GbR Haßlau: Kuh-Ortung mit dem Smartphone
Stets auf dem neuesten Stand der Technik ist man in der GbR Haßlau. Seit 20 Jahren werden dort die Kühe automatisch gemolken. Mithilfe der Elektronik wird jetzt jedes Tier im Stall schnell gefunden.
Von Fritz Fleege
In der GbR Haßlau hält man stets nach Neuem Ausschau. Ställe wurden um- und neugebaut, der Kuhbestand vergrößert und die Leistung gesteigert. Gesellschafter Christian Kalbhenn spricht jetzt sogar mit Stolz von einer Punktlandung. Sein großes Ziel war es, eine moderne Milchviehanlage mit viel Tierkomfort und günstigen Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Ende letzten Jahres wurde ein weiterer Stall bezogen. Nun hält man 573 Kühe, von denen 514 an zehn Robotern gemolken werden. Je Tag fließen 18.500 kg Milch in den Tank, etwa 36 kg je Kuh. Alles läuft reibungslos.
Unsere Top-Themen
• Weihnachten im Schafstall
• Sortenversuche Sommerbraugerste
• Landmaschinen mit KI
• Märkte und Preise
GbR Haßlau: Von den Anfängen bis zur Modernisierung
Zu verdanken ist dies der beharrlichen Zusammenarbeit der drei Gesellschafter der GbR Haßlau, Christian Kalbhenn, Gerhard und Marie Gröbner sowie ihren engagierten Mitarbeitern.
Anfang der 1990er-Jahre hatte man 180 Kühe in Altgebäuden und kam auf 4.000 kg Milch je Tier. Die Haltungsbedingungen für das Vieh waren nicht die besten und die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten auch nicht leicht. Das sollte sich ändern. Man baute einen Kuhstall in Holzbinderkonstruktion.
Dann wurde der Stall mit Melkrobotern ausgestattet und noch zweimal erweitert. Das machte sich erforderlich, weil man noch einen Milchviehbetrieb zugekauft hatte. Doch Stillstand kennt man in der GbR Haßlau nicht. 2017 war Start des Bauprojektes zur Erweiterung und Modernisierung der gesamten Anlage.
Aufenthaltsbestimmung: Jedes Tier wird schnell gefunden
Bei all den baulichen Umgestaltungen hat sich natürlich auch die Arbeitsorganisation deutlich verändert. In der Anlage sind heute neben Geschäftsführer Kalbhenn zwei Fütterer, zwei Kälberfrauen, und zwei „Kuhleute“ beschäftigt. Nach zehn Arbeitstagen gibt es vier freie Tage. Die „Kuhleute“ arbeiten jeweils von 5.30 bis 14.30 Uhr bzw. von 11 bis 20 Uhr.
An freien Tagen übernimmt Kalbhenn deren Vertetung. Sie müssen sich vor allem um das Wohlbefinden der Tiere kümmern, was bei knapp 600 Kühen plus Nachzucht gar nicht so einfach ist. Wichtigstes Hilfsmittel ist für sie dabei die Kuh-Ortung per Smartphone.
In Haßlau hat man sich für das von Lely angebotene Nedap-System entschieden. Damit ist es möglich, den Aufenthaltsort jeder Kuh im Stall bis auf einen Meter genau zu bestimmen. Die speziellen Responder am Halsband, welche für dieses System benötigt werden, sind echte Allrounder. Sie dienen, neben der Kuh-Ortung, außerdem zur Identifikation des Tieres im Melkroboter, zur Brunsterkennung und zur Aufzeichnung von Fressminuten und Wiederkauaktivität der einzelnen Kuh.
Wird ein Tier gesucht, senden im Stall installierte Funkbaken Signale an den Responder, welcher diese an eine Stallantenne weitergibt. Die genaue Position der gesuchten Kuh wird dann vom System Lely InHerd auf dem Smartphone oder Tablet und im Herdenmanagementprogramm Lely T4C, dargestellt. Man kann also alle Daten einer Kuh auf dem Computer im Büro oder am Smartphone bzw. Handy in der Hand ablesen.
Kuh-Ortung nicht mehr wegzudenken
In großen Ställen wie in Haßlau ist die Kuh-Ortung nicht mehr wegzudenken. Auf dem Handy kann man gezielt in jeder Gruppe die Kühe suchen, die man zum Melken treiben muss, Tiere, die zu besamen sind, die vom Tierarzt behandelt werden müssen oder trockengestellt werden sollen. Beim nächsten Klick sieht man gleich, wo sich die Tiere aufhalten. So müssen Melkverweigerer zum Roboter geholt werden. „Dabei sollte man behutsam vorgehen“, meint Kalbhenn. „Man sollte den Kühen ihren Rhythmus lassen, bevor man eingreift und nicht nur irgendwelche Listen abarbeiten.
Manche Kühe brauchen eben immer etwas länger. Es empfiehlt sich, erst noch auf dem Handy auf Kuh-Info zu drücken. Da erfährt man mehr über das einzelne Tier. Zum Beispiel ist die eine seit 15 Stunden nicht gemolken worden, aber schon im 200. Laktationstag, eine andere ist bereits fünf Monate tragend und hat auch noch etwas Zeit.
