzen mehrere Wetter-Apps gleichzeitig, um die Prognosen zu präzisieren. Nichtsdestotrotz kann man das Wetter am Ende nicht beeinflussen. Wir spüren den Wandel weniger an der Jahresniederschlagsmenge als an der Tatsache, dass es vermehrt zu regional begrenzten Spitzenereignissen wie dem Unwetter vom 21. Juni kommt.
Letztendlich können wir nur zugucken, was vom Himmel fällt. Durch unsere breite Fruchtfolge und die räumliche Ausdehnung unserer Flächen über einen Radius von etwa 20 Kilometern können wir das aber recht gut abfangen, wenn eine Gewitterzelle zuschlägt.
Verlust: 200 Hektar betroffen – bis zu 200.000 Euro Schaden
Die letzte Frage drückt noch einmal auf das Schlimme. Können Sie den Schaden, den Ihr Betrieb durch den Hagel erlitten hat, schon ungefähr in Euro ausdrücken?
Das ist auf jeden Fall ein Schaden, der über 100.000 Euro geht. Ich schätze, wir kommen irgendwo zwischen 100.000 und 200.000 Euro raus. Insgesamt sind knapp 200 Hektar unserer Fläche betroffen, davon etwas über 100 Hektar extrem stark.
Auf jeden Fall haben wir direkt, nachdem der Gutachter da war, angefangen, die betroffenen Flächen der Gerste zu dreschen, um einerseits die paar verbliebenen Körner zu ernten. Andererseits werden wir mit dem vielen Ausfallgetreide und -raps auch mehr Aufwand betreiben müssen, um die Flächen für die nächste Aussaat vorzubereiten. Das sind auch alles Kosten, auf denen wir als Betrieb sitzenbleiben.
Trotzdem bin ich sehr froh, dass wir unsere Kulturen gegen Hagel versichert haben und würde auch immer dazu raten, diese Versicherung abzuschließen. Es kostet natürlich Geld. Das letzte Mal hatten wir auf unseren Flächen vor zwölf Jahren ein Hagelereignis und haben in der Zwischenzeit die Versicherungsgesellschaft „subventioniert“. Aber in Momenten wie am 21. Juni bin ich froh, dass wir diesen Schutz haben und weiß, dass sich dieser Schutz gelohnt hat.
Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews, welches in Ausgabe 27 auf den Seiten 27 – 29 erschienen ist.
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