Biopark: Unter Wert gehandelt?
Der Ökoanbauverband Biopark begeht in diesen Tagen seinen 30. Geburtstag. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden Jens Rasim.
Das Gespräch führte Gerd Rinas
Auch wenn die Geburtstagsfeier coronabedingt in den Herbst verschoben wurde, wollen wir an dieser Stelle auf die Entwicklung des Ökoanbauverbands Biopark schauen. Er wurde als erster und einziger Ökoanbauverband nach der Wende in Ostdeutschland aus der Taufe gehoben.
Nach seiner Gründung im Juni 1991 zog er mit seiner ostdeutschen Identität zunächst vor allem Landwirte in den neuen Bundesländern an. Er bot vielen konventionellen Berufskollegen, die mit ehemaligen LPG in benachteiligten bzw. Schutzgebieten arbeiteten, Identifikationsmöglichkeiten und die Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang unter den Bedingungen des Ökolandbaus.
Mittlerweile hat der Verband Mitglieder in fast allen Bundesländern. Schon seit vielen Jahren punktet er mit einer effizienten Vermarktungsorganisation sowohl für größere als auch kleinere Mitgliedsbetriebe. Wir sprachen mit dem Bioparkvorsitzenden Jens Rasim, im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Gutes Gallin im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim, über Erfolge und Niederlagen des Verbandes, Versäumnisse der Vergangenheit, Unterschiede zu anderen Ökoverbänden, die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit in der Ökobranche, die Zukunftschancen der Biolandwirte – und den Biopark.
Zahlen und Fakten
Der Ökoanbauverband Biopark e. V. wurde 1991 von zwölf Landwirtschaftsbetrieben aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in Karow bei Güstrow gegründet. Derzeit zählt Biopark 552 Mitglieder aus Land- und Ernährungswirtschaft, Handel, Catering und Gastronomie in zwölf Bundesländern.
Die meisten Mitglieder wirtschaften in den „Kernländern“ MV (247) und Brandenburg (116). In Sachsen-Anhalt gibt es 23, in Sachsen 15 und in Thüringen 12 Biopark-Mitglieder. In Niedersachsen sind es 38, in Schleswig-Holstein 32, in Nordrhein-Westfalen 17 und in Bayern 11. Viele Biopark-Bauern wirtschaften im benachteiligten Gebiet bzw. in Schutzgebieten.
Wichtigste Betriebszweige sind Mutterkuhhaltung und Ackerbau. Biopark-Bauern verfügen insgesamt über 114.200 ha LF. Damit ist Biopark bundesweit der drittgrößte Ökoanbauverband. (Quelle: Biopark)
Herr Rasim, was hat der Biopark an Neuem in die bundesdeutsche Ökoszene eingebracht?
Wenn ich mich an die Situation der Landwirtschaft in Ostdeutschland in der Wendezeit erinnere, dann kommen mir unweigerlich die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Sinn, mit denen in der Übergangszeit viele Betriebe zu kämpfen hatten. Vor allem für Weidetierhalter in benachteiligten bzw. Schutzgebieten waren die Aussichten schlecht. Wir haben unserer Gründungsvorsitzenden Frau Prof. Heide-Dörte Matthes, einigen Wissenschaftlern und unerschrockenen Praktiker zu danken, die auf wissenschaftlicher Basis ein Konzept für den Ökolandbau mit den großflächigen Betriebsstrukturen Ostdeutschlands und eine entsprechende Vermarktungsorganisation für große Lieferpartien aus den hiesigen Großbetrieben entwickelt haben. Mit der Gründung des Bioparkverbandes im Juni 1991 wurde dieses Konzept in die Praxis umgesetzt. Das ist vor allem der bleibende Verdienst unserer langjährigen Ehrenvorsitzenden Prof. Heide-Dörte Matthes und jener 16 tatkräftigen und risikobereiten Mitstreiter aus Landwirtschaft und Wissenschaft, die den Biopark im Juni 1991 aus der Taufe gehoben haben. Auch in der Gegenwart arbeitet Biopark mit Partnern aus der Wissenschaft zusammen.
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Ihr Verband hat damals als erster in der Ökobranche Lieferbeziehungen zu großen Lebensmittelvermarktern hergestellt.
Das war Teil des Biopark-Konzeptes. Nur über die Vermarktung großer Partien konnten wir den nötigen Absatz für unsere Mitgliedsbetriebe schaffen und wirtschaftliche Vorteile generieren. Mit der Gründung der Biopark Markt GmbH 1994 und der Übernahme der Geschäftsführung durch Torsten Hein wurde diese Entwicklung beschleunigt. Schon ein Jahr später führten wir unser Biorindfleischsortiment ein. Ein Meilenstein war 1997 der Start des Biofleisch-Vollsortiments von Biopark bei Edeka Nord. Seitdem kamen Lieferbeziehungen zu einer Reihe weiterer Vermarktungsunternehmen hinzu. Biopark beziehungsweise die Biopark Markt GmbH sind der größte Biorindfleischvermarkter bundesweit. Das hat dem Verband einen enormen Zuwachs auf zeitweise über 650 Mitgliedsbetriebe beschert.
