Neuer Schweinestall für „ein schönes Schweineleben“
In der Genießergenossenschaft Sachsen tragen Verbraucher als Miteigentümer zur Realisierung ihrer hohen Ansprüche an das Tierwohl in der Schweinehaltung bei. Vor wenigen Wochen begann der Bau des neuen Schweinestalls.
Viel Platz, Auslauf im Freien und eine deutlich längere Mastzeit: Im Schweinestall der Genießergenossenschaft Sachsen eG wird verwirklicht, was viele Verbraucher fordern. Hohe Tierwohlstandards sind ein wichtiger Aspekt der Schweinemastanlage, deren Bau Mitte März in Naundorf bei Rochlitz begonnen hat. Dass sich dieser Anspruch wirtschaftlich darstellen lässt, hat mit der besonderen Eigentümerstruktur der Genossenschaft zu tun. „Wir haben die Konsumenten zum Produzenten gemacht“, sagt Jan Gumpert, der sowohl Vorstandsvorsitzender der Genießergenossenschaft Sachsen eG als auch der Agraset Agrargenossenschaft eG Naundorf bei Rochlitz ist.
Neuer Schweinestall mit Stroh, künstlicher Suhle und Außenklimabereich
Der neu entstehende Schweinestall in der Genießergenossenschaft Sachsen wird Platz für 1760 Tiere bieten. Davon sind 440 Plätze für Ferkel mit einem Gewicht von acht bis 50 kg vorgesehen. „Die Ferkel kommen nach dem Absetzen von der Sau in das System“, erklärt Jan Gumpert. „Flatdeck und Vormast sind zusammengefasst.“ In der Endmast bis 150 kg Gewicht stehen den Tieren zeitweise bis zu 3,2 m² Fläche zur Verfügung. „Das Platzangebot geht weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus“, so der Vorstandsvorsitzende.
Dieser Platz wird auch gebraucht. Schließlich werden den Schweinen Aktivitäts- und Liegeflächen ebenso wie ein Fress- und ein Kotbereich angeboten. Eine künstliche Suhle ist vorgesehen, auch ein Außenklimabereich. Ihrem Wühldrang können die Tiere im Innenbereich nachgehen, in dem ausreichend Stroh ausgestreut werden soll. „Das wird deutlich mehr sein, als ein paar Halme, aber kein Tiefstreustall“, erklärt Gumpert. Denn gemistet werden soll aus hygienischen Gründen regelmäßig. Unterdrucklüftung, wie meist üblich, wird der Stall nicht haben. Die Lüftung erfolgt durch Öffnen der Jalousien an den Außenseiten des Stalls.
Schweinestall mit hofnaher und regionaler Schlachtkapazität
„Das genetisch vorhandene Potenzial, hohe Tageszunahmen zu erzielen, werden wir nicht ausschöpfen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Stattdessen sollen die Tiere langsam wachsen. So wird zum einen das Gewicht parallel zur Entwicklung des Fundamentes aufgebaut, zum anderen reift das Fleisch „am Knochen“, was auch der Qualität des Produktes guttun wird.
Zu guter Letzt erspart das Konzept der Genießergenossenschaft Sachsen eG den Tieren auch lange Transporte: Mit dem Schweinestall der Genießergenossenschaft Sachsen entsteht direkt vor Ort eine Schlachtstätte. Dort werden die Tiere nach Erreichen eines Gewichts von 150 bis 160 kg – und am Ende eines „schönen Schweinelebens“, wie Gumpert es ausdrückt –, geschlachtet und weiterverarbeitet. Die Genossenschaft ist eines von drei Projekten zum Aufbau hofnaher und regionaler Schlachtkapazitäten, die in Sachsen vom Agrarministerium gefördert werden.
Tierwohl, aber auch Arbeitserleichterung im Blick
Das Tierwohl ist die eine Seite. „Aber wir denken auch an die Menschen“, macht der Vorstandsvorsitzende deutlich. Wo es geht, werde man Technik einsetzen, um die Arbeit zu erleichtern. Und dass ein Facharbeiter für seine Arbeit auch ordentlich entlohnt werden müsse, sei auch klar.
Besonderheit bei der Fütterung: Die Schweine erhalten Leinschrot als Eiweißkomponente. Dies trägt nachweislich dazu bei, dass ihr Fleisch ernährungsphysiologisch erwünschte Omega-3-Fettsäuren enthält. „Das ist unser eigentliches Alleinstellungsmerkmal“, verdeutlicht Gumpert, der darauf verweist, dass das Futter weitgehend aus regionaler Produktion stammen wird.
„Omega-Schweine“: Bevorzugter Zugang für Genossenschaftsmitglieder
Tierwohl, Regionalität und der Geschmack handwerklich hergestellter Fleischprodukte haben freilich ihren Preis. Nach Gumperts Kalkulation werden die Erzeugungskosten mindestens etwa doppelt so hoch sein, wie die von herkömmlich gehaltenen Schweinen. Das wäre etwa das Kostenniveau von Bio-Schweinen. Dass sie den notwendigen höheren Endkundenpreis zu zahlen bereit sind, haben die rund 370 Mitglieder der Genießergenossenschaft deutlich gemacht, indem sie Anteile zeichneten.
700 Anteile zu je 1.000 Euro wurden ausgereicht. Voraussichtlich im Sommer 2023 werden die ersten Schweine geschlachtet – ab dann können die Genossenschaftsmitglieder Ware bestellen und über Verteilstationen in ganz Sachsen beziehen. Auch nicht an der Genießergenossenschaft Sachsen beteiligte Verbraucher sollen Fleisch der „Omega-Schweine“ kaufen können. Bevorzugten Zugang haben allerdings die Mitglieder.
Die Preiskalkulation werde transparent erfolgen, sagt Gumpert. Mitglieder der Genossenschaft erhalten eine 1,8-prozentige Verzinsung ihrer Anteile. Ob diese in Geld oder in Form von Fleischprodukten ausgezahlt werde, entscheide die Mitgliederversammlung, betont der Vorstandsvorsitzende. Und nicht nur in dieser Frage haben sie ein Mitspracherecht. Der Vorstandsvorsitzende hofft auf die „Schwarmintelligenz“, wenn die Mitglieder dieses Mitspracherecht nutzen und sich einbringen. „Es sind Menschen aus allen Schichten und Bereichen dabei, von deren vielfältigen Qualitäten auch die Genossenschaft profitieren kann“, meint er.
“Tierwohl (er-)kennen” auch auf der agra 2022
Tierwohl spielt als Fokusthema “Tierwohl (er-)kennen” auch auf der agra 2022 in Leipzig eine große Rolle. Auf einer eigens geschaffenen Aktionsfläche in Halle 4 werden die Besucher über Tierwohl und Tiergesundheit informiert. Kooperationspartner sind das sächsische Landwirtschaftsministerium, das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), der Sächsischen Landesbauernverband, das Netzwerk Fokus Tierwohl, die Klinik für Klauentiere der Universität Leipzig sowie die Zuchtverbände.