Reportage

Familienbetrieb Zorn: Landwirtschaft in Berlin

Familienbetrieb Zorn (c) Sabine Rübensaat
Agrarpraxis
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Geld in die Zukunft stecken, geht das trotz einjähriger Pachtverträge? Auf dem Familienbetrieb Zorn schmiedet man dennoch Pläne.

Von Jutta Heise (Text und Fotos)

Nur 20 Fahrradminuten von Lübars braucht es, schon ist der Familienbetrieb Heike Zorn in Reinickendorf erreicht – eine richtige Landwirtschaft in Berlin. Wir erwischen die Chefin mit dem Handy am Ohr. Wie, das soll eine Nachricht sein? Kommunikation per Handy – normal für eine, die (mit ihrer Schwester Anke) in vierter Generation steht für: Pferdepension für zwölf Tiere in Offenstall-Robusthaltung, Bewirtschaftung von 50 Hektar Ackerland, mehrfach prämierte Zucht und naturnahe Haltung von Limousin-Rindern.

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Familienbetrieb Zorn: Arbeit greifbar machen

Wir lösen auf: Heike Zorn trifft gerade letzte Absprachen für „Zorns Sommerfest“. Es soll, eine Premiere, diesen Samstag neben den Betriebsflächen steigen, mit allem, was dazugehört, Live-Musik, Grillfleisch von den eigenen Rindern, kleinem Maschinenpark, Spaß und Spielen, alles agrarisch akzentuiert, sozusagen. Tausend Besucher (Karten sind nur im Vorverkauf zu haben) sind zugelassen, strenge Corona-Auflagen inklusive. Muss man sich das antun in diesen Zeiten? Gerade, sagt Heike Zorn.

Die Leute brauchen wieder ein Stück Gemeinschaftsgefühl, das Gespür von sozialem Zusammenhalt. Absicht Nummer zwei: Sich selbst und seine Arbeit anschaulich, greifbar machen, dem Mitmenschen und Verbraucher näherkommen, gegenseitiges Verstehen fördern. Hier, fast mitten in der Stadt, Einfamilienhaussiedlung, Einkaufstempel und Erholungsgebiete in der Nähe, sei man „ein Exot, von dessen Leben und Wirtschaften sogar die unmittelbaren Nachbarn nur noch Bruchstückwissen haben“.

Familie Zorn
Familie Zorn und die Limousin-Rinder. (c) Sabine Rübensaat

Ein Wunder sei das nicht, das Profil des am Rande der Großstadt wirtschaftenden Landwirts und der Landwirtschaft in Berlin verliere ja immer mehr Facetten des eigentlichen Berufsbildes. „Die meisten leben von Pferdepensionen, einer Dienstleistung.“ Ergo täte Aufklärung not, dringend. In dieser Mission sei sie nicht nur einmal in Kitas, Schulen vorstellig geworden, habe auf ihren Betrieb eingeladen, Ideen entwickelt.

Selbst Einrichtungen, die sich ein alternatives, naturnahes Bildungskonzept auf die Fahnen schreiben, haben abgelehnt oder es kam gleich gar keine Rückmeldung. Ein Förderprogramm Landwirtschaft für Kinder müsse her. Sie wäre bei Konzept und Realisierung gern dabei. „Der Berliner Senat will aber nicht ran.“ Sie werde es dennoch auf den Weg bringen, heißt eine ihrer Zielmarken.

Wildschweine und andere Herausforderungen

Obwohl die passionierte Reiterin den Eindruck macht, als würde sie nichts so leicht aus den Stiefeln hebeln, macht Heike Zorn ihrem Nachnamen alle Ehre, wenn es um bestimmte Themen geht. Alljährlich wüten die Wildschweine auf ihren Feldern, als wüssten sie, dass man ihnen in der Stadt sicher sind. Also hat sie erwähnte Staatssekretärin um Amtshilfe gebeten. Die Antwort ließ sechs Monate auf sich warten und bestätigte nur noch einmal, was Zorn eigentlich ohnehin schon wusste.

Pläne machen, geht das bei einjährigen Pachtverträgen? Oder muss man, Politiker-Neudeutsch, „auf Sicht fahren“? Seit 1970 muss der Betrieb die Landnutzung bei der Berliner Landesregierung Jahr um Jahr verlängern lassen: Zorns wirtschaften auf bebauungsfähigem Land. Und die Stadt wächst.



Familienbetrieb Zorn: Nicht ausbremsen lassen

Wenn man das ständig im Hinterkopf habe, bremse man sich selbst aus, sagt Heike Zorn. Aber eine Zitterpartie sei es schon. Projekte, Investitionen sollte man zehnmal wälzen, ehe man loslegt. Einen Hofladen möchte sie einrichten, doch es gebe noch vieles zu bedenken. Gleichwohl, das Vorhaben werde intensiv diskutiert. So könnte man der gestiegenen Nachfrage, ausgelöst durch die Coronakrise, besser nachkommen.

Die Pandemie habe Themen wie regionale, transparente Produktion bei den Verbrauchern wieder stärker in den Fokus gerückt. „Direktvermarktung unserer Rinder, in kleinerem Stil, haben meine Eltern schon vor 20 Jahren betrieben. Wir lassen monatlich schlachten, machen die Bestellungen, die noch online eingehen, selbst fertig.

Heike Zorn unterwegs zu Pferd
Heike Zorn unterwegs zu Pferd. (c) Sabine Rübensaat

Wir haben uns auf verändertes Verbraucherverhalten eingestellt, bieten auch kleinere Mengen für Single-Haushalte an. Die Kunden holen ihre Bestellung dann in unserem Geschäft für Reiterbedarf ab, das insbesondere durch Zuchterfolge bei den Limousin-Rindern einen Namen gemacht.

„Wir ernten jetzt die Früchte der Arbeit meines Vaters“, sagt Heike Zorn. Ein Understatement. Ihre Leidenschaft, Kraft und Hingabe, ihr Wissen, ihre Erfahrungen teilt sie 50 : 50 zwischen den Pferden und den Limousins. „Vieles“ sagt sie lächelnd, „habe ich von den Jungzüchtern gelernt.“ Ihre Söhne Lucas und Marco hat sie zu beinahe jeder Tierschau begleitet. Marco und Neffe Fabian arbeiten nach ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung bereits in einem großen Agrarbetrieb im Umland, Lucas ist Landwirt-Azubi im zweiten Lehrjahr. Alle helfen nach wie vor zu Hause mit. „Unser Familiensinn war immer sehr ausgeprägt“, sagt Heike Zorn stolz. Das habe sich vererbt. Die jungen Männer wären zwar gern potenzielle Hofnachfolger, doch sähen sie ihre Zukunft in einem anderen Betrieb und nicht in der Landwirtschaft in Berlin. Realistischerweise.

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