Farm-Management: Durchblick auch bei bunter Flotte
Das Telemetriesystem eines jungen Unternehmens ermöglicht ein herstellerunabhängiges Farm-Management. Frei zugängliche Daten der Landmaschinen werden mit Informationen von eigener Hardware ergänzt.
Von Wolfgang Rudolph
Auf einem sieben Hektar großen Schlag im Gebiet der Einheitsgemeinde Osternienburger Land (Sachsen-Anhalt) bereitet Gunnar Fietz mit einem Challenger MT 865C und angehängtem Horsch Tiger 6 AS den Acker für die Rapsaussaat vor. Eigentlich kein ungewöhnlicher Vorgang im Herbst. Und doch gibt es eine Besonderheit. Diese erkennt man jedoch nur, wenn man weiß, wo sie steckt – in einer am Seitenfenster der Schlepperkabine angehefteten schwarzen Kunststoffbox, von der ein Kabel zum Diagnosestecker führt, und in dem deutlich kleineren Metallkästchen am Grubbergestell. Diese Geräte befinden sich ebenso an dem Gespann aus John Deere 8320R und Kverneland-Drillkombination Accord, das auf dem Nachbarfeld seinen Job abarbeitet.
Farm-management: digitale Plattform exatrek
Es handelt sich um Hardwarekomponenten der EXA Computing GmbH. Das 2017 gegründete Unternehmen mit Sitz in Hamm hat die digitale Plattform exatrek entwickelt. Auf ihr lassen sich nach eigenen Angaben jegliche Landmaschinen vom Traktor über den Drescher, Häcksler und Radlader bis zum Unimog und PistenBully als auch Anbaugeräte aller Art unabhängig von Hersteller, Modell und Baujahr als Flotte managen.
Die Agrargesellschaft Wulfen mbH, zu deren Technik die oben beschriebenen Gespanne gehören, testet gegenwärtig das System.
Steigender Aufwand für Dokumentation
ie Agrargesellschaft ist mit einer Ackerfläche von rund 3.000 ha und 20 Mitarbeitern der größte Landwirtschaftsbetrieb der Wimex-Gruppe (siehe Kasten). Vom Standort Wulfen aus werden weitere Betriebe in Sachsen-Anhalt verwaltet, die vornehmlich Getreide für die Wimex-Mischfutterwerke produzieren, und Lohnleistungen über das gesamte Spektrum pflanzenbaulicher Verfahren im Gesamtumfang von mehreren Tausend Hektar erbracht.
Entsprechend umfangreich und vielfarbig ist der Technikpark. „Der Aufwand für die Dokumentation und Abrechnung der Aufträge ist enorm und hat in den vergangenen Jahren, unter anderem durch die verschärfte Düngegesetzgebung, deutlich zugenommen“, sagt Prokurist Frank Krüger.
Die unterschiedlichen Telemetriesysteme der Landmaschinenhersteller seien hier wegen der abweichenden Funktionsumfänge aber nur bedingt hilfreich. „Streckenweise muss die Übergabe der Daten zum Einpflegen in die betriebliche Software dann doch analog erfolgen“, berichtet der 38-jährige studierte Landwirt aus der Praxis. Als Beispiel nennt er das Düngen. Demnach fahren die drei Streuer des Betriebes im Frühjahr im Schichtbetrieb. Wer, wo und wie viel Dünger ausgebracht hat, lese der Bereichsleiter bisher am nächsten Morgen in den schriftlichen Protokollen der Mitarbeiter.
Wichtig sei eine zeitnahe Erfassung und Aufbereitung der Daten, etwa zum Kraftstoffverbrauch oder zu den Arbeits- und Wartezeiten, aber nicht nur für die Auftragskontrolle, sondern ebenso für die exakte Verrechnung der Lohnarbeiten. „Gegenwärtig geschieht das noch mit Durchschnittskostensätzen. Die nützen wenig, wenn man Arbeitsabläufe optimieren will. Dafür braucht man die tatsächlichen Kosten, die bei den konkreten Bedingungen entstehen“, so Krüger.
Auch Investitionsentscheidungen ließen sich qualifizierter treffen, würde man beispielsweise auf Knopfdruck erfahren, welche Flächenleistung die unterschiedlichen Maschinen übers Jahr erreicht haben und in welchem Maße sie dafür ihre verfügbare Motorleistung ausschöpften.
