Windräder in der Kritik

Windkraftanlage: Argumente gegen die erneuerbare Energie

Windräder gehören mittlerweile vielerorts zum Landschaftsbild dazu. Doch immer wieder werden die Anlagen kritisiert. (c) Sabine Rübensaat
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Windkraftanlagen sind nicht unumstritten und ihre Kritiker nennen zahlreiche Argumente gegen Windräder. Die Bauernzeitung hat den Energieexperten Prof. Volker Quaschning gefragt, was er auf sie entgegnen kann.

Das Interview führte Christoph Feyer

Windkraftanlagen unterstützen das Artensterben, sorgen für massive Rodungen im Wald oder machen durch den erzeugten Infraschall krank. Diese und viele weitere Argumente hat jeder schonmal gehört. Aber wie viel ist an der Kritik dran und wie viele Windkraftanlagen müssen in Deutschland für die Energiewende gebaut werden? Energieexperten Prof. Volker Quaschning gibt auf diese Fragen Antwort.

Klimakrise mit Windenergie stoppen?

Herr Professor Quaschning, Sie vertreten die Meinung, dass Windenergiegewinnung die Technologie ist, mit der Deutschland die Klimakrise am besten stoppen kann. Warum?

Der Grund ist: Wir haben in Deutschland jedes Jahr einen Winter. Die Solarenergie ist zwar die billigste und beste Energieform. Funktioniert bei uns aber nur im Sommer richtig gut. Im Winter reicht die Sonnenstrahlung jedoch nicht aus, um uns über den Winter zu bringen. Deshalb brauchen wir einen starken Partner für die Photovoltaik und das ist die Windenergie. Andere Alternativen wie Wasserkraft oder Biomasse reichen nicht aus. Da haben wir in Deutschland nicht genügend Potenziale, um die Winterlücke zu schließen.

Ein einzelnes Windrad im Wald
„Wenn wir alle Windkraftanlagen, die wir für die Energiewende bräuchten, in den Wald stellen würden …, dann würden wir weniger als ein Prozent der Waldfläche verlieren“, so Prof. Volker Quaschning. (c) Sabine Rübensaat

Waldrodung für die erneuerbaren Energien?

Ein stark diskutiertes Thema sind Windkraftanlagen im Wald. Viele befürchten, dass dafür ganze Wälder gerodet oder zubetoniert werden müssen. Ist das so?

Also richtig ist, dass, wenn man eine Windkraftanlage im Wald aufbaut, man dort einige Bäume fällen muss. Nur das hält sich sehr stark in Grenzen. Man muss die Kranfläche und die Aufbaufläche entsprechend vorbereiten. Das sind aber vergleichsweise wenige Bäume. Man muss die Zuwege entsprechend einschottern und auf drei Meter verbreitern. Da werden aber meist schon vorhandene forstwirtschaftliche Wege verwendet.

Wir haben das mal überschlagen: Wenn wir alle Windkraftanlagen, die wir für die Energiewende bräuchten, in den Wald stellen würden – was wir ja gar nicht machen –, dann würden wir weniger als ein Prozent der Waldfläche verlieren. In Realität soll aber nur ein Bruchteil der Windräder im Wald stehen. Das heißt, die Belastung für den Wald ist vergleichsweise gering.

Denn wenn man bedenkt, was durch die Klimakrise gerade mit den Bäumen passiert – wir haben in den letzten Jahren Waldflächen in der Größe des Saarlandes verloren –, dann sollte man durch die Energiewende wirklich versuchen, das zumindestens einmal aufzuhalten. Die Waldverluste durch die Klimakrise bewegen sich in ganz andere Dimensionen.

Vögel und Fledermäuse durch Windrad bedroht?

Ein weiteres Argument, das gegen die Windräder spricht, sind Vogelschläge. Von den Windkraftgegnern wird da immer wieder der Rotmilan angeführt. Sind Windräder wirklich so gefährlich für Vögel?

