Neue Existenz in Brandenburg

Getreide-Lagerung in der Prignitz: Warten auf den besten Preis

Futuristisch mutet die Gerüstkonstruktion der neuen Silos an, in denen das Getreide der Agrar GmbH Kletzke in der Gemeinde Plattenburg im Norden Brandenburgs gelagert wird. © Sabine Rübensaat
Betriebsführung
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Wie eine Landwirtsfamilie aus Schleswig-Holstein in Brandenburg Wurzeln schlug und eine neue Anlage zur Getreidelagerung errichtete, die sich scheinbar „nebenbei“ bewirtschaften lässt.

Von Wolfgang Herklotz

Vier imposante und in der Märzsonne leicht silbern glänzende Türme stemmen sich am Rande von Kletzke in den nordbrandenburgischen Himmel. Sie sind mehr als 30 Meter hoch und überragen damit die zur Gemeinde Plattenburg gehörende Ortschaft. Zwei Greifvögel schweben gelassen über die Getreidesilos, als ob die schon immer zur Prignitzer Landschaft dazugehörten. Doch vor wenigen Jahren noch war das hier „grüne Wiese“, berichtet Peter Hinselmann.

Wir stehen mit dem olivbraun gekleideten Mittdreißiger am Fuße der aus verzinktem Metall errichteten Türme, lassen uns in die Abläufe der Getreidelagerung einweihen. Dabei fällt so mancher Fachbegriff, der erstaunen lässt.

Was ist eine „Gosse“, wie funktioniert ein Trogkettenförderer, und was bitteschön soll man sich unter einem Kaffbunker vorstellen?

Getreide-Lagerung: Von Gosse bis Kaffbunker

Der gebürtige Schleswig-Holsteiner nimmt sich die (knappe) Zeit und erklärt, dass es sich bei der „Gosse“ um einen mit Gitter versehenen Einlass für das frisch vom Feld angelieferte Getreide handelt. Dieses rutscht in einen tiefgelegenen Betonschacht, eine Art „Keller“. Der jedoch fast so klinisch sauber wie ein OP-Saal ist, wovon wir uns überzeugen können.

Von hier wird das Gersten- oder Weizenkorn auf schonende Weise mittels Trogketten erst horizontal und später dann vertikal transportiert, gereinigt und bei Bedarf auch getrocknet. Die beim Reinigen mittels Unterdruck separierten groben Bestandteile wie die Spelzen landen dann in besagtem Kaffbunker. Soweit ein erster Einblick in die Abläufe, die freilich viel komplexer sind, zumal da reichlich computergestützte Technik im Spiel ist. Wir kommen noch darauf.

Silos bei Hinselmann
Zu Stoßzeiten ist viel los. Bis zu 30 Fahrzeuge rollten in der vergangenen Saison täglich auf das Gelände, um Getreide einzulagern. © Sabine Rübensaat
Peter Hinselmann auf Kontrollgang in der Anlage
Peter Hinselmann auf Kontrollgang in der Anlage, die im letzten Jahr erstmals in Betrieb ging. © Sabine Rübensaat

Familienbetrib in 5. Generation: Agrar GmbH Kletzke

Die Agrar GmbH Kletzke gehört zu jenen Landwirtschaftsbetrieben, die sich in jüngster Zeit für eine eigene Lagerung des Getreides entschieden haben. „Denn dadurch können wir viel besser auf die gewaltigen Preisschwankungen des Marktes reagieren und den Zeitpunkt des Verkaufes selbst bestimmen“, so Peter Hinselmann. Für ihn, der seit 2019 zusammen mit seinem Vater Claus-Peter sämtliche Geschäftsanteile des Betriebes hält, gab es noch ein weiteres Motiv, in moderne Lagerungstechnik zu investieren.

Denn für die Hinselmanns, Familienbetrieb in mittlerweile fünfter Generation, war es schon immer ein ungeschriebenes Gesetz, alles in einer Hand zu haben. Zum Hof, zwischen Hamburg und Lübeck gelegen, gehörte von Anfang an eine Getreidelagerung. „Wer die anderen überlässt, macht sich abhängig“, so das Credo der Familie.

