Mecklenburg-Vorpommern

Kartoffelkontrolleur: „Langbein mit Hut“

Kartoffelkontrolleur Herwig Elgeti bei der Arbeit: Bestandskontrolle und Dokumentation der Ergebnisse gehen Hand in Hand. (c) Jürgen Drewes
Agrarpraxis
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Kartoffelexperte Herwig Elgeti ist einer von 47 Bestandskontrolleuren im Land. Deren Erfahrung ist schlicht unverzichtbar, zumal Jüngere in diesem Ehrenamt nur spärlich nachrücken.

Von Jürgen Drewes

Der Weg ist immer der gleiche: 50 Reihen quer ablaufen und dabei jeweils eine Pflanze rechts und links vom Stiefel genau untersuchen. Nach etlichen vorgegebenen Kriterien. „Um am Ende einen Durchschnittswert zu ermitteln, der aussagt: Dieser Bestand hat die Prüfung bestanden – oder eben auch nicht“, sagt Herwig Elgeti und trägt seine Ergebnisse in ein Protokoll ein.

Kartoffelkontrolle seit Bismarcks Zeiten

Der promovierte Kartoffelexperte ist seit über zehn Jahren einer von 47 ehrenamtlichen Bestandskontrolleuren im Land. Im Auftrag des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF) sind allein in diesem Jahr 26.000 ha mit Kartoffeln, Getreide, Lupinen und vielen weiteren Kulturen auf ihre Sortenreinheit und Pflanzengesundheit zu überprüfen. Damit bei der nächsten Bestellung nur qualitativ hochwertiges Saat- und Pflanzgut in den Boden kommt.

Die Entscheidung, eine solche Prüfung einzuführen, liegt rund 150 Jahre zurück. Bismarck hatte es seinerzeit im Zuge der deutschen Einheit so verfügt. Landwirte hatten zuvor wiederholt minderwertiges Saat- und Pflanzgut ausgebracht. Mit dem Ergebnis, dass vieles erst gar nicht auflief bzw. die Bestände zwischenzeitlich unheilbar krank wurden. Die Folge waren akute Hungersnöte. Bestellte Fachleute sollten fortan für Kontrolle sorgen. Und so funktioniert es bis heute.

Alle ehrenamtlichen Kontrolleure können auf langjährige Berufserfahrung in verschiedenen Agrarbereichen verweisen. „Hinzukommen jetzt unsere regelmäßigen Schulungen“, sagt Nadine Leiß. Sie koordiniert die Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut im LALLF in Rostock. Dort sind weitere Kontrolleure hauptberuflich tätig.

Kartoffelkontrolleure: Nachwuchs gesucht

Es gibt nur ein Problem: Mit ihrer Berufserfahrung sind viele ehrenamtliche Mitstreiter inzwischen sprichwörtlich in die Jahre gekommen. Regelmäßig melden sich Kontrolleure aus gesundheitlichen Gründen ab. Nachrücker waren zuletzt nur schwer zu finden. Deshalb hat das Amt in diesem Jahr erstmals einen öffentlichen Aufruf gestartet, mit der Bitte, bei fachlicher Eignung die Reihen der Kontrolleure zu stärken. „Vier Interessenten haben sich gemeldet. Eine gute Quote“, zeigt sich Nadine Ließ sichtlich zufrieden. Ein ausgewiesener Kartoffelexperte war aber nicht dabei.

Herwig Elgeti schwärmt von seinem ehrenamtlichen Job, den er neben seinem Hauptberuf im landwirtschaftlichen Familienbetrieb gemeinsam mit seiner Frau in Broderstorf unweit von Rostock ausübt. Die Arbeit fordert die beiden voll. „Aber ein paar Stunden für Bestandskontrollen im Land finden sich noch. Es ist ja wichtig. Und Deutschland hat einen guten Ruf in der Saat- und Pflanzgutqualität im internationalen Handel zu verteidigen“, gibt der Kartoffelkontrolleur zu verstehen.


