Biogas: Klar in die Zukunft gebaut
Die beiden Biogasanlagen, die zu dem Verbund Agrarbetriebe Schliebener Land gehören, werden nur mit Rindergülle und -mist sowie Futterresten betrieben. Damit sind sie ein wichtiger Baustein im Betriebskonzept.
Unter dem Dach der Agrarbetriebe Schliebener Land kooperieren die Milchgut Kolochau GmbH, die Wenau Agrar GmbH, die Agrar GmbH Schlieben und die Bioenergie Schlieben GmbH. Damit so ein Kleeblatt erfolgreich ist, braucht es einen gemeinsamen Plan. Und den haben die Südbrandenburger. Er lautet: nachhaltig ausgerichtete Landwirtschaft mit geschlossenen Stoffkreisläufen und der Milcherzeugung als Herzstück. Die beiden Biogasanlagen des Unternehmens im Elbe-Elster-Kreis spielen dabei eine wichtige Rolle.
Biogaserzeugung: Wie alles begann
Den Einstieg in die Biogaserzeugung vollzog sie im Dezember 2010. Damals bauten sie an der 1930er-Milchviehanlage in Kolochau einen 3.000 m³-Fermenter. Das BHKW war auf 390 kWel. ausgelegt, und weil der Roggenpreis damals sehr niedrig war und Rindergülle allein maximal 300 kW brachte, kamen neben 100 m³ Gülle täglich auch 2–3 t Getreideschrot in den Faulraum zu den drei Tauchrührwerken.
Allerdings zeigte sich, dass die Verweildauer des Gärsubstrates deutlich zu kurz war, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. Zudem wollte das Unternehmen, das von Björn Förster geleitet wird, von der Getreidefütterung weg und zur reinen Reststoffvergärung hinkommen.
Darüber hinaus erkannten die Schliebener früh die Bedeutung der Flexibilisierung für eine Biogaserzeugung ohne EEG-Vergütung. Daher errichteten sie 2014 zuerst eine weitere Biogasanlage am Standort Wehrhain und achten dabei auf ein System, das die flexible Fahrweise garantiert.
2019 wurde dann die Kolochauer Anlage auf dasselbe System umgestellt und der Fermenter entsprechend umgerüstet. Zudem baute man zwei neue Gärproduktlager mit je 9.000 m³ Fassungsvermögen. Alle drei Behälter bekamen Tragluftdächer aus drei Folien, die das Gasspeichervolumen auf 18.000 m³ erhöhten.
Mit den neuen BHKW-Motoren stieg die Leistung der EEG-2009er-Anlage um 1.203 auf 1.493 kWel, was einer dreifachen Überbauung gleichkommt, und – im Zusammenspiel mit dem neuen 500 m³ Wärmespeicher – problemlosen Flexbetrieb gestattet.
Ein Turm voller Wasser
Der 7 m breite und 14 m hohe Wärmespeicher, den die Firma Hans van Bebber errichtete, arbeitet drucklos als offenes System, ist aber nicht bis ganz oben hin gefüllt. Rund 0,75 m unter dem Speicherdach endet der Wasserstand und Stickstoff füllt diesen Raum, um Korrosion zu verhindern.
Physikalisch bedingt schwankt der Füllstand je nach Wassertemperatur. Wenn sich das Speichermedium erwärmt, wird Stickstoff an die Außenluft abgegeben. Kühlt es sich ab, wird ihr wieder Stickstoff entzogen. „Ohne den Wärmepuffer wäre der Flexbetrieb nicht möglich“, erläutert der 39-jährige Unternehmensleiter die Investition von 300.000 Euro. 40 Prozent davon wurden gefördert. Ergänzt wird die Kolochauer Anlage durch eine Trocknungsanlage für Getreidekörner, Luzerne und Hackschnitzel. Insgesamt kostete die Flexibilisierung rund 2,5 Mio. Euro.
Die Biogasanlage in Wehrhain ging 2014 mit 740 kWel ans Netz und wird nach dem EEG 2012 vergütet. Sie besteht ebenfalls aus drei Behältern, zwei mit jeweils 5.000 m³ Rauminhalt und einer mit 6.800 m³ Substratvolumen und ca. 18.000 m³ Biogasspeicher. 2020 wurde auch hier weiter flexibilisiert und zu den bestehenden zwei BHKW ein weiteres BHKW installiert. Insgesamt stehen nun in Wehrhain damit 1.495 kWel zur Verfügung.
Biogasanlage die „Biotonne der Agrarbetriebe“
Da an diesem Standort kein Wärmespeicher vorhanden ist, läuft einer der drei BHKW-Motoren im Dauerbetrieb und die Abwärme wird in einer Containertrocknung für Brennholzscheite als Dienstleistung für einen Nachbarbetrieb genutzt. Da die Agrarbetriebe in Wehrhain ihre Jungrinder aufziehen, fällt dort viel Rindermist an. Die Biogasanlage besitzt aber die passende Annahmetechnik und wurde auch schon mal als „Biotonne der Agrarbetriebe“ bezeichnet, denn in ihr werden neben Gülle, Restfutter und Siloabdeckung auch Mist oder Grünschnitt vergärt.