Neue Existenz in der Prignitz

Die Entscheidung, den angestammten Betrieb in Schleswig-Holstein zu verkaufen und eine neue Existenz in der Prignitz aufzubauen, war keine leichte und brauchte ihre Zeit. Für den Junior stand nach Landwirtschaftslehre und Studium an der Höheren Landbauschule in Bad Segeberg jedoch schon bald fest, dass sich jenseits der Elbe bessere Chancen boten.

„Mich haben die deutlich größeren Flächen dort beeindruckt“, betont Peter Hinselmann, der eine Zeitlang als Volontärsverwalter in Agrarbetrieben Mecklenburg-Vorpommerns gearbeitet hatte. Die Suche nach geeigneten alternativen Flächen gut zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall erwies sich freilich als sehr schwierig, in Küstennähe gar aussichtslos.

Konzentration auf Mehrfruchtanbau

Als Glücksfall stellte sich dann heraus, dass die ehemalige Agrargenossenschaft in Kletzke zum Verkauf stand. Peter Hinselmann: „Als wir in den Ort kamen, wusste ich sofort, dass wir hier Wurzeln schlagen werden.“ Die Hinselmanns wurden sich mit den Gesellschaftern des inzwischen in eine GmbH umgewandelten Betriebes einig, übernahmen sämtliche Anteile.

Die Genossenschaft hatte rund 1.650 Hektar bewirtschaftet, darunter auch Grünland. Weiter Getreide, Raps und Mais auf den durchschnittlich 40er-Böden anzubauen, bot sich an, doch in die Veredlung zu investieren, schien zu riskant.

Vater und Sohn beschlossen, die Kuhställe zu verpachten und sich auf den Marktfruchtanbau zu konzentrieren. Ein erster Schritt war 2019 der Umbau der alten Bergehalle, um dort übergangsweise Getreide zu lagern. Die Entscheidung, vier neue Silos zu errichten, fiel noch im gleichen Jahr.

Vater und Sohn
Vater und Sohn: Die Familie von Claus-Peter Hinselmann (r.) hat den Wechsel in die Prignitz nicht bereut und fühlt sich dort längst zu Hause. © Sabine Rübensaat

Getreide-Lagerung: Hoher Grad an Automatisierung

„Sicherlich wäre es preiswerter gewesen, in eine neue Halle zu investieren – aber nur auf den ersten Blick“, versichert Peter Hinselmann. „Uns war von Anfang an wichtig, von den arbeitsintensiven Prozessen der klassischen Lagerhaltung wegzukommen und verlässliche Technik einzusetzen, die einen hohen Grad an Automatisierung bietet.“

Nachdem Vater und Sohn mehrere Offerten geprüft hatten, bekam das Angebot eines im niedersächsischen Lastrup ansässigen Unternehmens den Zuschlag. Den Ausschlag dafür gab nicht nur die langjährige Kompetenz dieser Firma beim industriellen Bau von Anlagen zur Aufbereitung, Lagerung und Verarbeitung von Getreide sowie weiteren Schüttgütern. Sie bietet auch maßgeschneiderte Lösungen je nach Standort an, wovon sich die Hinselmanns beim Besuch von Betrieben in der Region überzeugen konnten.

Herzstück der innerhalb eines Jahres errichteten Anlage mit jeweils zwei Trichter- und Endlagersilos und einer Förderwaage ist das mit digitaler Technik ausgestattete Schaltzentrum. Per Computer werden hier sämtliche Prozesse von der Anlieferung des Ernteguts über die Verteilung, Reinigung und Lagerung beziehungsweise Trocknung gesteuert. Jedes Silo ist mit 15 Messpunkten ausgestattet, um die optimale Temperatur zu überwachen.