Lange Zeit sah sich Ihr Verband von Kritikern aus anderen Öko-Anbauverbänden dem Vorwurf ausgesetzt, seine Richtlinien seien zu lasch.
Das waren sie nie! Schon als dieses Gerücht vor vielen Jahren aufkam, waren die Biopark-Richtlinien fast identisch mit denen der etablierten Ökoanbauverbände. Denjenigen, die dieses Gerücht streuten, ging es schon damals nur ums Geschäft. Biopark mit seinen bietfähigen Strukturen sollte vom Markt ferngehalten werden. Mittlerweile gehören unsere Richtlinien zu den strengsten in der Branche. Bei uns gibt es die wenigsten Ausnahmegenehmigungen.
Wir sind fast die einzigen, die so gut wie 100 Prozent deutsche regionale Bioware anbieten, ohne sogenannte Biopartnerware aus dem Ausland und auch ohne importiertes Biofutter. In Bioparkbetrieben war Anbindehaltung noch nie erlaubt. Wir sind die einzigen, die sich im Biodachverband, dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), gegen die Anbindehaltung in Ökobetrieben ausgesprochen haben. In anderen Verbänden ist sie per Ausnahmegenehmigung noch gang und gäbe. Auch der Weidegang ist dort nicht für alle Rinder gewährleistet.
Führungsteam
Jens Rasim (l.) ist nach Heide-Dörte Matthes, Gottfried Marth und Carsten Niemann der vierte Vorsitzende seit Gründung des Bioparks 1991. Rasim ist 54 Jahre alt, Dipl-Ing. agr., Absolvent der Rostocker Agrarfakultät und hauptberuflich geschäftsführender Gesellschafter des 1.000-ha-Gutes Gallin.
Dr. Delia Micklich (53) absolvierte ebenfalls die Rostocker Agrarfakultät (1988–1993). Die Diplomagraringenieurin kam 1996 zunächst zur Biopark Markt GmbH. Seit 2002 führt sie die Geschäfte von Biopark e. V.
Als Biopark auftauchte, meinten Vertreter anderer Ökoanbauverbände, dass landwirtschaftliche Großbetriebe und Öko nicht zusammenpassen. Diese Auffassung hört man heute kaum noch.
Das hat noch nie gestimmt. Natur- und Umweltschutz funktionieren auf großen Flächen viel besser als auf kleinen. Wie will beispielsweise ein Zehn-Hektar-Betrieb Schreiadler fördern? Das kann ein 1.000-Hektar Betrieb viel wirkungsvoller. Alle Ökoanbauverbände haben mittlerweile große Betriebe als Mitglieder aufgenommen. Sie sprechen nur nicht so gern darüber, um ihr altes Image vom kleinen bäuerlichen Biofamilienbetrieb als dem Biomusterbetrieb aufrechtzuerhalten. Wir stehen zu unseren Mitgliedsbetrieben, ob klein oder groß.
Wenn in der bundesweiten Öffentlichkeit von Ökoanbauverbänden die Rede ist, fallen Namen wie Bioland, Naturland oder Demeter. Der Name Biopark eher selten, obwohl Ihr Verband Mitglieder in fast allen Bundesländern hat und Biopark nach der Anbaufläche bundesweit der drittgrößte Ökoanbauverband ist. Warum sind andere Verbände bekannter?
Bei uns galt lange der Grundsatz: Richtlinien einhalten, keine Verstöße zulassen. Werbung brauchen wir nicht. Das war ein Fehler. Die Folge: Wir werden manchmal unter Wert gehandelt. Wir sind dabei, dies zu ändern und uns für die Verbraucher sichtbarer zu machen. Im Laufe dieses Jahres wird unser Logo auf dem Etikett vieler Produkte von der Rück- auf die Vorderseite wandern. Ein noch größeres Problem, an dem wir arbeiten: Der überwiegende Teil der Bioparkware wird zwar als Bioware, aber ohne unser Label vermarktet. Lange war es uns wichtig, überhaupt am Markt zu sein. Künftig soll draufstehen, wenn Biopark drin ist.
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Wie ist die Zusammenarbeit im Dachverband BÖLW?
Inzwischen arbeiten die Öko-Anbauverbände im BÖLW bei der politischen Interessenvertretung der Ökobauern sehr gut zusammen. Wir würden uns dies auch auf der wirtschaftlichen Ebene wünschen. Wenn die Verbände ihre Produkte als gleichwertig ansehen und ihren wirtschaftlichen Austausch intensivieren würden, ließen sich Importe von Bioware verringern. Die Marktstellung der deutschen Ökoverbände und ihrer Vermarkter würde gestärkt.
Wenn Ware knapp ist und stark nachgefragt wird, ist es heute schon kein Problem, Bioparkware unter einem anderen Verbandslabel zu vermarkten. Meine Erfahrung ist, dass die Ökobauern kein Verbands-Hickhack wollen. Ich bin mit Berufskollegen in fast allen Verbänden befreundet. Sie wollen Bauer sein, mit ihrem Nachbarn was zusammen machen und nicht beachten müssen, in welchem Anbauverband er ist.
