Nebenerwerbslandwirtschaft

„GreifenAcker“ statt Labor?

Salate vom „Greifenacker“ sind eine „kulinarische Sensation“, lobt Caterer Robert Müsebeck (r.). (c) Gerd Rinas
Agrarpraxis
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Mitten in Greifswald hat Diplombiologe Philipp Lutze seine Stadtgärtnerei „GreifenAcker“ eröffnet. Wenn seine Pläne aufgehen, könnte aus dem Nebenerwerb sogar mehr werden: Sein frisches Gemüse ist in der Hansestadt stark nachgefragt.

Von Gerd Rinas


„Trockenbohnen waren früher auf dem Lande ein Klassiker auf dem Speisezettel. Die Bohnen wurden in den Bauerngärten angebaut. Nach der Ernte legten sich die Leute einen Vorrat für den Winter an“, sagt Philipp Lutze. Bevor die Bohnen mit ihrem nussigen Geschmack Suppen und Salate verfeinerten, wurden sie über Nacht in Wasser gelegt. „Das Gemüse galt als gut sättigende Proteinnahrung“, berichtet mein Gegenüber.

„Greifenacker“: Schulgarten für Kinder und jugendliche

Philipp Lutze hat die Bohnen wiederentdeckt. Bei einem Saatguthandel in Österreich, der auch alte Sorten vertreibt, hat er sie im Angebot gefunden, bestellt und in den Boden gebracht. In den Beeten stehen auch schon Spaliere, an denen die Pflanzen hochranken sollen.

Wir sind auf dem „GreifenAcker“, in der Gärtnerei gleichen Namens von Philipp Lutze in Greifswald. Unweit vom Stadtzentrum, in einem ehemaligen Gewerbegebiet, hat Lutze vor gut drei Jahren eine 1,1 ha große Wiese gepachtet. „Ich hatte die Idee, im Nebenerwerb eine kleine Gärtnerei aufzubauen. Ohne großen Maschineneinsatz, als Gartenlehrstätte. Kinder und Jugendliche sollten hier wie in einem Schulgarten lernen können, wie man Obst und Gemüse anbaut“, sagt der aus Eberswalde stammende Lutze.

Das Team vom „Greifenacker“: Philipp Lutze, die Schwiegereltern Curt und Gisela Majunke, die Kinder Willi, Ivie, Ehefrau Stine und Sohn Otto.
Das Team vom „GreifenAcker“: Philipp Lutze, die Schwiegereltern Curt und Gisela Majunke, die Kinder Willi, Ivie, Ehefrau Stine und Sohn Otto. (c) Gerd Rinas

Mit diesem Anliegen hatte er sich an die Stadt Greifswald gewandt. Die hatte keine passende Fläche im Bestand, vermittelte ihn aber weiter an die katholische Kirchgemeinde und die Odebrecht-Stiftung. Als in deren Nachbarschaft der Vorpächter ein Wiesengrundstück zurückgab, war Lutze zur Stelle. Sein Konzept von einer Gärtnerei in der Stadt, zudem als Lehrstätte, fiel im Kirchgemeinderat auf fruchtbaren Boden: Nach dem Bewerbungsgespräch erhielt er einen Pachtvertrag über 15 Jahre. Weil die Fläche schon immer extensiv genutzt und keine Rote-Liste-Arten festgestellt worden waren, erließ die Stadt ihm die kostspielige Umweltkartierung. Zum Ausgleich pflanzte Lutze sechs große Obstbäume – und gärtnerte los.

Als promovierter Diplombiologe und Mitarbeiter am Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf verfügt der 43-Jährige über vielfältiges biologisches Wissen. Gärtnerische Kenntnisse musste er sich erarbeiten. Neben Fachbüchern waren das Internet und das Videoportal YouTube wichtige Quellen.