Besonders ist auch der Umgang mit den Gärprodukten. Neben der Anlage befindet sich eine Reststoffseparation. Sie sorgt für Biogasgülle mit hervorragenden Fließeigenschaften, was die Gülleverschlauchung ermöglicht. Der organische Dünger wird bis zu 2,5 km weit aus der Anlage direkt aufs Feld gepumpt. Die feste Fraktion nutzen die Landwirte zum Humusaufbau auf schwächeren Ackerstandorten.
Systemwechsel sorgte für Erfolg
Was vorhin nur kurz erwähnt wurde, aber wesentlich für den Erfolg der Biogaserzeugung im Agrarverbund ist, war der Wechsel ein neues Anlagensystem. „Wir nutzen in Kolochau wie in Wehrhain das Sauter-System und haben daher keine Technik mehr in den Fermentern, die gewartet werden muss oder viel Strom verbraucht“, erklärt Nico Röder. „Beregnen statt rühren ist das Grundprinzip dieses Systems, und wir sind sehr zufrieden damit.“
Der gebürtige Herzberger ist für die Energiesparte im Verbund verantwortlich und begleitete den Umbau in Kolochau und den Neubau in Werhain von Anfang an. Mit den beiden Ausbildungsberufen Landwirtschaftsmeister und Hochbautechniker brachte er dazu die besten Voraussetzungen mit, als er in der Umbauphase ins Unternehmen kam. „Ich habe mir meine Arbeitsstätte praktisch selbst errichtet, kenne jedes Rohr und jedes Kabel“, so der sympathische 45-Jährige. Daher finde er es sehr bedauerlich, dass es den „Biogasanlagenfahrer“ noch immer nicht als Ausbildungsberuf gibt.
Wie das Anlagensystem funktioniert
Das Anlagensystem erklärt er wie folgt: Für den Substrateintrag sorgt eine Schneckenpumpe. Der Fermenterinhalt wird über eine zweite Pumpe, eine Kreiselpumpe, bewegt. Mit ihrer Hilfe beregnen gesteuerte Düsen nach dem Prinzip eines Schlagregners die Fermenteroberfläche mit Substrat, das zuvor unten aus dem Behälter entnommen und über einen Wärmetauscher auf 42 °C erwärmt wurde.
Die Heizenergie wird im Wärmespeicher vorgehalten. Bei der Umwälzung wird der Fermenter jedoch nicht vollständig durchmischt und die verschiedenen Gärprozesse laufen in unterschiedlichen Zonen ab. Anhand der Beregnungsintensität der einzelnen Bereiche kann die Vergärung gesteuert werden. Die Verweilzeit der Substrate beträgt an beiden Anlagen deutlich über 150 Tage.
Mit insgesamt 30.000 m³ gasdichtes Endlagervolumen und weiteren 16.000 m³ in Lagunen, verfügen sie über neun Monate Puffer. Das Gasspeichervolumen kann 48 Stunden BHKW-Stillstand überbrücken. Ihren Biogasstrom verkaufen die Schliebener über einen Direktvermarkter, die enviaM. Die BHKW-Motoren laufen von 7 bis 12 und von 17 bis 22 Uhr. So kommen sie in Kolochau auf 25 und in Wehrhain auf 22,3 ct/kWh.
Die Flexfahrpläne für beide Anlagen sind zum einen auf den Netzbetreiber und zum anderen auf die Technik abgestimmt. So kann bei Bedarf die Leistung umgehend hochgefahren werden. Aber Biogasprofi Röder behält immer die Kontrolle über das System. Dank des Anlagenbauers verfügt er über ein spezielles Steuerungsprogramm. So fahren sie beispielsweise im Winter wärmeorientiert und im Sommer substratsparend.
Treibhausgase einsparen
„Wir haben beide Biogasanlagen klar in die Zukunft gebaut“, erläutert Geschäftsführer Förster ihre Herangehensweise. Die zu kurze Verweildauer in Kolochau habe die ursprüngliche Anlage unrentabel gemacht. Zudem hätten politischen Entscheidungen keine Perspektive gelassen. Auch können sie im Pflanzenbau nun schon seit Jahren auf den Einsatz mineralischer Dünger verzichten. „So eine Biogasanlage, muss auch ohne EEG-Vergütung Sinn machen.“
So sei die Investition in den Wärmetauscher rein rechnerisch gesehen ein Nullsummenspiel. Aber für die Agrarbetriebe zähle auch der hundertprozentige Reststoffeinsatz, die zusätzliche Güllelagerkapazität, der Ersatz von Mineraldüngern und die Verringerung der betrieblichen Treibhausgasemissionen.
Für Letzteres kann er handfeste Zahlen vorweisen, die ihm Biogasberater Gerd Hampel errechnet hat: Die Anlage in Kolochau spart mit Biogasstrom und -wärme jährlich 3.869 t CO₂eq und die in Wehrhain sogar 6.423 t CO₂eq. Das entspricht 872 „klimaneutralen Bürgern“ oder 226 „klimaneutralen Flügen“ nach New York oder 4.117 „klimaneutralen Pkw“ (Mittelklasse und 12.000 km). Beeindruckende Werte, die zeigen, dass Björn Förster und seine Kollegen auch an RED II und die CO₂-Zertifizierung denken. Und sie untermauern die eingangs aufgestellte These: Die Agrarbetriebe Schliebener Land haben einen Plan, offensichtlich einen guten.