Nebenerwerbslandwirtschaft

Galloway-Rinder: Keine Nebensache

Ihre Rinder suchen Sandra und Raimund Schäfer täglich zweimal auf der Weide auf. © Karsten Bär
Agrarpraxis
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Im sächsischen Bärwalde stehen die Galloway-Rinder der Familie Schäfer ihr ganzes Leben auf der Weide. Das Tierwohl und die hohe Qualität des selbstvermarkteten Fleisches sind wichtige Kriterien für die Kunden.

Zeit für die Arbeit im Landwirtschaftsbetrieb ist meist nur am Wochenende. „Dann aber intensiv“, sagt Raimund Schäfer. Er ist im Hauptberuf in einem Maschinenbauunternehmen tätig, seine Frau Sandra ist Kartographin. Ihre Gallowayrinder halten Schäfers, die im Radeburger Ortsteil Bärwalde bei Dresden leben, im Nebenerwerb. Was nicht heißt, dass die Herde für sie Nebensache wäre. Mindestens zweimal täglich suchen sie ihre Rinder auf. Und dies nicht nur, um nach dem Rechten zu schauen, sondern auch, um die Tiere zahm und zutraulich zu halten. Denn das erleichtert den Umgang und die Arbeit mit ihnen – vor allem die stressfreie Tötung der Rinder auf der Weide.

Galloway-Rinder: Robust, hornlos und mit guter Fleischqualität

Mit zwei Rindern haben Schäfers im Jahr 2016 angefangen, in Bärwalde Landwirtschaft im Nebenerwerb zu betreiben. Raimund Schäfer ist mit und in der Landwirtschaft groß geworden. Er stammt aus Baden und kam Anfang der Neunzigerjahre nach Sachsen. Seine Frau und er selbst waren lange im Pferdesport aktiv. Im eigenen Landwirtschaftsbetrieb wollten sie statt Pferden jedoch Rinder halten. „Wir hatten Flächen, aber keinen Stall“, erzählt der Nebenerwerbslandwirt. Aus diesem Grund suchten sie nach einer robusten Rasse, die ganzjährig im Freien gehalten werden kann. Zudem sollte es eine hornlose Rasse mit guter Fleischqualität sein. Deshalb fiel die Wahl auf Galloways.

Grundlage für ihre Rinderhaltung liefern 20 ha Grünland. Teils ist es eigenes Land, teils sind es gepachtete Flächen oder solche, für die Nutzungs- oder Weideverträge abgeschlossen wurden. Das Land liegt recht verstreut, was seine Bewirtschaftung nicht eben einfach macht. „Wir streben kürzere Wege an“, gibt Raimund Schäfer zu verstehen. Die Flächen werden sowohl zur Beweidung als auch zur Mahd genutzt und gezielt verbessert. „Die Wiesen brauchen Pflege“, sagt er. Durch Nachsaat sollen Kräuter und Leguminosen im Pflanzenbestand vermehrt, der Ampfer dagegen herausgedrängt werden.

Galloway-Rinder fressen Heu auf der Weide
Die Jungfärsen stehen ebenso wie die Jungbullen auf einer eigenen Weide. Insgesamt umfasst der Bestand rund 30 Tiere. © Karsten Bär

Die Wintermonate verbringen die Tiere, jeweils getrennt nach Mutterkühen, Jungfärsen und Jungbullen, auf drei festen Winterweiden. Dort stehen ihnen Brunnen mit frostsicheren, beheizbaren Selbsttränken zur Verfügung. Um die Futterraufen sind Gummimatten ausgelegt, die das Verschlammen des Bodens verhindern. Nicht nur auf Ställe, auch auf jegliche Gebäude zur Lagerung des Futters verzichtet der Nebenerwerbsbetrieb. Die Heu- und Silageballen lagern unter Heuvlies im Freien.

Ziel ist, vor allem Galloway-Zuchttiere zu verkaufen

Der Bestand des Betriebes umfasst derzeit rund 30 Tiere, davon zehn Mutterkühe. „Für die Zucht nutzen wir ausschließlich Herdbuch- A-Tiere“, erklärt Raimund Schäfer. Der Verkauf von Zuchttieren soll der Schwerpunkt des Betriebes werden. Seit vier Jahren ist ein gekörter Deckbulle im Einsatz. „Die züchterischen Erfolge können sich sehen lassen“, ist der Halter überzeugt. Allerdings schlachtet der Betrieb derzeit noch mehr Tiere, als er verkauft. Zumal die Nachfrage nach dem Rindfleisch groß sei. Acht Rinder haben Schäfers in diesem Jahr geschlachtet, weitere vier als Zuchttiere verkauft.