Anders sieht es bei Problemkühen aus, die nicht selbstständig zum Melken kommen. Die können lahm oder brünstig sein oder es kann sich bei ihnen sogar eine Mastitis anbahnen. Die müssen unter Kontrolle zum Roboter geholt werden. Von kranken Tieren wird die Milch gesondert abgeleitet und das Tier kommt bei Bedarf in den Separationsbereich. Auch solche Informationen kann man auf dem Handy abrufen.
Zeit sparen: Brunstwahrscheinlichkeit im Blick
Die zweite Suche betrifft die zu besamenden Tiere. Dazu nutzt man zunächst im PC oder Smartphone die Liste „Brunstwahrscheinlichkeit“. Diese vergleicht man mit dem Gesehenen. Welches Tier dann tatsächlich zu besamen ist, obliegt Kalbhenn, der auch als Eigenbestandsbesamer tätig ist. Ohne Kuh-Ortung brauchte er für diese Tätigkeit die doppelte Zeit.
Er drückt auf das Handy und findet gleich eine Jungkuh unten im alten Stall und zwei Altkühe oben im neuen Stall in der Robotergruppe 9/10. Beim nächsten Drücken sieht er auf dem Handy den Platz, wo sie sich befinden. Zu diesen Kühen kann er gezielt hingehen und sie besamen. Das spart viel Zeit beim Suchen.
Alle zehn Tage findet eine Tierarztaktion statt, wo Trächtigkeitsuntersuchungen erfolgen und Sterilitäten behandelt werden. Auch da hat sich in beiden Milchviehställen die Kuh-Ortung bewährt. Die Nummer der Tiere, die gesucht werden, gibt man ins Smartphone ein und durchkämmt dann die Gruppen. Im neuen Stall kann man dazu auch eine Separation nutzen. Wenn zum Beispiel am Dienstagmorgen der Tierarzt kommt, dann erhält der Roboter die Information: Ab 0 Uhr Kühe separieren. Diese können dann in speziellen Fangfressgittern arretiert und untersucht werden.
Kuh-Ortungssysteme auch auf der Weide denkbar
Systeme zur Kuh-Ortung werden heute natürlich nicht nur von Lely angeboten. Mehrere Stallausrüster haben ähnliche Produkte im Angebot. Diese arbeiten zum Teil mit batterielosen Ohrmarken anstelle der Responderhalsbänder. Aber all diesen Systemen gemein ist die gleichzeitige Nutzung der ermittelten Daten zur Kontrolle der Tiergesundheit und des Fruchtbarkeitsgeschehens.
Interessant ist, dass es bereits Überlegungen gibt, die Kuh-Ortung nicht nur auf den Stall zu begrenzen. So forschten zum Beispiel Wissenschaftler von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freisingen drei Jahre lang zum Thema „GPS-Weidemanagementsysteme“.
Ziel des Projekts war die Entwicklung, Erprobung und Bewertung eines Ortungssystems auf Basis der GNSS-Technologie (GNSS steht für Global Navigation Satellite System). Dabei wurde zusammen mit dem norwegischen Forschungsinstitut Bioforsk auch der Einsatz eines virtuellen Weidezauns getestet. Die Freisinger Forscher konnten nachweisen, dass ein funktionierendes Ortungssystem das Tier- und Weidemanagement auf der Alm durch-aus optimieren kann.
Im Moment gibt es allerdings noch keine preisgünstige Lösung für Gebiete ohne GSM-Abdeckung (GSM ist der Mobilfunkstandard). Die Analyse der Bewegungsprofile und des Verhaltens der Tiere mithilfe der GNSS-Daten sind nur mit kürzeren Datenintervallen sinnvoll. Die Tests in Freisingen zur Nutzung des virtuellen Weidezauns zeigten zudem, dass derzeit eine Umsetzung aus mehreren Gründen noch nicht möglich ist.
Bei der GbR Haßlau wird weiter optimiert
Doch zurück nach Haßlau: Dort steht in der Milchviehanlage jetzt die weitere Optimierung im Vordergrund, vor allem was die Gesundheit und damit die Reproduktion des Kuhbestandes betrifft. Wichtig dabei sind eine gute Fruchtbarkeit, ein hervorragendes Besamungsmanagement und eine niedrige Reproduktionsrate um 25%. Auch züchterisch will man weiter vorankommen.
So hat man schon die ersten weiblichen Kälber gentechnisch untersuchen lassen. Künftig will man dann nur noch die besten aufziehen, um auf noch höhere Leistungen zu kommen. Ein Anwachsen der Herde in Haßlau kommt für Kalbhenn aber nicht mehr infrage.
In Sachen Tierwohl können die Haßlauer hingegen mit dem Erreichten schon sehr zufrieden sein: Der große neue Kuhstall ist hoch und luftig (72 m x 36 m). Sein First ist mit einer Lichtkuppel ausgerüstet, die sich ähnlich wie die Curtains an den Seitenwänden je nach Witterung automatisch öffnen und schließen lässt. Für Zusatzlicht im Stall sorgen LED-Lampen mit Dimmung.
Alles ist deutlich breiter als im alten Stall ausgelegt. Beiderseits des Futtertisches befinden sich ein Fressgang, eine Doppelliegeboxenreihe, ein Laufgang und eine Wandliegeboxenreihe. Diese sind mit flexiblen Liegeboxenabtrennungen ausgestattet und die Kühe können auch einmal hindurchschlüpfen, ohne sich zu verletzen. Schnell gefunden werden sie dann aber trotzdem.