Praxispartner Sachsen-Anhalt

Nicht jährlich von jeder Kuh ein Kalb

Vor dem Kalben stehende Kühe ruhen in der Extrabox auf Stroh. (c) Detlef Finger
Agrarpraxis
Artikel teilen

Spitzenleistungen bei hervorragender Gesundheit: Der Landwirtschaftsbetrieb Schröter in Tilleda vertritt seine eigene und erfolgreiche Philosophie.

Auf dem Landwirtschaftsbetrieb Schröter fallen einem sofort viele hervorragende Kühe ins Auge. Eine aber überragt alle anderen noch, obwohl sie körperlich nicht zu den größten in der Herde zählt: Carlotta. Sie besticht nicht nur mit ihrer Ausstrahlung, sondern auch durch Leistung. Die Mogul-Tochter gewann 2017, 2018 und 2019 für den Südharzer Zuchtbetrieb auf der „HolsteinVision“ jeweils ihre Klasse. Bei ihrem dritten Auftritt auf der Verbandsschau der RinderAllianz wurde sie obendrein Reservesiegerin der alten Kühe.

Tierindividuelle Entscheidungen

Trotz ihres relativ hohen Alters von gut achteinhalb Jahren hat die auf eine erfolgreiche internationale Kuhfamilie zurückgehende Carlotta noch einen hohen Gesamtzuchtwert (RZG) von 136. „Nebenbei“ melkte sie mittlerweile rund 87.000 l Milch. In der laufenden Laktation steht die mittelrahmige und hell gezeichnete Schwarzbunte seit 100 Tagen in Milch – bei einem mittleren Tagesgemelk von derzeit 50 l.

Dass diese Kuh angesichts solcher Leistungsdaten aktuell ihre erst fünfte Melkperiode erlebt, hat einen trivialen Grund: Jörg Schröter lässt etliche seiner rund 120 Kühe „einfach melken“. Wann eine Kuh wieder besamt wird, entscheidet sich hier nicht allein durch den zeitlichen Abstand zur letzten Kalbung.

„Die Entscheidung darüber treffen wir tierindividuell“, betont der erfahrene Züchter, der davon überzeugt ist, dass „eine Kuh zeigt, wenn sie wieder tragend werden will“. Die Zeiten, in denen das Besamungsmanagement alten „Lehrbuchmeinungen“ oder „Beratungszwängen“ folgt, sind nach Ansicht des Betriebsleiters vorbei. Er lehnt auch den Einsatz von Hormonen, um Kühe tragend zu bekommen, ab. Besamt würden die ausgewählten Tiere im Betrieb erst dann wieder, wenn sie einen ordentlichen Brunstzyklus haben und in entsprechender Kondition sind. „Ist die Kuh nach dem Kalben länger in Milch, hat sie sich stabilisiert, auch hinsichtlich ihres Stoffwechsels. Der Besamungserfolg ist dann meist höher.“

Junglandwirt Pascal Schröter mit Kuh Carlotta vor dem Stall.
Junglandwirt Pascal Schröter mit Kuh Carlotta vor dem Stall. (c) Detlef Finger

carolotta – Paradebeispiel für die pHILOSOPHIE DER ZUCHTSTÄTTE

Dass dies nicht nur ein subjektives Gefühl ist, unterstreicht der aktuelle Besamungsindex von 1,6 bei Kühen in der Herde am Kyffhäuser. Zu zeitiges Besamen könne dagegen zu höheren Raten von embryonalem Frühtod führen. „Das bringt den Zyklus der Kühe noch mehr durcheinander. Die machen dann richtig Probleme, bevor sie wieder tragend werden“, so seine Erfahrung. „Es gibt Tiere, die lange auf hohem Niveau melken. Diese wollen wir herausfiltern, um zu sehen, ob es Kuhfamilien gibt, die dieses Talent vererben“, beschreibt der 53-Jährige seine züchterischen Ambitionen.

Die Zwischenkalbezeit (ZKZ) beträgt im Mittel seiner Herde aktuell 458 Tage. „Früher war eine längere Zwischenkalbezeit mit geringeren Gesamtleistungen der Kühe verbunden. Durch bessere Genetik, Fütterung und Melkmanagement ist das heute nicht mehr so“, erklärt er. „Entscheidend ist nicht, wie viele Laktationen eine Kuh melkt, sondern ihre Lebensleistung.“ Carlotta brachte es in ihrer vierten Laktation in 626 (!) Melktagen auf 24.048 l Milch. Und sie ist damit kein Einzelfall im Stall des Südharzer Familienbetriebes, sondern eher ein Paradebeispiel für die Philosophie dieser Zuchtstätte.