Ja, Vögel sterben an Windkraftanlagen – genauso wie an Fensterscheiben, an Autos, an Hochspannungsleitungen oder an Kühltürmen von Kraftwerken. Überall, wo irgendetwas im Weg steht, können natürlich Vögel dagegen fliegen. Das kann man nicht wegdiskutieren. Im Vergleich allerdings zu Fensterscheiben oder zum Straßenverkehr ist das, was wir an Vogelschlag bei Windkraftanlagen erleben, relativ wenig.

Und beim Rotmilan gibt es Studien, die zeigen, dass sich in Gebieten, wo früher keine Windkraftanlagen waren und dann eine größere Anzahl aufgebaut wurde, die Rotmilanpopulation gut entwickelt hat. Ein Absinken konnte nicht nachgewiesen werden.

Das heißt also: Ja, es gibt einzelne Vögel, die werden von den Flügeln der Windkraftanlagen wirklich getroffen, aber insgesamt hat das keine Auswirkungen auf deren Population.

Ein Windrad auf einer Wiesenfläche.
Nur mit mehr Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien wird Deutschland die internationalen Klimaschutzabkommen einhalten können. Deshalb forciert die Bundesregierung den Ausbau der Windenergieanlagen. (c) Winterseitler/PIXABAY

Und wie sieht es bei den Fledermäusen aus?

Fledermäuse können natürlich auch von Windkraftanlagen getroffen werden. Oder wenn sie sehr nah an ihnen vorbeifliegen, können sie auch Schaden nehmen. Aber das Gleiche gilt natürlich auch wieder für andere Sachen. Hochspannungsleitungen sind für Fledermäuse ebenfalls hochgefährlich. Aber keiner würde sagen: Wir dürfen jetzt keine Stromnetze mehr haben. Man muss also auch hier alles in Relation sehen. Die Zahl der Fledermäuse, die durch Windkraftanlagen getötet werden, ist viel kleiner als jene, die andere Ursachen hat, über die wir aber nicht diskutieren.

Hat der Infraschall von Windrädern gesundheitliche Auswirkungen?

Was können Sie zum Thema Lärm und Infraschall von Windrädern sagen?

Windkraftanlagen senden Infraschall aus. Das ist Schall, dessen Frequenz unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs, also unterhalb von
16 Hz liegt. Aber das machen andere Sachen auch – Autos zum Beispiel und andere technische Anlagen. Im Vergleich dazu ist der Infraschall, den die Windkraftanlage verursacht, relativ wenig. Bei einer Autofahrt bekomme ich mehr Infraschall ab, als wenn ich mich zehn Jahre vor eine Windkraftanlage stelle. Insofern ja, es gibt sehr viele Mythen.

Wissenschaftlich kann man aber ganz klar sagen, das, was an Infraschall von Windkraftanlagen ausgeht, ist ungefährlich. Und wer das nicht glaubt, der dürfte auch nicht ins Auto einsteigen, denn da ist die Infraschallbelastung im Innenraum erheblich größer als vor Windkraftanlagen.

Mehrere Windräder in einer Waldfläche.
Pro Windenergieanlage wird rund ein Hektar im Wald für den Bau gerodet und später teilweise wieder aufgeforstet. (c) Mario Eppinger/PIXABAY

Diskoeffekt durch Schlagschatten

Neben der Lärmbelästigung werden immer wieder auch Schlagschatten und der sogenannte Diskoeffekt für Krankheiten verantwortlich gemacht. Wie gesundheitsschädlich sind Windräder am Ortsrand?

Es gibt bei der Genehmigung für Windkraftanlagen ganz klare Vorgaben, die besagen, dass man den Schlagschatten auf wenige Stunden im Jahr begrenzen muss. Das muss bei der Projektierung durchgerechnet und nachgewiesen werden. Wenn eine Windkraftanlage danach aufgebaut wird, wird es in ihrer Nähe keine Häuser geben, die täglich drei Stunden lang Schlagstatten ausgesetzt sind. Das wird im Jahr höchstens wenige Stunden der Fall sein – und auch das nur theoretisch. Denn damit es Schlagschatten gibt, muss die Sonne auch scheinen. Dann darf es nicht bewölkt sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Man kann es nie ausschließen, dass Schlagschatten auftreten. Und wenn die Sonne extrem flach steht, dann kann der Schatten der Windkraftanlage auch viele Kilometer weit reichen: Aber er ist dann auch sehr schnell durchgezogen. Das heißt: es gibt Schlagschatten, aber durch die Vorgaben im Genehmigungsverfahren wird er auf sehr, sehr wenige Stunden im Jahr begrenzt. Und das ist in der Regel auch akzeptabel.