Farm-management: Bereitstellung aller Prozessdaten
Zu den Besonderheiten der Pflanzenproduktion in der Wimex-Gruppe gehört eine langjährige Tradition auf dem Gebiet des Precision Farming.
Bereits Mitte der 1990er-Jahre beschäftigten sich Mitarbeiter erstmals mit GPS-gestützter Kartierung von Feldgrenzen und Ertragsprognosen auf der Grundlage von Luftbildern. Smarte Anwendungen, wie die Grunddüngung mit Einsatz von N-Sensoren oder die teilflächenspezifische Aussaat, gehören heute zum Standard. Zudem verfügt das Beteiligungsunternehmen iXMAP über Expertise bei der Entwicklung von Farm-Management-Informations-Systemen (FMIS). „Was uns noch fehlte, war eine Plattform, die es ermöglicht, die Prozessdaten wirklich aller Landmaschinen in einheitlicher Form und mit hoher Zuverlässigkeit für die weitere Aufarbeitung in unserem FMIS bereitzustellen. Mit exatrek haben wir hierfür nun einen Partner gefunden“, begründet Frank Wiedenroth von iXMAP die Kooperation.
Ergänzende Informationen
Die Hardware-Grundlage dafür bilden Module in den Kabinen der mobilen Arbeitsmaschinen und an den Anbaugeräten sowie optional als Schlüsselanhänger zur Identifizierung der Fahrer. Die als T2-Telemetriemodul bezeichnete Komponente im Cockpit geht bei Start des Fahrzeuges automatisch in den Betrieb und ist über ein Kabel mit dem Isobus-Port bzw., wenn dieser nicht vorhanden ist, mit der Diagnoseschnittstelle für Werkstätten (CAN-Bus nach J1939-Standard) verbunden.
Die dauerhaft an den Anbaugeräten befestigten sogenannten Beacons wiederum senden beim Ankoppeln an die Maschine per Bluetooth ein Signal mit Informationen über Art, Arbeitsbreite und Werkzeugausstattung des Gerätes an das jeweilige T2-Modul in der Kabine. Die etwa streichholz-schachtelgroßen Beacons arbeiten energiesparend (Bluetooth 4.0 Low Energy), sind mit einer langlebigen Batterie (5 Jahre Betriebszeit) ausgestattet und müssen ebenfalls nicht gesondert eingeschaltet werden.
„Unsere T2-Module haben einen eigenen GPS-Empfänger. Liefert aber der Schlepper vom Isobus-Terminal ein präziseres Signal, wird dieses genutzt und zusammen mit allen verwertbaren Daten der angezapften Schnittstellen als auch der Kennung des mit der Maschine verbundenen Anbaugerätes im zeitlichen Abstand von zwanzig Sekunden mittels Multi-SIM-Karte zum Server übermittelt“, beschreibt exatrek-Produktmanager Frederik Witte die Funktionsweise.
Im Falle eines ISOXML-Transfers betrifft das neben den Parametern der Antriebsmaschine sämtliche Daten der Isobus-Anwendungen bis hin zu den vom NIR-Sensor ermittelten Inhaltsstoffen der Gülle im Fass, deren pH-Wert nach Ansäuerung (SyreN-System von Bio-Cover A.S.) oder der gemessenen Windgeschwindigkeit am Spritzgerät.
Bei Nutzung der CAN-Bus-Schnittstelle am Diagnosestecker enthält der Datenstrom in die Cloud-Infrastruktur von exatrek die Maschinendaten (Geschwindigkeit, Zapfwellendrehzahl, Kraftstoffverbrauch, Motorauslastung etc.) plus der vom T2-Modul selbstständig ermittelten Position (GPS) und der daraus abgeleiteten Fahrgeschwindigkeit sowie der vom Beacon bereitgestellten Daten des Anbaugeräts, was bei Isobus-Fähigkeit des Gerätes auch alle auf diesem Standard erhobenen Informationen, etwa zu Düngermengen oder Ernteerträgen, beinhaltet. Hinzu kommt bei Nutzung eines Schlüsselanhänger-Beacon der Name des Fahrers beispielsweise für die Arbeitszeiterfassung oder für den Nachweis von Berechtigungen beim Pflanzenschutz.
