Solidarische Landwirtschaft: Erzeuger und Verbraucher als Partner
Drei Frauen planen bei Leipzig, eine Solidarische Landwirtschaft zu etablieren. Das Konzept fußt auf der Haltung von Schafen und Ziegen. Was fehlt, ist Weideland. Damit steht und fällt das Vorhaben.
Von Silvia Kölbel
Noch einmal etwas völlig Neues beginnen, etwas Nachhaltiges, wirtschaftlich Tragfähiges, etwas Zukunftsfähiges – das ist die Intention von Katrin Madela (42), Anne Fiedler (30) und Vera Breuninger (30).
Die drei Frauen aus dem Umland von Leipzig wollen eine Genossenschaft gründen. Grundlage des Konzeptes soll das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft sein. Verbraucher und Erzeuger gehen eine Partnerschaft ein. Sie teilen die Erlöse untereinander und tragen die Verluste gemeinsam.
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Solidarische Landwirtschaft: Gute Haltungsbedingungen anbieten
Die Genossenschaft, die den Namen „Solidarische Landwirtschaft Leipziger Neuseenland“ tragen soll, hat noch eine weiten Weg vor sich. Nahziel sei, so Anne Fiedler, die in ihrem Berufsleben als Bauingenieurin tätig ist und die sich vor allem um die rechtliche Seite des Vorhabens kümmert, bis zum Herbst die Gründung der Genossenschaft in trockenen Tüchern zu haben. Für sie ist die Solidarische Landwirtschaft ein geeignetes Mittel, gemeinsam etwas zu schaffen und heranwachsende Kinder miterleben zu lassen, wie Lebensmittel entstehen.
Vera Breuninger, die bereits bei Solidarischen Landwirtschaften mitgearbeitet hat, sagt: „Uns ist es wichtig, den Tieren gute Haltungsbedingungen zu bieten. Auch, wenn wir ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept anstreben, soll doch nicht die Gewinnoptimierung im Vordergrund stehen.“
Die Genossenschaft und ihre Gründerinnen
Grundlage des Betriebes soll eine 40- bis 50-köpfige Schaf- und Ziegenherde sein sowie deren Nachzucht. Geplant ist die Verarbeitung und Verteilung von Milch, Käse und Joghurt sowie Fleisch und Wurst von Ziege und Schaf an die Mitglieder. Etwa 100 Verbraucher möchten die drei Frauen als Mitglieder der Genossenschaft gewinnen. Zur Gründung reichten zunächst 30 bis 40 Mitglieder, sagt Katrin Madela. Sie bringt die meiste Erfahrung in der Landwirtschaft mit.
Über viele Jahre hält sie Schafe, bisher im Hobbybereich. Sie hat einen Sachkundelehrgang über Schaf- und Ziegenhaltung besucht, ist gelernte Tierarzthelferin und verdient heute ihren Lebensunterhalt mit einer Hundeschule. Außerdem ist sie die Leiterin der Hundestaffel des Bundesverbandes für Rettungshunde/Rettungshundestaffel Leipzig. In dem Verein sind auch die drei anderen Frauen Mitglied. Im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit haben sie sich kennengelernt und gemeinsame Zukunftspläne geschmiedet.
Zurzeit betreuen die Frauen 17 Ziegen und zwölf Schafe, darunter Weiße Deutsche Edelziegen, Anglo-Nubier-Ziegen, Tiroler Bergschafe und Kreuzungstiere. Es ist ihnen gelungen, insgesamt 3,5 ha Grünland im Raum Borna und dem Leipziger Land zu pachten. Die Flächen arrondieren den Großen Börsenteich. In nur wenigen hundert Meter Entfernung verläuft die Landesgrenze zu Thüringen. „Ein Fischreibetrieb hat uns die Fläche zur Verfügung gestellt. In der Nähe von Leipzig konnten wir einen weiteren Hektar pachten. Dort stehen zurzeit unsere Böcke“, berichtet Katrin Madela.
Pachtung von Flächen ein Muss
Das Vorhaben der Genossenschaftsgründung steht und fällt mit der Möglichkeit, weitere Flächen pachten zu können. „Für uns wäre es günstig, wenn wir Grünland in der Nähe der schon vorhandenen Flächen pachten könnten, auch gerne Naturschutzflächen zur Landschaftspflege mit Schafen und Ziegen“, sagt Katrin Madela mit Blick auf das fast in Sichtweite befindliche Naturschutzgebiet der Haselbacher Teiche, das allerdings zu Thüringen gehört.
