Fleisch-Ersatz: Das Potenzial der Hülsenfrüchte
Lebensmittel-Produktion aus Pflanzen: Auf dem Pflanzenprotein-Symposium „Local Heroes!“ ging es um die Chancen und Möglichkeiten beim Anbau von Leguminosen als Ersatz für Fleisch.
Von Catrin Hahn
Die zweite Ausgabe des Pflanzenprotein-Symposiums „Local Heroes!“ wurde in Berlin und online von über 180 Enthusiasten besucht, die um den Wert und das Potenzial der Eiweißpflanzen wissen. Der stellvertretende Ufop-Vorsitzende Dietmar Brauer zeigte sich in seinen Begrüßungsworten erfreut vom großen Interesse: „Wir alle hier wissen, wie wichtig diese Pflanzen für den Ackerbau und in der Lebensmittelkette sind. Wir sehen, wie das Angebot an Plantbased Food (Anm. d. Red: pflanzenbasierten Lebensmitteln) ständig wächst. Allerdings stammen die Rohstoffe für diese Lebensmittel noch viel zu selten vom deutschen Acker. Der Leguminosenanbau für Lebensmittelnutzung liegt erst bei 2,5 Prozent. Das muss sich ändern!“
Fleisch-Ersatz: Hülsenfrüchte sind ein Gewinn in der Ernährung
Zudem ging Brauer auf die unsichere Situation der Finanzierung von Fördertöpfen ein. Zwar hätte die Politik in Deutschland und der EU offenbar die Bedeutung von Körnerleguminosen erkannt. Dennoch sei von der Bundesregierung der Etat der Eiweißpflanzenstrategie für 2024 schon wieder gekürzt worden. Und welche weiteren Kürzungen nun angesichts des schwindelerregenden Haushaltsloches drohten, sei nicht annähernd abzusehen.
Zu diesem Thema konnte auch die nächste Rednerin nichts sagen: Eva Bell vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die laufenden Beratungen erlaubten es nicht, hier konkrete Aussagen zu machen. Dennoch betonte sie, dass die Bundesregierung um die Rolle der Leguminosen wisse: „Hülsenfrüchte in der Ernährung sind ein vielfacher Gewinn in Ernährung und Landwirtschaft. Jeder Burger aus Leguminosen reduziert den Treibhauseffekt. Zudem machen es mehr Pflanzen auf dem Speiseplan einfacher, sich gut und ausgewogen zu ernähren.“
Fleisch-Ersatz in den Kantinen
Nach dem Willen der Bundesregierung sei ein Ansatz, um diese Strategie zu fördern, die Gemeinschaftsverpflegung, essen doch täglich bis zu 16 Millionen Menschen täglich in Kantinen, Mensen oder ähnlichen Einrichtungen. Der Land- und Ernährungswirtschaft bieten sich nach Bells Worten große Chancen durch den vermehrten Anbau von Körnerleguminosen: „Schon heute nutzt der Ökolandbau sie sehr intensiv zur N-Versorgung und tierischen Ernährung. Ab 2026 müssen im Ökolandbau alle Tiere zu 100 Prozent mit Futtermitteln aus Ökoerzeugung ernährt werden – das gilt natürlich auch für Proteinfuttermittel.“
Auch die konventionelle Landwirtschaft könne sehr viel Nutzen aus dem verstärkten Anbau ziehen. Ein weiterer Punkt: Lieferketten zu sichern und zu schützen, sei nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein erstrebenswertes Ziel. Das gelte sowohl für heimische Futter- als auch Lebensmittel.
In Deutschland geht die Nachfrage nach Fleisch zurück
Mit der Thematik: „Alternative Proteine in Deutschland – Marktentwicklung und politischer Handlungsbedarf“ beschäftigte sich Ivo Rzegotta vom Good Food Institute Europe. Das 2015 in den USA gegründete Good Food Institute beschäftigt weltweit über 190 Mitarbeiter in den Schwerpunkten Wissenschaft und Politikberatung. Klar sei, beginnt Rzegotta seinen Vortrag, dass mit den heutigen Ernährungssystemen keine zehn Milliarden Menschen zu ernähren seien. Dafür sind sie zu ineffizient: „Wir können es uns nicht leisten, acht Kilokalorie zu investieren, um eine Kilokalorie Hühnerfleisch zu erzeugen.“ Gleichzeitig steige aber die globale Fleischnachfrage. In Europa ginge sie zwar leicht zurück (in Deutschland aktuell 52 Kilogramm/Jahr), aber ob der Trend dauerhaft ist, vermöge er nicht zu sagen. „Wenn man ehrlich ist, sind die wesentlichen Punkte Geschmack und Preis. Wir brauchen demzufolge Produkte, die bezahlbar sind und nahe an dem, was die Menschen kennen und gewohnt sind.“ In Sachen Proteinalternativen, die für viele Regionen eher neu seien, gäbe es hier drei Säulen, erklärte der Referent: Plant-based-Produkte, fermentierte Produkte und kultiviertes Fleisch.