Wie hält es Biopark mit einem Mitglied, das Stroh von einem Ökobauern aus einem anderen Verband kaufen will?
Da machen wir einen Haken dahinter, weil wir die Richtlinien anderer Verbände als gleichwertig mit unseren ansehen. Der Trend zur Umstellung auf Ökolandbau ist in Deutschland ungebrochen. Anzahl der Ökobetriebe und die Ökofläche nehmen zu. Allerdings sind Ökobauern auf hohe staatliche Prämien angewiesen.
Haben Sie keinen Zweifel, ob diese Prämien nachhaltig sind?
Nein. Unsere Kunden haben die Ökoprämie längst eingepreist. Ich halte diese Zahlungen für völlig berechtigt. Damit honoriert die Gesellschaft die hohen Naturschutz- und Umweltleistungen der Ökobauern. EU, Bund und Länder haben durchweg ehrgeizige Ziele für den Ökolandbau. Klimaschutz, Artenvielfalt und sauberes Wasser sind starke Motive, den Ökolandbau zu erweitern.
Profitiert Biopark von dem anhaltenden Umstellungstrend?
Wir verzeichnen steigende Mitgliederzahlen, aber nicht im gleichen Umfang, wie Landwirte auf Öko umstellen. Viele Betriebe begnügen sich mit dem EU-Biosiegel nach der EU-Öko-Verordnung. Für einen moderaten Mitgliedsbeitrag wären sie bei Biopark sehr gut aufgehoben. Sie würden von der politischen Interessenvertretung durch unseren Verband bzw. den BÖLW auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene profitieren. Bisher kämpfen wir für die EU-Biosiegelnutzer mit. Es wäre schön, wenn sie uns den Rücken stärkten.
In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen ist Biopark assoziertes Mitglied im Landesbauernverband. Warum?
Wir sind nicht immer einer Meinung mit unseren konventionell wirtschaftenden Berufskollegen, aber ganz klar haben wir viele gemeinsame Interessen. Deshalb ist es wichtig zusammenzuarbeiten.
Welche aktuellen Forderungen an die Agrarpolitik hat Ihr Verband?
Wenn ein Betrieb sein Grünland mit Wiederkäuern bewirtschaftet, muss er nach meiner Überzeugung eine höhere Förderung bekommen, als wenn er nur mäht. Das ist bisher nicht in allen Bundesländern gewährleistet. Bei den Agrarumweltmaßnahmen sollte der Ökolandbau mit allen anderen Maßnahmen kombinierbar sein. Nur weil ein Landwirt Ökoprämie erhält, sollte er nicht von den Ausgleichszahlungen für andere Agrarumweltmaßnahmen ausgeschlossen werden. Und schließlich muss das Wachstum der Wolfspopulation reguliert werden, damit bundesweit die Weidetierhaltung möglich bleibt.
BIOPARK MARKT GMBH
Hohe Erlöse für die Biopark-Bauern
Die Biopark Markt GmbH wurde 1994 als Vermarktungsorgansisation des Biopark e. V. gegründet. Hervorgegangen ist die Gesellschaft aus dem Biopark Erzeugerzusammenschluss Rind und Schaf. Geschäftsführer ist seit Anfang Torsten Hein. Die Gesellschaft wird aktuell von 710 Ökobetrieben beliefert. Sie erzielte 2020 einen Umsatz von 68 Mio. Euro. Hauptumsatzbringer sind Biorindfleisch (2020: 6.000 t), vor allem Kalbfleisch (880 t), sowie Bioschweine- (2.800 t), Lamm- (120 t) und Geflügelfleisch.
Wichtigster Kunde ist der Lebensmitteleinzelhandel. Mit Edeka Nord, seit 1997 Partner von Biopark, wurde im Mai 2021 ein Dreijahresvertrag über die exklusive Belieferung mit Biofleisch- und -wurstwaren von Biopark abgeschlossen. Weitere Vermarktungspartner sind der bundesweite Biofachhandel, darunter die BioCompany mit 58 Filialen in Berlin, Großverbraucher wie Studentenwerke, die lebensmittelverarbeitende Industrie, darunter die Ludwigsluster Fleisch- und Wurstspezialitäten und Meica in Edewecht.
2011 öffnete in Stavenhagen die BioEichenmühle als erstes Biopark-Futtermittelwerk. Hier werden jährlich über 40.000 t Biomischfutter für Biogeflügel, Biosauen und -läufer sowie Mastfutter für Bioschweine hergestellt. Laut Geschäftsführer Hein wächst das Biopark-Ochsen-Färsenprogramm jährlich um 15–20 %. Derzeit ist im Fleischbereich das Sortiment ausverkauft. „Wir suchen neue Partnerbetriebe mit Tierhaltung, die auf Öko umstellen wollen“, so Hein.
Im Herbst soll die Produktion von Biomehlen aus Dinkel, Weizen, Roggen sowie von Haferflocken starten. „Durch den direkten Verkauf an den Handel versprechen wir uns eine höhere Wertschöpfung für die Ausgangsprodukte der Biopark-Bauern“, erläutert Hein.