Ein Porträtfoto unseres Interviewpartners Prof. Quaschning.
Prof. Dr. Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. (c) Cornelia Quaschning

Veränderung der Landschaft: Wahl zwischen Wind und Kohle

Was viele auch stört, sind die Veränderungen des Landschaftsbildes, die durch die neuen Windparks entsteht. Wie ordnen Sie dieses Argument ein?

Ich kann dieses Argument nachvollziehen, aber man muss bedenken, das Landschaftsbild verändert sich ja noch viel mehr, wenn wir keine Windkraftanlagen bauen. Alle brauchen Strom und der muss ja irgendwo herkommen. Wird er weiterhin aus Braunkohle erzeugt, muss man bedenken, dass dort, wo Tagebau betrieben wird, dafür riesige Löcher in die Landschaft gerissen werden. Da verändert sich das Landschaftsbild also wesentlich mehr.

Das heißt, wenn ich keine Windkraftanlage haben will, akzeptiere ich, dass anderswo Dörfer weggerissen werden, damit ich Strom bekomme. Zudem gilt auch hier: Die Klimakrise verändert das Landschaftsbild ebenfalls. Wenn wir eine Erwärmung von drei bis vier Grad haben, dann bekommen wir in Deutschland massivste Probleme in der Landwirtschaft. Auch der Wald wird dann nicht überlebensfähig sein.

Das Voranschreiten der Klimakrise wird im Gegensatz zu den vergleichsweise kleinen Veränderungen des Landschaftsbildes durch die Windkraft verheerende Schneisen in die Landschaft schlagen. Darum sind die Windkraftanlagen in der Landschaft – selbst man sie nicht schön findet –, das mit Abstand kleinere Übel.

Eine Ackerfläche die von einem Traktor bearbeitet wird. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.
Der Flächenverbrauch von Windkraftanlagen hält sich in Grenzen. Um Deutschland sicher zu versorgen, werden nur 2 % der Landesflächen benötigt. (c) Sabine Rübensaat

2 % der Landesfläche für Windkraft

Abschließend möchte ich Sie noch fragen, wie können wir in Deutschland eine sichere und klimaneutrale Energieversorgung installieren und wie viele Windkrafträder müssten sich dafür in Deutschland drehen?

Eine sichere Energieversorgung basiert auf verschiedenen erneuerbaren Energien, die miteinander kombiniert werden müssen. Da gibt es zum einen die Biomasse und Wasserkraft, die – wie ich schon gesagt habe – begrenzt sind und nur eine kleine Menge zur Energieversorgung beitragen können. Den größten Teile werden die Solar- und die Windenergie liefern. Da diese jedoch Schwankungen unterliegen, brauchen wir auch noch Stromspeicher.

Das alles muss sinnvoll miteinander kombiniert werden. Und wenn man das richtig aufbaut, haben wir eine sichere, bezahlbare und zukunftsfähige Energieversorgung aus erneuerbaren Energien. Dazu wird man aber auch nur eine begrenzte Anzahl an Windkraftanlagen bauen können. Es müssen ja die gesetzlichen Abstände zu Gebäuden und Orten und so weiter eingehalten werden. Auch bei einer Energiewende sind Lärm und Schlagschatten durch Windkraftanlagen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben zu begrenzen.

Zudem ist nicht jeder Standort für Windräder geeignet, denn es muss dort auch genügend Wind wehen. Nimmt man das alles zusammen, bleiben ungefähr zwei Prozent der Landesfläche übrig, auf der man Windkraftanlagen aufbauen kann. Wir gehen deshalb davon aus, dass wir noch ungefähr 40.000 Windräder errichten können. Und das ist auch das, was wir an Land für die Energiewende brauchen.

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Viele Landwirte fragen sich, was sie beachten müssen, wenn sie einen Vertrag zu erneuerbaren Energien unterschreiben wollen. (Symbolbild) (c) nmann77/stock.adobe.com

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