Auch wenn ein Fahrzeug über keinerlei Datenschnittstellen verfügt, wie das beispielsweise bei MB-tracs der Fall ist, liefert die exatrek-Plattform zumindest den aktuellen Standort und Bewegungsablauf der Maschine mit automatischer Straße-Feld-Erkennung sowie die von den Beacon-Modulen eingesammelten Informationen.
Steckbrief Wimex-Gruppe
Das Akronym Wimex steht für Wagner Im- und Export. Der landwirtschaftliche Familienbetrieb wurde 1985 in Regenstauf bei Regensburg gegründet und beschäftigt aktuell etwa 1.300 Mitarbeiter. Kernkompetenz ist die Aufzucht und Vermehrung von Großeltern- und Elterntieren für die Geflügelproduktion.
Die Rohstoffe für die Futtermittel stammen aus dem Anbau in eigenen Agrarbetrieben in Sachsen-Anhalt mit zusammen mehreren Tausend Hektar Ackerfläche. Zum Wimex-Geschäftsbereich Obst und Gemüse gehören der Freilandanbau von Gemüse am Rand der Magdeburger Börde, ein Hightech-Gewächshauskomplex in Osterweddingen (Besonderheit: Produktion von klimapositiven Gurken) sowie Handel und Kommission von Obst und Gemüse aus dem Ausland.
Auf seinen Liegenschaften betreibt das Unternehmen Bio-, Solar- und Windenergieanlagen und ist auf dem Gebiet des Energie- und Ressourcenmanagements tätig. Das auf die Entwicklung digitaler Lösungen für unternehmerische Kunden in der Agrarbranche spezialisierte Unternehmen iXmap mit Sitz in Regenstauf ist ein Tochterunternehmen der zur Wimex-Gruppe gehörenden geokonzept-Gruppe.
Vielfältige Management-Anwendungen
Man muss kein Software-Spezialist sein, um zu ahnen, dass sich beim Farm-Mmanagement herstellerübergreifend ein umfassender Datenpool ansammelt. Da alle erhobenen Werte in einem einheitlichen Modus bereitstehen, bilden sie nicht nur die Grundlage für die auf dem Bürorechner oder als App auf mobilen Geräten nutzbaren exatrek-Programme für das Flottenmanagement und die Feldverwaltung, mit der sich Kosten, Arbeitszeit, Applikations- und Erntemengen schlagbezogen summieren und auf Karten darstellen lassen.
Die Werte stehen auch für die weitere intelligente Verknüpfung in externen FMIS zur Verfügung. Vereinbarungen gibt es hierzu mit 365Farm-Net, agrirouter, MyDataPlant und jetzt auch iXmap.
In die von der Agrargesellschaft Wulfen genutzte Farm-Management-Software der Wimex-Beteiligung iXmap fließen gegenwärtig Daten von zehn Traktoren und Erntemaschinen sowie von 40 Anbaugeräten und einige Mitarbeiterkennungen ein.
Die Tests verlaufen nach Aussage von Digitalexperte Wiedenroth erfolgreich. „Wir konnten damit bereits einige Optimierungen in den Bereichen Mähdrusch und schwere Bodenbearbeitung einleiten“, bestätigt Landwirt Krüger.
Besondere Bedeutung bei der Entwicklung neuer smarter Farming-Anwendungen messen iX-map und exatrek der jüngst vereinbarten Kooperation mit Kleffmann Digital RS bei. „Damit erhalten wir Zugang zu modernster Satellitentechnologie für die Erstellung von Applikationskarten. Und diese Karten für eine präzise feldbereichsgenaue Aussaat und Kulturführung lassen sich ja über das T2-Telemetriemodul in das Isobus-Terminal des Traktors oder der Erntemaschine laden“, freut sich Wiedenroth auf die Zusammenarbeit.
FAZIT
Das hersteller- und markenunabhängige System exatrek liefert vollautomatisch Informationen wie: Maschinenstandorte, Arbeits-, Warte- und Leerlaufzeiten sowie den Kraftstoffverbrauch. Damit ist eine schlagspezifische Dokumentation und Abrechnung möglich. Eine Navigationsapp ergänzt das Farm-Management-System.