Ackerbaustrategie

Realismus statt Utopie

© Sabine Rübensaat
Agrarpraxis
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Die Landwirtschaft ist ständigen Veränderungen ausgesetzt. Wie diese in den kommenden 15 Jahren aussehen könnte, diskutiert die Ackerbaustrategie 2035 des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Wir haben uns vier der zwölf Handlungsfelder näher angesehen.

Von David Benzin

Die Vision des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) klingt idealistisch. Doch kommen wir zurück ins Hier und Jetzt und fragen: Ist sie auch erreichbar? Das Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie gibt Anhaltspunkte, wie die beschriebenen Ziele verwirklicht werden könnten, und wo Interessenkonflikte entstehen. Dabei haben wir uns die Bereiche Boden, Fruchtfolge, Düngung und Pflanzenschutz genauer angesehen.

Handlungsfeld Boden

Als Produktionsgrundlage der Landwirtschaft ist der Boden besonders schützenswert. Die Ackerbaustrategie beschreibt die Probleme hierbei vor allem mit der Knappheit des Bodens und der Gefährdung durch Erosion. Ausgelöst werde letztere laut dem Diskussionspapier vor allem durch die groß strukturierten landwirtschaftlichen Flächen, den oftmals fehlenden Erosionsschutz und durch Extremwetter. Auch Bodenverdichtungen stellen ein Risiko dar. Deshalb hat man als Ziele des Bodenschutzes eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit und -biodiversität, den Schutz vor Bodenerosion und Bodenschadverdichtung, den Erhalt eines stabilen Humusgehaltes und einen reduzierten außerlandwirtschaftlichen Flächenverbrauch gesetzt.

Das „Fledermausprinzip“: Der Boden wird dabei gescannt und je nach reflektiertem Signal ändert sich der Luftdruck vollautomatisch, um Verdichtungen zu vermeiden. © Ralf Stephan

Die benannten Ziele sollen durch neuartige Produktionsverfahren des integrierten Pflanzenschutzes (Bodenbearbeitung, erweiterte Fruchtfolgen, effizientere Düngung, weniger chemischer und mehr mechanischer und biologischer Pflanzenschutz) erreicht werden. Die Aussaat sollte noch mehr in Mulch- und Direktsaat erfolgen, auch vor dem Hintergrund des Glyphosatwegfalls ab 2023. Zudem ist zur Zielerreichung eine ganzjährige Bodenbearbeitung durch Zwischenfrüchte, Untersaaten oder den Anbau mehrjähriger Kulturen für das Bundesministe-rium unerlässlich. Bodenschadverdichtungen sollen durch anpassbare Fahrzeugparameter wie einen verstellbaren Reifenluftdruck verhindert werden. Und auch auf Agrarstrukturebene gibt es Handlungsbedarf. Flurbereinigungsverfahren sollen stärker an Erosionsminderung ausgerichtet werden.

Doch die reduzierte Bodenbearbeitung bringt neben ihren Vorteilen wie der Erhöhung des Humusgehaltes im Oberboden und eine bessere Inflitrationskapazität auch Nachteile mit sich. Ein wichtiger ist der Pflanzenschutz, denn solche Produktionsverfahren setzen oft den Einsatz von Breitbandherbiziden (z. B. Glyphosat) voraus. Hier müssen andere Wege gefunden werden, um Unkräuter effektiv zu bekämpfen.

Handlungsfeld Fruchtfolge

Auf fast sieben von zehn Hektar Ackerfläche stehen die Kulturen Winterweizen, Silomais, Winterraps und Wintergerste. Diese eher einseitige Entwicklung von Fruchtfolgen hat sich innerhalb der vergangenen Jahrzehnte herausgebildet. Gründe für diese Entwicklung sind vor allem der Züchtungsfortschritt und ökonomische Gegebenheiten. Auf den Plätzen fünf bis elf stehen Roggen, Körnermais, Zuckerrüben, Triticale, Sommergerste, Kartoffeln und Hülsenfrüchte bzw. Eiweißpflanzen.

Zu enge Anbauspektren führen vor allem im Pflanzenschutz zu Problemen. So haben es bestimmte Unkräuter oder Schädlinge leichter, sich anzupassen und verfügbare Mittel sind in ihrer Wirkung eingeschränkt, denn es gibt Resistenzen. Der Ackerfuchsschwanz als eines der bedeutendsten Problemungräser sei hier nur als ein Beispiel genannt.

Die Lösung liegt hier auf der Hand, könnte man meinen: einfach mehr Kulturarten anbauen. Doch so einfach ist es natürlich nicht, und auch im Papier zur Ackerbaustrategie 2035 wurde dies erkannt. Vor allem die fehlenden Absatzmöglichkeiten und unattraktive Vermarktungspreise sowie hohe Investitionskosten in Produktionstechnik für bestimmte Alternativkulturen erschweren das Verbreitern der Fruchtfolgen. Auch die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und Sorten mit guten Anbaueigenschaften wirken hier entgegen.

Die Fruchtfolgen sollten idealerweise aus einem guten Mix von Blatt- und Halmfrüchten bestehen. Dadurch können ausreichende Anbaupausen eingehalten und der Druck aus dem Pflanzenschutz genommen werden. Erklärtes Ziel des BMEL ist es, „das Kulturpflanzenspektrum bis 2030 auf mindestens fünf verschiedene Kulturpflanzen je Ackerbaubetrieb zu erhöhen“, wie es in dem Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie heißt. Als Beispiele seien hier Triticale, Dinkel, Emmer, Soja, Erbsen oder Bohnen genannt. Zudem sollen Zwischenfrüchte, Untersaaten und der
Mischanbau in Fruchtfolgen integriert werden.