Saubere Produktion und wenig Konservierungsstoffe
Bei Plant-based-Produkten sei bereits sehr viel passiert. Im Moment sehe er eine gewisse Stagnation: „Wir brauchen eine neue Generation, neue Produkte wie likeEi oder Steak. Und wir brauchen clean label, also kürzere Zutatenlisten, saubere Produktion und weniger Konservierungsstoffe.“
Deutschland sei der mit Abstand größte Plant-based-Markt in Europa. Die absoluten Zahlen seien dennoch nicht besonders hoch: Jeder Deutsche hat im vergangenen Jahr 23 Euro für Plant-based-Produkte ausgegeben, vor allem für Fleisch- und Milchalternativen.
Fleisch-Ersatz aus Pilzkulturen
Eine junge Branche, wenn auch eine sehr alte Technologie, sei die Fermentation, fuhr Rzegotta fort. Hier seien extrem interessante Produkte zu erwarten, die im Moment allerdings noch in den Kinderschuhen steckten. Fleischersatz aus Pilzkulturen gehöre dazu oder auch Produkte, die mittels Präzisionsfermentation hergestellt würden.
Die Deutschen, das hätten Umfragen gezeigt, sind offen für Produkte dieser Art. Das gilt auch für kultiviertes Fleisch, von dem 82 Prozent der Jüngeren sagen, dass sie es kaufen würden. Und das, obwohl hier einige Jahre lang durch eher abschreckende Wortwahl wie „Laborfleisch“ nicht eben Vertrauen aufgebaut worden sei. Der weltweit erste Snack, ein seit 2020 in Singapur zugelassener Chicken Nugget, sei dort derzeit für etwa 14 Dollar in Restaurants zu haben und sehr beliebt.
So steht Deutschland im Wettbewerb da
Wichtig war Rzegotta noch, zu betonen, dass es künftig keine getrennt nebeneinander existierenden Ernährungsweisen geben werde: „Hybriden Produkten gehört die Zukunft.“ Deutschland stünde im Wettbewerb nicht schlecht da, es habe starke Start-ups in dem Bereich. Die eigentliche Stärke Deutschlands läge aber, wie schon zuvor in anderen Bereichen, in der Maschinenherstellung. Auch die etablierte Lebensmittelindustrie investiere in diesem Segment. Allerdings beobachte er, dass sich der Wagniskapital-Bereich in Europa nicht so gut entwickele wie in anderen Regionen.
An die Politik richtete Rzegotta den Aufruf, Innovation voranzubringen: „Egal wo, wir sind mit Verzicht nie weitergekommen. Immer nur mit anderen technischen Lösungen. Alternative Proteine sind für uns der Weg in die klimafreundliche Ernährung, also sollte die Politik sie fördern.“
In Israel und den USA wird mehr geforscht
Im Vergleich zu erneuerbaren Energien oder anderen Klimaschutzinvestitionen sei hier aber in Deutschland deutlich zu wenig passiert. Anders sei das in anderen Ländern, etwa in Israel, wo alternative Proteine das zweitwichtigste Forschungsfeld seien oder in den USA, wo die Forschung per Präsidentenerlass unterstützt wird. Dänemark habe seit Kurzem die weltweit erste Plant-based-Strategie. In Deutschland sei dagegen kaum eine Strategie zu erkennen. „Warum machen wir das nicht unter dem Dach der Eiweißpflanzenstrategie?“ Eine gemeinsame Anstrengung müsse dann auch die Zulassung beinhalten: Wegen der zu langen Zulassungsprozesse in Europa kommerzialisieren heute viele Start-ups anderswo.“
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Im Verlauf des Symposiums stellten Unternehmen ihre Produkte vor. Den Anfang machte Sören Rossmann von der Rügenwalder Mühle. „Auch wir waren mal ein Start-up“, so beschrieb er das 190 Jahre alte Unternehmen. „Seit 2014 stellen wir Fleischalternativen her, seit 2020 übersteigt unser Umsatz mit veganen Produkten den der tierischen Erzeugnisse.“ Make something people want – das sei das Motto ihrer Forschungs- und Entwicklungsbemühungen, erklärte er: „Wir wollen Geschmackserlebnisse ohne Fleisch bieten. Viele neue Produkte haben wir in diesem Jahr auf den Markt gebracht, darunter Weiß- und Bratwürste oder Pulled Pork. Daneben sei aber auch die Nachhaltigkeit ein Ziel, weswegen seit Anfang 2022 erste Produkte mit 100 Prozent deutschem Soja angeboten würden. Bis 2025 habe man sich vorgenommen, nur noch pflanzliche Proteine aus Europa zu verwenden. Soja sei dabei die Hauptproteinquelle, erklärte Rossmann. „Die Qualität der Sojaproteine ist hervorragend, Geschmack und Farbe sind super.
Soja: Nur 10 Prozent wird für die Nahrung der Menschen genutzt
Allerdings werden nur zehn Prozent des hierzulande angebauten Sojas für die Humanernährung genutzt. So haben wir 2020 ein Pilotprojekt gestartet, in dem wir Anbauverträge mit Landwirten geschlossen haben.“ 500 Hektar Vertragsanbau mit Landwirten aus Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern seien es in diesem „sehr guten Sojajahr“ gewesen. Die 2.500 Tonnen deckten 30 Prozent ihres Sojabedarfs. „Da geht noch mehr“, betont Rossmann und fordert Landwirte aus ganz Deutschland auf, sich bei Interesse an Vertragsanbau beim Unternehmen zu melden.