„Ob Sachsen oder Thüringen, das wäre uns egal. Flächen zu bekommen, ist der schwierigste Teil des Vorhabens“, musste Katrin Madela inzwischen feststellen.
Am Rand der Großstadt: Mitglieder gesucht
Zurzeit sind die drei Frauen damit beschäftigt, sich mit den rechtlichen Grundlagen einer Genossenschaft zu befassen und Mitglieder für die Gründung zu akquirieren. „Wir wollen dafür Feste und andere öffentliche Veranstaltungen nutzen“, sagt Katrin Madela. Sie geht davon aus, dass es durch die Nähe zu Leipzig kein allzu großen Problem sein dürfte, ausreichend Interesssenten zu finden.
Gerade die Bewohner der Großstädte seien für solidarische und nachhaltige Projekte offen, in deren Ergebnis sie hochwertige Nahrungsmittel erhalten. Die vielen bereits existierenden Solidarischen Landwirtschaften rund um Leipzig, die sich größtenteils mit Obst- und Gemüseanbau beschäftigen, seien Beweis für das Potenzial, über das die Stadt in dieser Hinsicht verfüge.
Nachhaltige Milch und Weidezelte
Auch beim Thema Milchverarbeitung wollen die drei Frauen auf Nachhaltigkeit setzen. „Wir wollen nicht hunderttausende Euro in eine Molkerei investieren, sondern bestehende Infrastruktur nutzen“, beschreibt Katrin Madela die Pläne. Sie stellt sich das so vor: „Wir suchen eine Molkerei mit freien Kapazitäten und mieten uns dort ein. Davon profitieren der Pächter und der Verpächter gleichermaßen.“
Vorgesehen sei, die Herde in zwei Gruppen zu teilen und die Ablammzeiten so einzurichten, dass immer eine laktierende Gruppe zur Verfügung steht, sodass über das gesamte Jahr Milch verarbeitet werden kann. Ergänzend dazu erhalten die Mitglieder zweimal jährlich Fleisch aus der Schlachtung der männlichen Lämmer, welche im Betrieb großgezogen werden sollen.
Da die Genossenschaft auch perspektivisch ohne Hofstelle auskommen soll, ist vorgesehen, den Tieren im Winterquartier Weidezelte als Schutz anzubieten. Die Heuernte möchten die Genossenschaftsgründerinnen auf eigenen Pachtflächen in Lohnarbeit erledigen lassen.
Jeder darf anpacken
Die Finanzierung soll über die Mitgliedsbeiträge, über Spenden und über Fördermittel erfolgen. „Zur Höhe der Mitgliedsbeiträge können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auskunft geben. Auf jeden Fall prüfen wir aber schon, welche Förderprogramme für unsere Vorhaben geeignet sind, und wir wollen auch versuchen, Sponsoren zu finden“, erklärt Katrin Madela.
Es sei geplant, eine Vollzeitstelle für die Versorgung der Tiere und die Milchverarbeitung zu schaffen. Außerdem können sich die Genossenschaftsgründerinnen die Mithilfe von Praktikanten und FÖJlern vorstellen. Die Frauen selbst wollen jeweils im Rahmen einer nebenberuflichen Tätigkeit mitarbeiten. Vorstellbar sei auch, dass Mitglieder mitarbeiten. Das könne sowohl praktische Arbeit bei den Tieren sein oder auch Arbeit am Computer, je nach persönlichen Stärken und Interessen.
„Es wäre schön, wenn wir jemanden finden, der sich mit sozialen Medien gut auskennt und unsere Genossenschaft in der Öffentlichkeit präsentiert. Auf Facebook haben wir uns schon ein Profil eingerichtet. Genauso gut brauchen wir aber Leute, die sich um die Betreuung der Schafe kümmern, die Zäune stecken oder die täglichen Kontrolltätigkeiten übernehmen“, kann sich Katrin Madela verschiedene Arten von Unterstützung vorstellen.
In ihre Pläne haben die Existenzgründerinnen die Behörden von Anfang an einbezogen, um von Beginn an gesetzeskonforme Entscheidungen zu treffen. „Wir haben den Eindruck, dass die Behördenmitarbeiter unserem Vorhaben positiv gegenüberstehen“, sagt Katrin Madela.
Wer sich für die Solawi Neuseenland interessiert, kann sich unter kontakt@solawi-leipziger-neuseenland.de melden.