Agri-PV in Ostrau: Flächennutzer gleichberechtigt
Stromerzeuger und Landwirt sollen bei einer Agri-PV-Anlage gleichberechtigte Flächennutzer sein. Wir stellen ein Projekt in Sachsen vor, das seine Planungen diesem Grundsatz unterworfen hat.
Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland 80 % des gesamten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. 2022 waren es jedoch erst etwa 46 %. Wind- und Solarenergie müssen daher dreimal schneller als bisher ausgebaut werden. – So sieht es zumindest der Plan der Bundesregierung vor, die zudem davon ausgeht, dass der Strombedarf weiter steigen wird.
Daher soll die Stromerzeugung aus Photovoltaik bis zum Jahr 2030 auf 215 Gigawatt ausgebaut werden, die Hälfte davon auf Freiflächen. Für dieses Ziel sind die Entwicklung und der Einsatz von Agri-Photovoltaik als Ergänzung zu den bisherigen erneuerbaren Stromerzeugungstechnologien unumgänglich.
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Denn nur mit der Kombination aus Photovoltaik und landwirtschaftlicher Technologie ist es möglich, auf derselben Fläche Nahrung und Futtermittel zu produzieren und gleichzeitig nachhaltig Strom zu erzeugen. Denn die zur Verfügung stehenden Flächen sind limitiert, sodass die Konkurrenz ständig wächst.
Agri-PV Anlagen: Nahrung und Stromerzeugung
Ein klassischer Konflikt war bisher, ob eine freie Fläche für Photovoltaikanlagen oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden soll. Agri-PV liefert die Antwort dazu: Unter bzw. neben den Modulen können landwirtschaftliche Kulturen angebaut werden.
Dazu werden die Reihenabstände der Module vergrößert, die Primärnutzung der Fläche bleibt der Agrarproduktion vorbehalten. Zwar wird durch den größeren Reihenabstand weniger Energie pro Hektar erzeugt als mit einem klassischen Freiflächen-Solarpark. Durch größere Flächen und bewegliche Systeme können hier jedoch Vorteile geschaffen werden.
Sogenannte Single Axis Tracker mit bifazialen Modulen zum Beispiel orientieren sich mechanisch am Verlauf der Sonne und können in den Tagesrandstunden mehr Strom erzeugen. Dadurch wird ein um etwa 20–30% besserer Wirkungsgrad erzielt.
Der zusätzliche Witterungsschutz und die Möglichkeit der Optimierung von Licht- und Wassermanagement für die darunter und dazwischen angebauten Kulturen sind klare Vorteile der Systeme für die Landwirte.
Agri-PV in Ostrau: Grüne Energie in Planung
Wie das alles geht, zeigt sich beispielsweise im sächsischen Ostrau. Dort entwickelt aktuell die Firma Kronos Solar EDPR den größten zusammenhängenden Agri-PV-Park mit ackerbaulicher Nutzung in Deutschland. Er hat eine Gesamtfläche von 110 ha. Eine Anlage dieser Größenordnung gibt es bisher noch nicht. Mit einer Leistung von etwa 70 MW – genug grüne Energie für 20.000 Haushalte – wird sie Leuchtturmcharakter haben.
Baustart soll 2025 sein. „Damit so eine Agri-PV-Anlage zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten führt, braucht es ein gemeinsames Verständnis für die angestrebten Ziele“, erklärt Dr. Alexander Arcache, Geschäftsführer des Münchner Unternehmens, das auch über eine Niederlassung in Leipzig verfügt. Zudem sei eine enge Verständigung über ihre Umsetzung notwendig.
Energiewende als Gemeinschaftsaufgabe
Die Abstimmung mit den Landwirten müsse dazu sehr eng erfolgen. „Die Marktbedingungen für den Anbau, die Wuchseigenschaften der Pflanzen und die lokalen Bodenbedingungen müssen mit den technischen Voraussetzungen für die PV-Anlagen in Einklang gebracht werden. Nur so lässt sich die beste Systempassung identifizieren“, erklärt der promovierte Betriebswirt weiter.
„Wenn wir das erfolgreich schaffen und die Skaleneffekte greifen, können beispielsweise auch Investitionen der Landwirte in mögliche neue Landmaschinen über eine Kofinanzierung geregelt werden.“
Agri-PV biete dann attraktive Synergien: Zusätzlich zu den landwirtschaftlichen Erträgen und den Vorteilen für den Anbau (Stichwort: Verdunstungsschutz), könnten Landwirte sich auch neue Einnahmequellen erschließen.
Weitere wichtige Aspekte betreffen die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung für die Erneuerbare-Energie-Themen — vor allem in Bezug auf Agri-PV — sowie die Zusammenarbeit mit Gemeinden, Kommunen und Stadtwerken vor Ort, die für die lokale Umsetzung zuständig sind.
Die regionale Nahrungsmittelproduktion muss mit Artenschutz und Erhalt der Kultur-und Erholungslandschaft in Einklang gebracht werden. Zugleich ist die Energiewende auch eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie ist mit planungsrechtlichen Fragen und Herausforderungen sowie dem Netzausbau und der Speicherung verbunden.