Landwirtschaftsbetrieb Schröter: UMSTELLUNG AUF MELKROBOTER

Ein weiteres Tier mit außergewöhnlicher Leistung bei verlängerter ZKZ ist Lucina. Die Doorman-Tochter melkte in ihrer ersten Laktation in 747 Tagen 28.850 l Milch und setzte mit täglich 60 l in der zweiten ein, in der sie nach 238 Tagen schon wieder 12.500 l Milch „auf der Uhr“ hat. Lucinas Mutter, die ebenfalls in der Herde lebt, melkte in drei Laktationen bisher 61.000 l Milch. Eine Färse des Bullen Octoberfest steht nach 552 Melktagen bei 24.480 l Milch und hat aktuell 40 l Tagesgemelk. Weitere Spitzenkühe kommen nach drei Laktationen auf 66.000 l oder in vier Melkzeiten auf 76.000 bzw. 87.000 l Gesamtleistung. „20.000 Liter Milch im Durchschnitt könnten Standard werden – aber eben nicht in 365 Melktagen“, betont Jörg Schröter.

Möglich geworden seien diese Leistungen mit der Umstellung auf Melkroboter vor fünf Jahren. „Der mehrmalige Milchentzug hält die Kühe länger in Milch“, sagt der Landwirt. Der Roboter liefere zudem viele Informationen über jedes Einzeltier – und das tagaktuell. „Das hat uns unsere Kühe auch anders sehen lassen.“ „Kühe mit Exterieur- oder gesundheitlichen Problemen melken wir heute nur noch ab“, erzählt der Betriebsleiter. Erst wenn die Tiere durch jüngere Stallgefährtinnen leistungsmäßig „verdrängt“ würden, werde selektiert.

„Wir wollen unsere Kühe robotertauglich machen und exterieurmäßig weiterentwickeln“, umschreibt Schröter sein Zuchtziel. „Ich bin überzeugt, dass ein gutes Exterieur für ein langes Leben der Kuh von enormer Wichtigkeit ist.“

Eine qualitativ hochstehende Reproduktion der Herde wird durch Einsatz von weiblich gesextem Bullensperma bei ausgewählten Färsen und Kühen gesichert. Die insgesamt geringere Zahl an Kälbern spare Kosten und Zeit. Letztere könne in die verbleibende Nachzucht investiert werden. Neben einem Mehr an Tierwohl für Kühe und Kälber hat die verlängerte Zwischenkalbezeit primär auch einen wirtschaftlichen Effekt: Mit den „Durchmelkern“ stieg die mittlere Herdenleistung des Betriebes im Kontrolljahr 2021 auf 12.700 l Milch.

Die Tilledaer Herde brachte es im Prüfjahr 2021 auf 12.700 l Milch pro Kuh und Jahr. Die  Umstellung auf das Melken mit Robotern (im Hintergrund) trägt dazu maßgeblich mit bei.
Die Tilledaer Herde brachte es im Prüfjahr 2021 auf 12.700 l Milch pro Kuh und Jahr. Die Umstellung auf das Melken mit Robotern (im Hintergrund) trägt dazu maßgeblich mit bei. (c) Detlef Finger

ZUKÜNFTIG SCHLACHTBEFUNDDATEN ?

Jörg Schröter ist allerdings kein Freund von Höchstleistungen um jeden Preis. Vielmehr ist der Züchter sehr auf das Wohl seiner Tiere bedacht. So befürwortet er auch das Erfassen von Schlachtbefunddaten für Rinder, wie es für Tiere im QS-System ab Anfang 2022 verpflichtend wird. Ein solches „Schlachtkuhmonitoring“ ist seines Erachtens ein besserer und ehrlicherer Indikator für Tierwohl als etwa die bloßen Abmaße des Fressganges im Stall. Kommen im Schlachthof ausgemergelte Kühe an den Haken, sei dies Beleg für deren Herkunft aus Problembetrieben. „Ich hoffe, dass die Qualität der Schlachtkühe irgendwann eine größere Rolle spielen wird“, sagt Schröter.

Für Carlotta ist das noch kein Thema, sie möge die 100.000 l „vollmachen“, wünscht sich ihr Züchter. Dass er die Kuh 2020 und 2021 wegen des coronabedingten Ausfalls der „HolsteinVision“ nicht zeigen konnte, bedauert er sehr. Völlig unverständlich sei außerdem, dass diese Ausnahmekuh zu keinem Zeitpunkt durch Zuchtverbände intensiv bearbeitet wurde, obgleich sowohl ihr Zuchtwert als auch ihre Leistungsparameter dies jederzeit ermöglicht hätten. Aber der Landwirtschaftsbetrieb Schröter züchtet in erster Linie natürlich für sich. Und so stehen durch den Einsatz von Embryotransfer (ET) und gesextem Sperma mittlerweile zehn Nachkommen aus der noch jungen Carlotta-Familie auf dem Hof in Tilleda.


Mehr zum Thema „Verlängerte Zwischenkalbezeit“ im kostenlosen Ratgeber „Milchproduktion“, der in der Bauernzeitung 50/2021 beiliegen wird.

Weitere Nachrichten aus den Bundesländern