Beim Anbau nachwachsender Rohstoffe ist gefordert, neben den bekannten Energiepflanzen auch auf Alternativen wie die Durchwachsene Silphie anstatt Mais zu setzen. Schrittweise können auch mehrjährige Kulturen angebaut werden, deren Besonderheit ein geringer Ressourceneinsatz ist (sogenannte Low-Input-Pflanzen).

Um breitere Fruchtfolgen zu realisieren, muss auf Anbauversuche sowie Modell- und Demons-trationsvorhaben zurückgegriffen werden. Die Kulturen müssen sich in der Praxis bewähren und mit Entscheidungshilfen zur Bestandsführung den Betrieben nähergebracht werden. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sind Absatzmärkte für neue und wenig genutzte Kulturen unabdingbar, denn ohne eine attraktive Vermarktungsmöglichkeit besteht keine Zukunft für Alternativkulturen. Ein gutes Beispiel ist hierbei der Sojaanbau. Das Leuchtturmprojekt „Modellhaftes Demonstrationsnetzwerk zur Ausweitung und Verbesserung des Anbaus und der Verwertung von Sojabohnen in Deutschland“, das von 2013 bis 2018 gefördert wurde, hat zu einer mehr als verdreifachten Sojaanbaufläche im Projektzeitraum geführt. Das Netzwerk bestand aus 120 konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben.

Handlungsfeld Düngung

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellt die BMEL-Ackerbaustrategie 2035 vor. © imago images/Janine Schmitz/photothek

Eine bedarfsgerechte und präzise Nährstoffversorgung ist eine wichtige Voraussetzung im Pflanzenbau. Ein ausgewogenes Verhältnis der Haupt- und Spurennährstoffe zueinander ist mit dem Einsatz von Mineraldüngern vergleichsweise einfach zu erreichen. Bei Wirtschaftsdüngern hingegen ist eine bedarfsgerechte Applikation weitaus schwieriger.

Probleme beim Thema Düngung gibt es vor allem durch die Datenerhebung der Grundwassermessstellen in Deutschland. 28 % der Messeinrichtungen der Länder melden höhere Nitratgehalte im Grundwasser, als es der Grenzwert von 50 mg Nitrat/l zulässt. Das BMEL benennt in seinem Diskussionspapier vor allem die regionale Konzentration von Tierhaltung und Biogasanlagen als Grund an. Flüssige Wirtschaftsdünger haben oft zu geringe Nährstoffanteile, als dass ihr Transport auf weiter entfernte Äcker wirtschaftlich wäre.

Bis 2030 müssten die Ammoniakemissionen um 200.000 t sinken, um sie gegenüber dem Basisjahr 2005 um 29 % wie nach der NEC-Richtlinie gefordert, zu senken. Da 95 % der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft stammen, besteht hier also besonderer Handlungsbedarf. Ein Zielkonflikt besteht darin, dass eine bedarfsgerechte Versorgung der Kulturpflanzen entgegen der Reduktion von Nährstoffausträgen in die Umwelt steht. Deshalb sind die beschriebenen Ziele unter anderem eine deutlich verbesserte Nährstoffeffizienz. Außerdem müssen Nährstoffüberschüsse reduziert werden. Bei mineralischem Stickstoff sind durch Sensortechnik und Applikationskarten bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung getan worden. Im Feld der organischen Düngung besteht allerdings noch viel Handlungsbedarf. Hier könnte die Ermittlung der Nährstoffgehalte durch beispielsweise die Nahinfrarotspektroskopie helfen. Zusätzlich müsse Appliaktionstechnik emissionsärmer werden.

Im Bundesprogramm Nährstoffmanagement werden als Maßnahmen der Bau von Güllebehältern für eine Lagerkapazität von zehn Monaten, deren Abdecken und die bodennahe Aufbringung von Gülle genannt. Auch das Separieren, Ansäuern und teilflächenspezifische Ausbringen von Gülle gehören dazu.

Handlungsfeld Pflanzenschutz

Im Pflanzenschutz bestehen die Probleme vor allem in unerwünschten Umweltwirkungen bestimmter Wirkstoffe einiger chemischer Pflanzenschutzmittel und deren Rückständen im Erntegut.

Vor allem durch die Zulassungssituation im Pflanzenschutz ist ein weiterer Rückgang der verfügbaren Mittel für das BMEL vorhersehbar. Die Bekämpfung von pilzlichen Erkrankungen ist hierbei besonders gefährdet. Ein weiterer bedenklicher Faktor ist die Resistenzbildung, wie schon im Bereich der Herbizide angesprochen. Ein Konflikt besteht in der Ertrags- und Qualitätssicherung der Ernte und dem verbesserten Klima- und Bodenschutz durch reduzierte Bodenbearbeitung.



Deshalb hat das BMEL als Ziele im Bereich Pflanzenschutz auch eine deutliche Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 und den Ausstieg aus der Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel bis 2023 formuliert. Der Pflanzenschutz solle daher künftig als Gesamtsystem aus Sortenwahl, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Düngung und direkten Pflanzenschutzmaßnahmen gesehen werden. Entscheidungshilfen für die Praxis seien dabei notwenig, genauso wie eine erfolgreiche Resistenzzüchtungsforschung, um die Resistenzen brechen zu können.

Dafür sollten biologische Pflanzenschutzverfahren intensiver gefördert werden. Dazu zählen die Ansiedlung von Nützlingen, sowie thermische und mechanische Unkrautbekämpfung. Die Nutzung von Prognose- und Schadschwellenmodellen zählt ebenso dazu wie der Einsatz robusterer Kulturpflanzen. Nur so könne ein Systemwechsel im Pflanzenschutzbereich erfolgen, schreibt das BMEL.