Diese liegt bei 20 Grad Cesius im Stapel während der Sommermonate und später dann bei 8 Grad, die Feuchtigkeit bei 14 %. Über das Smartphone lasse sich das auch kontrollieren, doch über den großen Monitor sei das natürlich viel übersichtlicher, erklärt Hinselmann. „In unserer alten Siloanlage in Holstein musste man noch Knöpfe drücken und an Strippen ziehen, was für ein riesiger Unterschied!“ Es sei sein Part, sich um die moderne Anlage zu kümmern, die aber autark arbeite. „Sie läuft quasi nebenbei, aber natürlich muss ich immer wieder ein Auge darauf haben.“

Silos betriebsbereit vor Saison-Beginn: Feuchtes Erntegut trocknen

In den vier Silos können bis zu 6.000 Tonnen Getreide gelagert werden, die Annahme- und Verladeleistung beträgt 120 Tonnen pro Stunde. Die Türme können somit nicht nur zügig beladen, sondern auch entleert werden, wenn kurzfristig Ware zum Verkauf ansteht.

Vom ersten Tage an funktionierte alles nahezu reibungslos, von ein paar Aussetzern bei der Reinigung mal abgesehen, versichert der Junior und erinnert sich an den Start im Frühjahr 2023. „Es war eine Punktlandung fünf Tage vor Erntebeginn!“ Das Wetter machte den Landwirten dann allerdings einen Strich durch die Rechnung, das Getreide musste wegen der vielen Niederschläge regelrecht vom Feld gestohlen werden. Wobei es sich schon als Riesenvorteil herausstellte, das feuchte Erntegut in der Anlage gleich trocknen zu können. Ein Teil der Vorjahresernte, darunter Gerste und B-Weizen, lagert noch im Silo.

Getreide-Silos Trockner
Dies geschah trotz feuchter Witterung nahezu reibungslos, da zu den Silos auch ein Trockner auf Heizölbasis gehört. © Sabine Rübensaat

Die enorm gestiegenen Preise vor allem für Dünger hatten die Ernte sehr teuer, aber dann die Hoffnung auf einen lukrativen Verkauf des Getreides zunichte gemacht. „Ist halt immer das Risiko, den günstigsten Zeitpunkt zu verpassen“, kommentiert Peter Hinselmann mit einem Schulterzucken. „Aber wir sind ja auch nicht darauf angewiesen, die Ware zu Schleuderpreisen abzugeben.“

Abnehmer aus der Region

Abnehmer sind Handelsunternehmen wie die Ceravis AG oder die Ölmühle Rostock. Beliefert werden aber auch Betriebe aus der Region, darunter Schweinehalter. „Wir können zudem Körnermais lagern und mit dem Durchlauftrockner behandeln“, berichtet Peter Hinselmann.

Die Kapazitätsgrenze sei noch nicht ausgereizt, eine Aufstockung der Lagermenge denkbar, aber momentan noch nicht das Thema. Mit dem hofeigenen Mähdrescher lasse sich die Anbaufläche gut abdecken, eine mögliche Erweiterung würde dann jedoch zusätzliche Erntetechnik erfordern. „Das steht erst mal nicht auf unserer Agenda“, versichert der Junior.

„Alles aus einer Hand“

Getreide von anderen Betrieben wolle man schon deshalb nicht einlagern, um das Einschleppen von befallenen Partien zu vermeiden. „Wir bleiben unserem Leitsatz treu: Alles aus einer Hand!“, ergänzt Claus-Peter Hinselmann. Allerdings sollen demnächst die Wege zur Anlage richtig befestigt und diese auch optisch auf Vordermann gebracht werden, beispielsweise durch Buchsbäume rund herum. Denn zu Stoßzeiten sei richtig was los auf dem Hof mit bis zu 30 Fahrzeugen.

Wie Vater und Sohn versichern, sind sie gut in der Dorfgemeinschaft aufgenommen worden. „Wir fühlen uns pudelwohl hier, und wir haben tolle Mitarbeiter!“ Muss es aber nicht zwangsläufig zu Konflikten kommen, wenn zwei Generationen ein Unternehmen führen?

Natürlich gebe es unterschiedliche Auffassungen und die eine oder andere Auseinandersetzung gelegentlich auch, räumen die Hinselmanns ein. „Aber am Abend passt dann wieder kein Blatt mehr zwischen uns!“

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Qualitativ hochwertige Bestände sollten zuerst gedroschen werden. (c) Sabine Rübensaat

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