Viermal im jahr Ernten

Zunächst deckte er mehrere Hundert Quadratmeter Wiesenfläche mit Silofolie ab, um den Aufwuchs zu unterdrücken. Danach kam auf die künftigen Beete sogenanntes Bändchengewebe. Dahinein wurden Löcher gebrannt, in denen die Jungpflanzen in den Boden kommen. „Als erste Kulturen haben wir Erdbeeren und Pflücksalat angebaut, bei dem nur die äußeren Blätter geerntet werden, die wieder nachwachsen. Auf diese Weise kann jede Pflanze drei- bis viermal im Jahr beerntet werden“, erläutert Philipp Lutze.

Seitdem hat er sein Obst- und Gemüsesortiment stark erweitert: Neben Erdbeeren, Melonen und Kürbissen wachsen auf dem „GreifenAcker“ Gurken, Tomaten, Kohlrabi, Paprika, Radieschen, Knoblauch und eine große Anzahl verschiedener Schnittsalate.

Angebaut werden die Kulturen nach einem standardisierten System: „Alle Beete sind 10 Meter lang und 0,75 Meter breit. Auch die Löcher in dem Bändchengewebe, zum Beispiel vier Reihen Salat, sind standardisiert. Auf zehn Meter Salatbeet kommen 150 Pflanzen – das ist exakt der Inhalt einer Jungpflanzenkiste“, erläutert Lutze, für den das System sehr effektiv ist.

Hatte er zunächst fast alle Salatpflanzen selbst angezogen, kauft er nun einen Teil von der Bio-Gärtnerei Watzkendorf zu. „So ist es effizienter. In der Qualität bleiben bei den Jungpflanzen aus Watzkendorf keine Wünsche offen.“

Eine kulinarische sensation

Zweimal in der Woche kommen Schüler aus der Greifswalder Martinschule in die Gärtnerei. Philipp Lutze zeigt ihnen, wie ein Garten angelegt und bewirtschaftet wird. Seit dem vorigen Jahr hat die Gärtnerei deutlich an Kontur gewonnen. Nun stehen vier Folientunnel, davon zwei jeweils 30 m lang, zur Verfügung. Aufgebaut hat Lutze sie mit seinem Schwiegervater Curt Majunke, der ebenso wie Schwiegermutter Gisela Majunke auf dem Betrieb mehrmals in der Woche mit anpackt. „Mit den Folientunneln haben sich die Bedingungen für das Verfrühen der Kulturen sehr verbessert“, freut sich Lutze. Das Land Mecklenburg-Vorpommern förderte den Kauf mit 8.000 Euro aus dem Vorpommern-Fonds.

Seit Gründung seines Nebenerwerbsbetriebes hat Philipp Lutze etwa 40.000 Euro eigenes Geld investiert, unter anderem in einen Übersee-Container, den er als Lager und Kühlkammer nutzt. Bisher hat der Nebenerwerbslandwirt, der auch Mitglied im Bauernverband Ostvorpommern ist, jedes Jahr mit einem Gewinn abgeschlossen.

Der Hauptgrund dafür: Lutze vermarktet einen erheblichen Teil seiner Produkte an einen regionalen Caterer, der neben Kitas und Schulen auch das Max-Planck-Institut in Greifswald mit Mittagessen beliefert.

Robert Müsebeck, Chef der Cateringfirma mit 14 Mitarbeitern, ist von den Produkten vom „GreifenAcker“ begeistert. Immer wieder ermuntert er Philipp Lutze, die Produktion aufzustocken. Auch in seinem Bistro am Greifswalder Markt bietet Müsebeck vorzugsweise Gerichte an, die mit Produkten aus der Region zubereitet werden. „Wenn ich Salat ordere, kommt er vom ‚GreifenAcker‘. Das ist eine kulinarische Sensation“, lobt der Caterer, der regionalen Produzenten eine große Zukunft vorhersagt: „Corona war ein Tiefschlag für Restaurants und Gemeinschaftsverpfleger. Aber der Trend zur regionalen Küche ist ungebrochen. Die Stadt Greifswald gehört zu den Vorreitern. Davon kann auch der ,GreifenAcker‘ profitieren.“

Philipp Lutze könnte sich vorstellen, vom Labor ganz in die Gärtnerei zu wechseln. „Bisher nutzen wir noch nicht einmal die Hälfte der Pachtfläche. Da ist noch viel Platz, um zu wachsen.“