Reportage

„Heu-Heinrich“: Ein irrer Duft von frischem Heu…

Heinrich Meusel kann dort zwar nicht Stroh zu Gold spinnen, aber Heu in feine Futterhäppchen und entspannende Wohlfühlprodukte verwandeln. (c) Birgitt Schunk
Agrarpraxis
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Ein irrer Duft von frischem Heu liegt über den Bergwiesen im Thüringer Wald. Heinrich Meusel kann dort zwar nicht Stroh zu Gold spinnen, aber Heu in feine Futterhäppchen und entspannende Wohlfühlprodukte verwandeln – und dabei hat der junge Landwirt aus dem Rennsteigort Friedrichshöhe Ideen wie Heu.

Von Birgitt Schunk

Selbst oben am Rennsteig ist heute Badewetter. Die Temperaturen laden ins kühlende Nass ein. Der Himmel ist blau, und die Sonne strahlt mit voller Kraft. Genau solche Tage wünscht sich Heinrich Meusel, um zu arbeiten. Er will rasch sein Heu unter Dach und Fach bringen.

Doch die Technik steht an diesem Nachmittag immer noch. „20 Prozent Restfeuchte sind zu viel“, sagt er. „Da warte ich lieber noch zwei Stunden. Das Heu ist trocken, aber nicht wirklich dürr.“ Zwar kann der Landwirt aus dem Thüringer Wald in seinem Betrieb eine Trocknungsanlage nutzen, doch die reicht nicht aus, um alles zu verarbeiten. Ihm ist es lieber, dass die Sonne die Arbeit macht. „Die kann das am besten und erledigt das sogar umsonst.“

Noch ist ja nichts verspätet. Der Heu-Sommer hat gerade erst begonnen. Dennoch sitzt dem 32-Jährigen die Zeit im Nacken, denn für den nächsten Tag ist Regen angesagt. Erst am Johannistag hatte der junge Unternehmer aus dem kleinen Rennsteigort Friedrichshöhe mit der Mahd bei Limbach in 800 Metern Höhe begonnen. Bis zum 20. Juni lässt er die blühenden Bergwiesen ohnehin stehen, weil es für die Flächen eine Förderung aus dem Kulturlandschaftsprogramm gibt, die einen späten Schnittzeitpunkt fordert.

Der gelben Arnika gibt er sogar noch länger Zeit, damit sie verblühen und ihre Samen ausfallen lassen kann. Mutter Natur hat die Bergwiesen hoch oben am Kammweg des Thüringer Waldes bestens ausgestattet. Sie sind bunt und voller Kräuter. Heimische Bauern wie Heinrich Meusel sorgen dafür, dass dies so bleibt. Sie halten die Flächen frei und machen im Sommer ein duftendes Biokräuterheu, das Tier und Mensch gleichermaßen wohl bekommen soll. Hamster, Kaninchen, Pferde & Co. stehen auf Futter mit hohem Kräuteranteil.

Alles Heu: Salben, Hautöl und Lotion

Doch Meusels Firma kann noch mehr, denn Heublumen von hier werden auch in Salben, Hautöl und Lotion verarbeitet. Selbst ein Wellness-Heubad kommt aus dem Thüringer Wald – und liegt im Trend der Zeit. Als Balsam für Körper und Seele soll es helfen, in stressigen Zeiten zu entschleunigen.

Meusels Firmen-Name „Heu-Heinrich“ ist dabei sozusagen Programm. Alles dreht sich um getrocknete Gräser und Kräuter, die der junge Landwirt seit Jahren veredelt. Das sorgt für Wertschöpfung in der Region und beschert ihm und den Partnern mehr Einnahmen als früher. Drei Landwirte arbeiten eng mit ihm zusammen und liefern das wertvolle Biokräuterheu.