Frostsichere Tränke für Galloway-Rinder
Brunnen mit frostsicheren Selbsttränken stellen auf den Winterweiden die Versorgung der Rinder mit Wasser sicher. © Karsten Bär

Für die Schlachtung werden die Rinder ausschließlich auf der Weide getötet. Die Tiere werden auf einem speziell dafür vorgesehenen Teil der Weide im Fangstand mit Bolzenschussgerät betäubt, anschließend mit dem Traktor hochgezogen und entblutet. Dass die Rinder in der Regel handzahm sind, zahlt sich hier aus. Die Tötung erfolgt stressfrei und im für die Tiere gewohnten Umfeld.

Genehmigung für Weideschuss erhalten

Dass Schäfers sich für diesen Weg entschieden haben, hat zum einen mit der Fleischqualität zu tun, die bei stressfreier Tötung wesentlich besser ist. Zum anderen aber sei es eine ethisch-moralische Frage, wie Raimund Schäfer betont. „Für unsere Tiere fühlen wir uns auch verantwortlich.“ Diese Haltung spiegelt sich im gesamten Betriebskonzept wider und war ein Grund für das erfolgreiche Abschneiden der Bärwalder Galloway- Zucht beim „Landeswettbewerb tiergerechte und umweltverträgliche Haltung 2019/20 in Sachsen“, bei dem Schäfers in diesem Jahr ausgezeichnet wurden.

Für den seltenen Fall, dass einzelne Rinder scheu bleiben oder Stressreaktionen im Fangstand zeigen, kann Raimund Schäfer auf die Möglichkeit des Weideschusses zurückgreifen, der von einem Hochsitz an der Weide aus vorgenommen wird. Er ist Jäger und verfügt somit über die nötige Sachkunde. 2019 hat er die Genehmigung für diese Methode der Tötung eingeholt, die für ganzjährig  im Freien gehaltene Rinder vom zuständigen Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt (LÜVA) erteilt werden kann. Sie gilt für drei Jahre, jedoch muss jeder einzelne Weideschuss bei der Behörde angemeldet werden. Es ist ein Weg, Stress bei der Tötung zu vermeiden. Doch auf der Weide zur Jagdwaffe greifen muss Schäfer selten. „Dieses Jahr ist bei uns kein Rind durch Schuss getötet worden“, sagt er.

Nach dem Betäuben und Entbluten – oder alternativ nach dem Weideschuss – wird das Tier in einen Schlachtbetrieb in Bauda bei Großenhain gebracht. Das muss den Vorschriften gemäß innerhalb von 60 Minuten erfolgen. Die Zerlegung des Schlachtkörpers übernimmt Raimund Schäfer später selbst. Hierzu hat er einen Zerlegeraum eingerichtet und zertifizieren lassen, in dem es die nötigen Kühlmöglichkeiten sowie Reifekammern für das Fleisch gibt.

Ein Rind schlachten die Schäfers immer erst, wenn sein Fleisch bereits über Vorbestellung so gut wie verkauft ist. Über das Internet oder persönliche Anschreiben erfahren die Kunden über anstehende Schlachtungen und können einzelne Stücke bestellen. Übrig bleibt selten etwas. Gerangel um die beste Stücke gibt es ebenfalls nicht. Dass einer immer nur Filet kauft, sei ausgeschlossen, versichern die Schäfers. Die Kundschaft sei fair zueinander.

Kunden schätzen Genuss – und Tierwohl

„Wir haben uns eine kleine Kunden- Community aufgebaut“, so Raimund Schäfer. Die Käufer kommen zum großen Teil aus dem nahen Dresden. Die Themen Qualität und Tierwohl spielten für sie eine große Rolle für den Einkauf; sie honorierten damit, dass die Rinder bei Schäfers ganzjährig auf der Weide leben, stressfrei geschlachtet werden und somit das Fleisch auch eine hohe Qualität aufweist. Als exklusiver Gastronomie- Kunde hat der Bärwalder Gasthof, ein Restaurant mit gehobener Küche, Fleisch von Schäfers Galloways auf der Karte. Doch auch im Ort selbst gibt es Kundschaft, die die Fleischqualität zu schätzen weiß.

Qualität hat ihren Preis. Aber auch das hat Grenzen. „Klar sind wir teurer als im Supermarkt“, räumt der Rinderhalter ein. „Aber längst nicht so teuer wie mancher Gourmetfleisch-Anbieter im Internet.“ Die Preisfindung folge nach wirtschaftlichen Erwägungen. Auch mancher eher preisbewusste Kunde gönne sich ab und an den Genuss. Ökonomisch sei der kleine Betrieb auf einem guten Weg. Und verkaufen könnten die Schäfers durchaus noch mehr. Vorstellbar sei daher auch weiteres Wachstum. Allerdings sind dem auch enge Grenzen gesetzt. „Das geht nur mit mehr Fläche“, sagt Raimund Schäfer. Und die ist schwer zu bekommen.

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