Auch die BayWa hat vor vier Jahren angefangen, in Start-ups zu investieren und sich dabei auf den Schwerpunkt Pflanzenproteine konzentriert. Jasmin Dold, BayWa AG, und Achim Budemann von der Greenforce Future Food AG stellten die Zusammenarbeit vor, bei der elf Landwirte 300 t Erbsen produzieren, aus denen Greenforce später 74,5 Tonnen Erbsenprotein über verschiedene Produktionswege – als Konzentrat oder Isolat – herstellt.
Neue Lebensmittel auf der Basis von Pflanzen
Die nächste Referentin, Laura Ignatzy vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, stellte eine Entwicklung vor, mit deren Hilfe die Entwicklung neuer Lebensmittel auf Basis pflanzlicher Proteine einfacher werden sollte. Sie ist Bestandteil des vom Bundesforschungsministerium geförderten Innovationsraumes NewFoodSystems, in dem mehr als 60 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft an Ansätzen für die Ernährung von morgen arbeiten. Das Unterprojekt „Nachhaltige Proteinzutaten“ sei, erklärte Ignatzy, nachhaltigen und alternativen Proteinquellen gewidmet.
Eines der drei Innovationsfelder sei die Entwicklung einer Proteindatenbank zur ganzheitlichen Charakterisierung von Proteinzutaten. Warum ist eine solche Datenbank überhaupt nötig? „Wir sehen ein attraktives Marktumfeld und ein gestiegenes Interesse bei Herstellern“, erklärte Ignatzy. „Diese Vielfalt bringt aber Herausforderungen mit sich, haben doch alle Rohstoffe unterschiedliche Eigenschaften und Wirkung. Deshalb stellt sich den Herstellern die Frage: Was ist denn nun „mein“ Protein?“
Alternativen aus Algen und Insekten
Zurzeit enthalte die Datenbank 87 Proteinpräparate unterschiedlichster Herkunft, darunter neben pflanzlichen Rohstoffen auch beispielsweise Algen oder Insekten. Sie alle wurden auf ihre Zusammensetzung, ernährungsphysiologische Eigenschaften, Nachhaltigkeitsfaktoren, sensorischen Attribute und weitere Kriterien untersucht. In der Datenbank, die nach Projektende im Frühjahr 2024 öffentlich zugänglich sein soll, könnten sich dann Lebensmittelhersteller nach den für sie wichtigen Kriterien auf die Suche nach dem richtigen Proteinrohstoff machen.
Die Rohstoffe, die in die Untersuchung aufgenommen würden, stammten von verschiedenen Anbietern, erklärt Ignatzy: „Wir kaufen Mehle, Isolate oder Konzentrate ein, die wir zunächst daraufhin untersuchen, ob sie sich über verschiedene Chargen hinweg ausreichend ähneln. Danach bestimmen verschiedene Projektteilnehmer Dutzende Inhaltsstoffe und weitere Kriterien. Wer sich schließlich entscheidet, eines der Proteinprodukte nutzen zu wollen, bekommt von uns Auskunft über dessen Herkunft.“
Fleisch-Ersatz: Wünsche der Verbraucher
Welche Ansprüche und Wünsche der Verbraucher nun an Produkte aus pflanzlichen Proteinen stellt, damit hat sich die Sensorikerin Hannah Schebesta von der Symrise AG beschäftigt. Das Unternehmen verkauft Duft- und Geschmacksstoffe für Lebensmittel, Kosmetik und weitere Produkte. Für die Entwicklung von Geschmacksstoffen, erklärt sie, sei es unerlässlich zu wissen, was genau der Verbraucher denn wünsche. „Welche Sensorik sollen Fleischalternativen denn mitbringen? Um das herauszufinden, haben wir eine Umfrage gemacht. Dabei kam zum einen heraus, dass 80 Prozent die einfache Verfügbarkeit der Produkte wichtig ist – sie also nicht zum Beispiel umständlich irgendwo bestellt werden müssen. In Sachen Geschmack ergab sich, dass zwei Drittel der Verbraucher von ihrem Fleischersatz erwarten, dass er auch wie Fleisch schmeckt. Ein Drittel hingegen ist eher neugierig auf alternative Geschmackserlebnisse und freut sich über mehr Gemüse- oder Gewürznoten.“
Sensorik mache Geschmack messbar, fährt die Referentin fort. Die Palette der Symrise-Geschmacksstoffe entspreche den verschiedenen Kundenansprüchen. An Hersteller richtet Schebesta daher die Aufforderung, in Sachen Sensorik nichts dem Zufall zu überlassen. Die Expertise von Symrise bei Beratung und Produktauswahl helfe bei der Suche nach der eigenen Marktnische. „Kenn deine Zielgruppe!“, mit diesem Aufruf beendete Hannah Schebesta ihren Vortrag.
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