Die Erlöse liegen im Schnitt ein Drittel über dem Marktpreis. Wege hierfür ebnete vor Jahren auch die Heu-Börse, die der Landschaftspflegeverband „Thüringer Wald“ auf den Weg gebracht hatte, um die Kräfte der Bauern zu bündeln, den Absatz für Überschussmengen anzukurbeln und für den Erhalt der Bergwiesen Lobbyarbeit zu machen. „Dadurch hat sich auch die Kooperation unter den Heuproduzenten wieder entwickelt“, sagt Projektleiter Jörg Seifert. „Da sind auch Freundschaften entstanden, Nebenerwerbslandwirte reden wieder miteinander – vor zehn Jahren sah das noch anders aus.“

„Heu-Heinrich“: Wie alles einst begann

Heinrich Meusel, der anfangs allein begann, hat heute in seinem Unternehmen „ Heu-Heinrich “ 16 Mitarbeiter. Schon mit 18 Jahren gründete er seine eigene kleine Firma. Anfangs bediente er Pferdehalter und Kleintierzüchter mit seinem Heu. „Das machten damals aber auch schon andere“, blickt er zurück. Ausbaufähig erschien ihm das nicht. Also suchte er nach Nischen. Und weil man auf einem Bein nicht steht, betreibt Meusel nicht nur Landschaftspflege und veredelt das Gewachsene. Die Hälfte seiner Mitarbeiter erledigt Forstdienstleistungen und Winterdienst oder mäht Grünflächen. Selbst die Biotoppflege gehört zu den Aufgaben.

Schritt für Schritt hat er seine Firma ausgebaut. Vor 13 Jahren kaufte er als Jungunternehmer ein Gelände im benachbarten Scheibe-Alsbach, um später eine Halle als Lager zu errichten und die Heuverpackung aufzubauen. Alljährlich im Sommer räumt er viel davon beiseite und macht Platz für ein großes Fest, bei dem die Bergwiesenkönigin gekrönt, aber auch geschunkelt oder zum Heu-Beat richtig abgerockt wird. Doch Corona hat auch hier für eine Zwangspause gesorgt.



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Attraktiver Laden mit Leader-Förderung

Regelmäßig machen auch Reisebusse auf seinem Hof Station. Die Firma „Heu-Heinrich“ ist inzwischen außerdem Demonstrationsbetrieb für den ökologischen Landbau. Besucher sind also immer wieder vor Ort. „Einen separaten, eigenen und attraktiven Laden zu haben, war überfällig“, sagt der Landwirt.

Bei der Einweihung des neuen Hofladens: Leader-Regio-nalmanager Philipp Rothe (l.) und Heinrich Meusel.
Bei der Einweihung des neuen Hofladens: Leader-Regionalmanager Philipp Rothe (l.) und Heinrich Meusel. (c) Birgitt Schunk

Mit Unterstützung der Regionalen Leader-Aktionsgruppe, die den ländlichen Raum unterstützt, wurde das Vorhaben verwirklicht. Für die rund 89.000-Euro-Investition flossen 60 Prozent an Fördermitteln. „Ohne die Zuschüsse wäre es allerdings schwierig geworden, solche Pläne umzusetzen.“ Und Leader-Regionalmanager Philipp Rothe spricht von einem Volltreffer. Schließlich kommt hier viel Gutes zusammen, was Leader auf dem Lande bewegen und fördern will. „Mit dem Heu-Laden wird ein wichtiger Mehrwert für die Vermarktung regionaler Produkte des Thüringer Waldes geschaffen“, sagt er.

Verbunden ist der Laden mit einer Packstation für die zahlreichen Online-Bestellungen, die nicht länger im staubigen Produktionsraum abgewickelt werden konnten. Täglich kommt ein Lkw und holt die Bestellungen an Futtermitteln und Naturkosmetik ab. Rund 180.000 Beutel mit Biokräuterheu verlassen im Jahr den Betrieb und gehen auch in große Supermärkte. Bei einer Kette ist Meusel in den neuen Bundesländern komplett vertreten.

Finalisten beim renommierten Ceres-Award

400.000 Beutel pro Jahr zu liefern, ist sein Ziel. Und deshalb denkt er bereits über einen neuen Standort mit einer professionellen Heutrocknungsanlage nach. Heinrich Meusel zählt übrigens zu den diesjährigen Finalisten beim renommierten Ceres-Award in der Kategorie „Geschäftsidee“.

