Aufbereitung: Wie aus Gärresten Energie und Dünger werden
Als Milchviehhalter und Biogas-Produzent im Vogtland (Sachsen) hat die Agrar GmbH Reichenbach in eine Gärrest-Aufbereitung investiert, um an anderer Stelle zu sparen. Wie die Technik funktioniert und welche Voraussetzungen nötig sind.
Von Silvia Kölbel
Die Agrar GmbH Reichenbach hatte gleich mehrere Gründe, um im letzten Jahr ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und in eine Gärrestaufbereitung zu investieren. Da waren zum einen die rund 72.000 m 3 Gülle und Gärreste, die im Laufe eines Jahres in dem Betrieb im Vogtland anfallen und über den Winter gelagert werden müssen. Nicht zu vergessen die bis zu 4.000 Düngefahrten, die jährlich anfallen, um den Wirtschaftsdünger später auf die Felder zu bekommen.
Gärrest-Aufbereitung: Rund 3 Millionen Euro für „Weltec-Kumac“
Zum anderen naht für sie das Ende der EEG-Einspeisevergütung für den Biogasstrom. Sie läuft 2027 aus. Verschärfend hinzu kamen die mittlerweile relativ häufigen Starkniederschläge, die urplötzlich große Mengen Sickerwasser an den Fahrsilos entstehen lassen. All das ließ den erfolgreichen Landwirtschaftsbetrieb nach einer passenden technischen Lösung suchen. Die Entscheidung fiel auf eine Gülleaufbereitungsanlage vom Typ „Weltec-Kumac“. Kostenpunkt der Investition: rund 3 Mio. Euro (inklusive der nötigen Infrastruktur wie Gebäude, Lagerbehälter, Leitungen und Pumpen).
Der Betrieb erhielt dafür Fördergelder in Höhe von 800.000 Euro. Da dieses energieintensive System etwa 12 kWh Strom für die Aufbereitung eines Kubikmeters Biomasse benötigt und dabei für 1,70 Euro Strom (bei Stromkosten von 14 ct/kWh) verbraucht wird, rechnet sich diese Investition nur für Betriebe mit einer günstigen Eigenstromversorgung. Das ist bei der Agrar GmbH, die ihren kompletten Strombedarf aus Biogas und Photovoltaik deckt und auch noch ins Netz einspeist, der Fall.
Bildergalerie: Gärrest-Aufbereitung in der Agrar GmbH Reichenbach
Biogas: Energieerzeugung als Betriebszweig
Der Betrieb speist in Rotschau, am Standort der Milchviehanlage, mit seiner 845-kW-Biogasanlage täglich 12.000 kWh Strom ins öffentliche Netz. Auch dank der PV-
Module auf den Stalldächern hat sich die Energieerzeugung im Unternehmen längst zu einem eigenen Betriebszweig entwickelt, denn die Biogasanlage gibt über ein Nahwärmenetz zudem bis zu 500 kW Wärmeleistung an kleine Abnehmer sowie an den Standort der ehemaligen Paracelsus-Klinik Reichenbach ab.
Wichtigster Geschäftsbereich der Anlage aber ist die Biogaslieferung über eine 3,2 km lange Rohbiogasleitung an das Heizwerk der Stadtwerke Reichenbach. Diese nutzen es in zwei Blockheizkraftwerken zur Grundlastversorgung von Wohnungen und sozialen Einrichtungen. Rund 4.000 Haushalte können damit versorgt werden. Als Berechnungsgrundlage dient der in Reichenbach ermittelte Pro-Kopf-Verbrauch pro Haushalt und Jahr von 1.800 kWh.
Umfangreiches Genehmigungsverfahren
Wie die neue Gülleaufbereitungsanlage die betrieblichen Abläufe beeinflussen wird, konnten sich im Vorfeld der Inbetriebnahme Teilnehmer eines Biogas-Praxistages anschauen. Organisiert hatten diesen das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaats und das Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig. Dabei erfuhren sie von der Betriebsleitung der Agrar GmbH interessante Details: So lagen zwischen Planung und Realisierung der Anlage drei Jahre. Einer der Schwerpunkte des umfangreichen Genehmigungsverfahrens sei der Erhalt einer unbefristeten wasserrechtlichen Genehmigung zur Einleitung des Klarwassers in den Vorfluter gewesen, erklärte beispielsweise Geschäftsführer Lars Bittermann.
Gülle-aufbereitungsanlage: Das sind die Vorteile
Der Firmenchef rechnet mit der jährlichen Einsparung von rund 30.000 l Diesel durch wegfallende Fahrten und damit verbunden entspanntere Arbeitsabläufe. Gespart werde auch durch den Wegfall des Baus zusätzlicher Güllelager, die wegen der geforderten längeren Lagerdauer notwendig gewesen wären.