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Der feine Unterschied

Von einem „Knochenjob“ angesichts kilometerlanger Fußmärsche quer durch die Kartoffelreihen, nicht selten zwölf Stunden und mehr am Tag, will er nicht sprechen. „Mir macht das einfach Spaß und es hält mich zudem fit. Ich sage immer: Bestandskontrolle ist etwas für Menschen, die sich ein Fitnessstudio nicht leisten können“, klärt der engagierte Landwirt auf, dem einst der Beiname „Langbein mit Hut“ vorauseilte. Angesichts seiner langjährigen Feldkontrollen kreuz und quer durch die Bestände.

Dabei ist es bis heute geblieben. Den Hut legt er inzwischen schon mal ab. „Gleichwohl hat er ihn in seiner Eigenschaft als anerkannt bester Kartoffelkontrolleur weiterhin auf“, zollt Nadine Ließ dem Mann, der auf die 70 zugeht, höchste Anerkennung.

Gern würde der Kartoffelexperte seine Erfahrung an einen Jüngeren weiterreichen. Wer findet schon an zwei fast identisch aussehenden Kartoffelblättern den kleinen, feinen Unterschied, der aussagt: In dem Bestand der ausgewiesenen Sorte hat sich ein „Fremdling“ untergemischt. Herwig Elgeti kann‘s. Bei fast 300 anerkannten Sorten bundesweit.

Kartoffelkontrolleure: Anwälte der Landwirte

Liegt der Fremdbesatz über dem vorgegebenen Maximalanteil, dann müssen jene Pflanzen umgehend vom Vermehrungsbetrieb entfernt werden. Oder es gibt keine Anerkennung als in Stufen zertifiziertes Pflanzgut. „So konsequent müssen wir sein. Und die meisten Betriebe sind uns dankbar dafür. Wir tauschen uns auch aus, was im nächsten Jahr vielleicht noch besser zu machen ist. Nach gut zehn Jahren meiner ehrenamtlichen Arbeit kann ich sagen: Viele haben in puncto Qualität zugelegt. Und sind nun auf höchstem Niveau“, freut sich der Prüfer, der klare Prinzipien hat:
Er könne zum Freund des Anbauers werden. Aber nie zu dessen Anwalt. „Wenn etwas nicht ordnungsgemäß läuft, müssen wir das anzeigen. Letztlich sind wir die Anwälte der Landwirte, die das Pflanzgut im nächsten Jahr ausbringen wollen. Verbunden mit dem Anspruch eine gute, gesunde Ernte einzufahren. Missernten wie einst und damit verbundene Hungersnöte sollten unbedingt der Vergangenheit angehören. Und das weltweit“, verweist Kartoffelkontrolleur Herwig Elgeti auf den hohen Stellenwert seiner ehrenamtlichen Arbeit.

Herber Verlust

In den folgenden Wochen wird er jedes Feld noch zwei weitere Male abschreiten. Um am Ende auch die herangewachsenen Knollen zu kontrollieren. Letztlich steht noch die Laboruntersuchung an, um Virus- bzw. bakterielle Erkrankungen zu erkennen.

Wie wichtig das ist, hat erst das vorige Jahr nachdrücklich gezeigt. „Ich bin jetzt fast 50 Jahre als Landwirt im Geschäft. Aber an einen Blattlausbefall wie 2020 kann ich mich nicht erinnern. Durch Blattläuse werden Viren übertragen. In vielen Beständen hat die Behandlung bei der hohen Belastung nicht ausreichend gewirkt. So mussten Partien letztlich aberkannt werden. Ein herber Verlust für die Betriebe. Das macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir jederzeit auf der Hut sind“, unterstreicht Herwig Elgeti. Und nimmt die nächsten 50 Reihen zur Kontrolle in Angriff. Und das allein an diesem Tag noch weitere 18 Mal.

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