Agri-PV: Technologie mit Zukunft
Das Potenzial für die Entwicklung von Agri-PV in Deutschland wird von den Marktbeteiligten als sehr groß eingeschätzt. Die Technologie ist zugleich aber auch wesentlich anspruchsvoller in der Umsetzung als konventionelle Freiflächenphotovoltaik. Bezüglich ihrer Anwendung ist deshalb noch eine Menge Luft nach oben.
Der Grund dafür liegt auch in der Marktkompetenz der Entwickler. Diese müssen in der Lage sein, einen gesamtkonzeptionellen Überblick bei der Herangehensweise zu behalten und mehrere Disziplinen zusammenzubringen.
Effizienz mit dezentralem Aufbau und richtiger Fläche
Im technischen Bereich besteht eine Herausforderung darin, dass häufig Komponenten wie die einachsigen Nachführsysteme eingesetzt werden müssen. Die meisten Parkentwickler haben kaum Erfahrungen mit diesen Systemen, weder im Bau noch im Betrieb.
Sie ermöglichen jedoch eine effizientere Energiegewinnung, die zur Entlastung des Stromnetzes beiträgt: Durch einen dezentralen Aufbau können einerseits die bereits sehr belasteten Stromnetze geschont werden. Andererseits erlauben die Stromproduktionskurven in den Morgen- und Abendstunden ein Angleichen von Erzeugung und Verbrauch.
Die Umsetzung eines Agri-PV-Parks ist auch in Bezug auf die Investitions- und Betriebskosten wirtschaftlich anspruchsvoller als konventionelle Freiflächen-PV-Anlagen. Entscheidend für den Erfolg der Agri-PV ist die Größe der zur Verfügung stehenden Flächen. Um wirtschaftlich effizient umgesetzt werden zu können, braucht ein Agri-PV-Park eine Größe ab 85–100 ha.
Bei kleineren Anlagen ist die Rentabilität nicht gegeben, Wettbewerbsnachteile beim Netzanschluss im Vergleich zu herkömmlicher PV drohen und „Planungsleichen“ sind zu befürchten.
Zusammenarbeit in Ostrau: Photovoltaik und Landwirtschaft gleichberechtigt
Machbar wird die Entwicklung großer Agri-PV-Parks, wenn sie aus einer Hand betrieben wird und nicht mehrere Marktteilnehmer Mindestrenditen zu erreichen haben.
Für Ostrau hat sich das international agierende Solarunternehmen dafür entschieden, gemeinsam mit dem portugiesischem Unternehmen EDPR als Entwickler, Investoren und Betreiber der Anlage zu fungieren. Die technische Machbarkeit und auch die wirtschaftliche Rentabilität sind damit gegeben und Risiken werden minimiert. Nicht zuletzt erfordert die Technologie tiefere landwirtschaftliche Kenntnisse aufseiten des Entwicklers.
Photovoltaik und Landwirtschaft werden gleichberechtigt eingesetzt, sie müssen dazu ideal aufeinander abgestimmt werden. Der Entwickler muss deshalb auch wissen, welche Kulturen für den Anbau im Agri-PV-Park geeignet sind und wie man sie einsetzt.
Zeitliche Abläufe sind ebenfalls gemeinsam zu betrachten. Wenn die Ernte und die Reinigungszyklen der Module aufeinander abgestimmt werden, können Verluste bei den Stromerträgen durch verschmutzte Module vermieden werden.
Aktiv mitgestalten – mit allen
Agri-PV ist eine Technologie mit Zukunft. Sie braucht aber trotzdem die Mitarbeit und Unterstützung aller betroffenen Ebenen! Die Politik ist gefragt, den regulatorischen Rahmen für den bestmöglichen Einsatz dieser neuen Technik anzupassen.
Genehmigungsverfahren, die bislang immer noch mehrere Jahre dauern, müssen endlich beschleunigt, der baurechtliche Rahmen an die neuen Gegebenheiten und die Entwicklung der Technologie angepasst werden. Zum Beispiel, indem Agri-PV-Anlagen als privilegierte Nutzung in das Baugesetzbuch aufgenommen und Sondergebiete für Agri-PV festgelegt werden können.
Ein Schlüssel zum Erfolg liegt auch im Willen der lokalen Bevölkerung. Durch Aufklärung und frühzeitiges Einbinden aller Beteiligten wirbt die Solarfirma in Ostrau um Akzeptanz, auch um einer breite Ablehnung, wie man sie beim Trassenausbau beobachtet, zu begegnen.
Andererseits kann eine Bewegung hin zu Agri-PV auch aus der Bevölkerung heraus getragen werden. Die Bevölkerung hat in weiten Teilen den politischen Willen zur Klimaneutralität erkannt, sieht aber auch, dass es an Geschwindigkeit bei der Umsetzung mangelt.
Auch Bürgerinitiativen können sich für die Ansiedlung eines Agri-PV-Solarparks in ihrer Region stark machen, wenn die zur Verfügung stehenden Böden mehr Möglichkeiten bieten können als „nur“ eine klassische PV-Nutzung.
Gleichzeitig wünschen sich Unternehmer wie Dr. Arcache, dass Gemeindevertreter und Liegenschaftsverwaltungen, noch häufiger das Gespräch mit ihnen suchen, damit Agri-PV-Projekte vorankommen, die sowohl im nationalen Interesse sind als auch der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Das Ziel sollte sein, dass PV-Unternehmen, Landwirte und die Menschen vor Ort gemeinsam die Energiewende aktiv mitgestalten.