Nicht zuletzt geht Bittermann auch von einer starken Reduzierung der Mineraldüngeraufwendungen aus. „Wir müssen aber erst Erfahrungen sammeln, um die Düngewirkung des flüssigen und des festen Gärproduktes abschätzen zu können. Die Inhaltsstoffe des festen Düngeproduktes mit einem Trockensubstanzgehalt von 30 Prozent mit einer kompostähnlichen Konsistenz liegen bei jeweils fünf Kilogramm Stickstoff, Phosphor und Kalium je Kubikmeter Substrat und zehn Kilogramm Kalzium. Damit handelt es sich um einen hochwertigen Universaldünger“, erklärte der Betriebsleiter. Der Flüssigdünger enthalte bei 3 % Trockensubstanz 5 kg K und 7 kg N/m 3 , wobei
davon 5 kg als Ammonium gebunden sind. Der geringe Trockensubtanzgehalt verhindere die Bildung einer Schwimmschicht auf dem Güllelager.
Wirtschaftsdünger für den Eigenbedarf
Ihren seit mehreren Jahren im Einsatz befindlichen Gülletruck Vredo mit 9 m Arbeitsbreite wolle die Agrar GmbH demnächst durch ein schlagkräftigeres Modell mit 27 m Arbeitsbreite des gleichen Herstellers ersetzen, kündigt der Geschäftsführer an. Das feste Gärprodukt bringt die Agrar GmbH mit einem exakt arbeitenden Tellerstreuer aus.
Für die Gülleaufbereitungsanlage errichtete der Landwirtschaftsbetrieb im letzten Jahr eine neue Halle unweit der Biogasanlage. Sie bietet mit 54 x 18 m doppelt so viel Platz, wie die Technik benötigt, denn in ihr soll auch das getrocknete Gärprodukt gelagert werden. Zurzeit sei geplant, diesen Wirtschaftsdünger nur auf den eigenen Feldern auszubringen. Eine Vermarktung an Kompostkunden oder extra verpackt an Baumärkte sei aber denkbar, schaute Bittermann in die Zukunft.
Gärrest-Aufbereitung: So funktioniert es
„Im ersten Schritt der Gülle- und Gärrest-Aufbereitung werden den Ausgangsmaterialien Flockungsmittel beigemischt. Durch die Zugabe dieser Additive flocken die feinsten Bestandteile aus und lassen sich leichter vom Wasser abscheiden. Gleichzeitig sorgen sie für eine Minderung der Geruchsemissionen“, erklärt Lars Bittermann.
Bei der Aufbereitung der Gülle trennt in einem ersten Arbeitsschritt eine Siebbandpresse flüssige und feste Bestandteile voneinander. Der feste Teil kommt in die Lagerhalle. Der flüssige Teil, auch Rohwasser genannt, durchläuft weitere Verarbeitungsstufen, an deren Ende Klarwasser und Flüssigdünger entstehen. Dieser
technologische Prozess entzieht dem Ausgangsprodukt zwischen 52 und 55 % der Flüssigkeit. Das Klarwasser kann später über ein Regenüberlaufbecken in den Vorfluter abgegeben oder als Brauchwasser für Spül- und Reinigungszwecke dem Stall wieder zugeführt werden. Eine Verwendung als Tränkwasser sei derzeit jedoch nicht erlaubt.
Um das Klarwasser vom Rohwasser zu trennen, laufe eine sogenannte Umkehrosmose ab, präzisiert der Vogtländer dann noch einmal seine Ausführungen zum Prozessablauf: „Das ist ein Aufbereitungsverfahren, das speziell dafür entwickelt wurde, Abwasser zu reinigen. Durch Druckerhöhung auf den Rohwasserteil werden Wassermoleküle durch eine feine Membran Richtung Klarwasser gedrückt. Die Mikronährstoffe verbleiben im Rohwasser und sind Bestandteil des Flüssigdüngers“, erklärt er. Die Anlage könne bis zu 200 m 3 Gärreste pro Tag aufarbeiten. Anfänglich sei geplant, 100 m 3 Gülle pro Tag aufzubereiten und dann die Auslastung allmählich zu steigern.
Bau von Anlagen – Förderung ist möglich
Vor rund vier Wochen war es nun so weit: Die Gärrest-Aufbereitung wurde erfolgreich in Betrieb genommen. „Damit schließt sich jetzt ein effizienter Stoffstromkreislauf und die einzelnen Bereiche ihres Portfolios greifen nun perfekt ineinander“, erklärt zu diesem Anlass Geschäftsführer Bittermann gegenüber der Presse. „Beginnend vom Anbau der Futterpflanzen über die Milchviehhaltung bis hin zur Verwertung der Gülle in der Biogasanlage und schlussendlich den Gärresten, die wieder zu Dünger und Wasser aufbereitet werden, finden alle Bestandteile ihren Platz.“
Die Aufbereitung laufe nun nahezu vollautomatisch, wodurch der Personalaufwand sehr gering sei. Und Nico Sudbrink, der verantwortliche Prozessingenieur des Anlagenherstellers ergänzte: „Betreiber, die sich zur Errichtung eines solchen Systems entschließen, können dafür eine Förderung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums erhalten.“
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