Landwirtschaft in Berlin: Beton bedroht Boden
Im Süden der Hauptstadt führt Bauer Mette einen Hof in fünfter Generation. Er betreibt Ackerbau und hält außerdem Steppenrinder.
Von Fritz Fleege (Text und Fotos)
Wer aus der Mitte Berlins nach Süden fährt, kommt bald auf den großen Buckower Damm im Stadtbezirk Neukölln. Es ist ein dicht besiedelter Bezirk mit vielen prunkvollen Bauten. Doch plötzlich taucht mit der Hausnummer 205 ein alter Bauernhof auf. Neben der Toreinfahrt am Gartenzaun ist ein großes Schild angebracht, woauf geschrieben steht: Jeden Freitag von 17 bis 20 Uhr Kartoffelverkauf von Bauer Mette, verschiedene Sorten frisch vom Acker. Auch auf hausgemachte Wurst und Speiseöle wird verwiesen. Und unter dem Hausdach weist ein Plakat auf den Verkauf von Heu, Stroh und Getreide aus eigenem Anbau hin.
Landwirtschaft in Berlin: Ackerbau und Viehzucht vereint
Auf dem Bauernhof, der 1870 im Ortskern von Berlin-Buckow errichtet worden ist, treffen wir Werner Mette, der uns über die Geschichte des Hofes, den sein Ururgroßvater errichtet hat, informiert. Der 55-jährige Landwirt ist in Berlin einer der letzten Landwirte, die noch nahezu das gesamte Komplettprogramm mit Ackerbau und Viehzucht betreiben. Dort gibt es Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen sowie einige Schweine und diverse Kleintiere. Auch ein Traktor sowie Bestell- und Erntemaschinen sind auf dem Hof zu sehen. Auf seinen Feldern, am Stadtrand von Berlin und in Brandenburg gelegen, baut Mette Hafer, Weizen, Roggen, Gerste, Raps und Kartoffeln an. Das meiste Getreide wird zu Mehl gemahlen oder gleich verkauft. Auch die Kartoffeln finden guten Absatz. Es wachsen aber auch Erdbeeren, Sonnenblumen und Zwiebeln heran. Der Verkauf von Stroh und Heu erfolgt in Kleinstmengen, lose in der Tüte für den Hamster oder gepresst in kleinen Ballen.
Werner Mette nimmt uns mit zu einem seiner kleinen Äcker und zum Weidevieh. Auf dem Feld fällt sofort die Anbauvielfalt auf. Am Rande befindet sich zunächst ein Blühstreifen, wo es nur so summt und brummt. Dann folgt ein Streifen mit prächtig blühenden Sonnenblumen. Daneben wachsen Zwiebeln in mehreren Reihen heran. Und dann kommen Kartoffeln acht verschiedener Sorten. Die Käufer der Knollen haben also eine große Auswahl.
Weiden Zusammen: Ungarische Steppenrinder und Schafe
Ein Stückchen weiter geht es zum Weidevieh. Zunächst treffen wir einige Reiter mit ihren Pferden, die sich dort frei bewegen können und auch einen Unterstand haben. Dann kommen wir zu einer großen Weidefläche für Schafe und Rinder. Dort ist nach der Trockenheit nur dürres Gras zu finden. Doch von einem Hügel kommen uns 14 prächtige Rinder mit auffallend weit auslaufenden Hörnern entgegen. Es sind Ungarische Steppenrinder, worauf Mette besonders stolz ist. Die großrahmigen Tiere sind silber- bis aschgrau. Um Augen, Flotzmaul und anderen Körperteilen ist eine dunklere Färbung zu erkennen. Ihren Ursprung haben diese Rinder in der Puszta, wo es auch nur noch etwa tausend Zuchttiere davon gibt. Das Steppenrind war ursprünglich ein hervorragendes Arbeitstier. Es ist spätreif, robust und langlebig. Die Kühe werden 500 bis 650 kg und die Bullen 750 bis 900 kg schwer. Sie sind erst mit etwa drei Jahren schlachtreif. Das langsam gewachsene Fleisch der Tiere ist von besonderem Geschmack.
Bauer Mette hat diese Rinderrasse gezielt ausgewählt. Er kann sie bei spärlichem Aufwuchs ganzjährig draußen halten und muss nur hin und wieder etwas Heu oder Stroh zufüttern. Außer den Rindern sind auf der Koppel noch Schafe verschiedener Rassen zu sehen.
Kaum noch Platz für Landwirtschaft in Berlin
Vom Hügel auf der großen Koppel sind in nah und fern Bauten zu erkennen. Im Osten sind die Hochhäuser der Gropius-Stadt mit dem größten Einkaufszentrum Berlins zu erkennen. Richtung Norden und Westen sieht man die Gebäude vom Ortsteil Buckow und in der Ferne sogar den Berliner Fernsehturm. Im Süden rücken die Häuser von Großziethen, im Land Brandenburg gelegen, schon dicht bis zur Koppel heran.
„Immer mehr Land wird für die Bebauung genutzt“, beklagt Werner Mette. „Die Pacht- und Kaufpreise schnellen in die Höhe. Die meisten Pachtverträge sind auf ein Jahr begrenzt. Da lässt sich kaum in die Zukunft planen. Und dann kommt noch ein weiteres Problem hinzu, beklagt er: „Meine Felder und Wiesen grenzen an über 350 Nachbarn, die so gut wie nichts mit Landwirtschaft zu tun haben. Da laden auch einige ihren Müll und Schutt ab oder entsorgen Gifte auf meine Flächen. Daran sind schon einige Tiere verendet und an meinem Mähdrescher haben erst kürzlich beim Drusch aufgenommene Betonteile großen Schaden angerichtet.“ Mettes Abschlussarbeit zum Meisterbrief über die Probleme der Landwirtschaft am Rande einer Großstadt endete mit der Aussage: „Beton bedroht Boden“. Es bleibt dort also kaum noch Platz für Landwirtschaft in Berlin.