110 Hektar Fläche bewirtschaftet das Unternehmen, etwa ein Fünftel davon ist in Meusels Eigentum. Auf den Bergewiesen, die das wertvolle Heu liefern, wird seit Jahren extensiv gearbeitet. „Dennoch müssen wir über eine minimale Erhaltungsdüngung nachdenken und können nicht nur auf Entzug gehen, denn auch das würde die Pflanzenvielfalt verändern“, sagt der gelernte Landwirt und hat längst Pläne, wie er zu organisch-biologischem Dünger kommen kann. Schließlich führt er mit seinen Leuten auch Pflegearbeiten durch, bei denen Grünschnitt anfällt – und denkt deshalb über eine eigene Biokompostierungsanlage nach.

Heu-Heinrich: „Die Vielfalt macht‘s“

Seine Naturkosmetikbranche hatte sich bis zur Corona-Krise gut entwickelt, doch dann gingen die Verkaufszahlen zurück. Testangebote in Filialen waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr erlaubt – Bäder, Lotion oder Salben konnten schlechter an den Mann oder die Frau gebracht werden. Die Heuproduktion sowie die Forst- und Kommunaldienstleistungen fingen dies auf. „Man muss breit aufgestellt sein – die Vielfalt macht‘s“, sagt er.

Diese Denke ist ihm schon in die Wiege gelegt worden, denn Vater Florian Meusel steht seit der Wiedervereinigung von Anfang an im damals neu gegründeten Landschaftspflegeverband und im Naturpark Thüringer Wald in Verantwortung. Da ging es auch am Familientisch immer wieder um den Erhalt der Bergwiesen, um Kräuter, Artenvielfalt und regionale Wertschöpfung – das prägte.

Heu-Heinrich, Ferienhaus „Arnika“ in Friedrichshöhe
Ferienhaus „Arnika“ in Friedrichshöhe (c) Birgitt Schunk

Mit 16 Jahren zog es den Jugendlichen bereits nach Österreich. Dort machte Heinrich Meusel seinen Abschluss als Landwirt und gleichzeitig seinen Forstfacharbeiter. Mit viel Wissen und Erfahrungen im Gepäck kehrte er zurück. Da wusste er neben dem Einmaleins in Ackerbau und Viehzucht auch, wie Obstler gemacht wird oder die Käserei funktioniert – eine Rundumausbildung eben. Zudem hatte er in der Alpenrepublik auf Hütten gekellnert, sich seine erste Lederhose gekauft und erlebt, was Gästen guttut.

Inzwischen hat er die Pension „Arnika“ der Eltern übernommen und zu Ferienwohnungen ausgebaut. Er ist auch der Wirt des „Arnika-Stadls“ – dem Glas-Pavillon vorm Ferienhaus. Wenn der Winter sich hier von seiner besten Seite zeigt, kommen Skiläufer und Wanderer gerne vorbei, kehren ein und genießen das Hütten-Feeling. Auch hier lassen die Berge Österreichs grüßen.

Würze und Aroma für die Gourmetküche

Inzwischen hat Meusels Heu es sogar in die feine Küche geschafft. Gourmetköche haben Aroma und Würze des Naturproduktes längst für sich entdeckt und bringen sogar Heu-Süppchen oder auch Rinderfilet im Heu-Bett auf den Tisch. Als dann im Fernsehen in einer Kochsendung sogar sein Premium-Heu zum Einsatz kam, blieb die Resonanz nicht aus. „Ich dachte erst, mein Handy wäre kaputt, weil es immerzu piepte“, erzählt er. Dabei waren es Bestellungen, die als Reaktion eingingen.

Sein Heu von Limbach hat Meusel inzwischen gut unter Dach und Fach gebracht. Doch das war‘s dann auch erst mal. Acht Tage danach gab es immer wieder Schauer, war an die Heuernte nicht zu denken. Mit dem Aufwuchs ist „Heu-Heinrich“ – wie seine Freunde ihn schon vor der Firmengründung nannten – nach den letzten trockenen Jahren sehr zufrieden. „Weil es mehr geregnet hat, steht auch mehr auf den Flächen“, sagt er. „Das ist gut so.“ Ein Sommer mit mehr Niederschlag bedeute aber auch, dass die Ernte schwieriger wird. Als der Juli bereits sechs Tage alt war, waren immerhin 95 Prozent der Bergwiesen noch nicht gemäht. „Man hat meist nicht alles optimal – so ist das mit der Natur eben.“

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