Linsen: Kaum Ansprüche, aber sensibel
Der Anbau von Linsen stand im Mittelpunkt eines Feldtages in Thüringen. Im Ökobetrieb Frantz in Naitschau startete man im Vorjahr mit der Leguminose und sucht noch nach der besten Stützfrucht.
Von Silvia Kölbel
Linsen sind in Deutschland eine absolute Sonderkultur. In den zurückliegenden Jahren begannen Ökolandbaubetriebe jedoch, die Kultur wieder zu etablieren. An ihrem Nischendasein dürfte sich aber in absehbarer Zeit nichts ändern, nicht in der Republik und auch nicht in Thüringen. Dort fand Ende Juni in Naitschau, in der Nähe von Greiz, ein Linsen-Feldtag statt.
Eingeladen hatten der Anbauverband Bioland und der Landwirtschaftsbetrieb von Matthias Frantz. Der Biobetrieb mit Direktvermarktung bewirtschaftet insgesamt 125 ha Land und baut unter anderem Getreide, Raps, Leguminosen, Kartoffeln und Gemüse an.
Tochter Sophie studiert an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und schreibt gerade ihre Masterarbeit zum Thema Linsenanbau. Für die 25-Jährige stellt sich allerdings nicht die Frage, ob die Linse für den Familienbetrieb als Kultur infrage kommt, sondern welche Stützfrucht sich am besten eignet.
Dass offensichtlich nur wenige Betriebe über einen Einstieg in die Linsenproduktion nachdenken, zeigte sich am Publikum – vor allem junge Leute, Studenten, waren gekommen, aber kaum Landwirte. Und das, obwohl es in Deutschland durchaus einen Markt für Linsen gibt, wie Wolfgang Pfister, Referent und Biolinsen anbauender Landwirt aus dem Raum Stuttgart, berichtete. 98 Prozent der Linsen, die deutsche Verbraucher konsumieren, kommen aus dem Ausland, sagte er.
Weshalb sich nur wenige Landwirte an die Linsenproduktion heranwagen, machten sowohl der Vortrag des Biolandwirtes von der Schwäbischen Alb als auch der Gang über die Versuchsflächen von Sophie Frantz deutlich. Sie hat rund einen halben Hektar in 36 Parzellen (neun Versuchsparzellen, vier Wiederholungen) eingeteilt. Dort wachsen Linsen in Kombination mit den Stützfrüchten Sommergerste, Blaue Lupine, Leindotter und Ackersenf. Für die wissenschaftliche Auswertung hat die Studentin auch Parzellen jeweils in Reinkultur mit Linsen und den jeweiligen Aussaatpartnern angelegt.
Gewächs mit Tücken
Obwohl die Linse zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit zählt, sie wegen ihres Eiweißgehaltes einen hohen gesundheitlichen Wert für die menschliche Ernährung aufweist und sie am besten auf Böden mit einer Bodenzahl von höchstens 40 gedeiht, birgt der Anbau Tücken.
Linsen sind filigrane Gewächse mit dem Hang, ihre Schoten, die jeweils nur zwei Samen enthalten, bodennah abzulegen – trotz Stützfrucht. Das erfordert ein tiefes Ansetzen der Messer und Schneidwerke, die möglichst nicht breiter als neun Meter sein sollten, um wenige Steine und Gluten aufzunehmen.
Diese Besonderheit der Ernte ist bereits bei der Bereitung des Saatbettes zu bedenken. Dieses sollte möglichst eben und steinfrei sein. Sophie Frantz hat den Boden nach der Saat gewalzt, zum einen, um einen besseren Bodenschluss zu erreichen, zum anderen, um die Steine in den Boden zu drücken. Denn das vorherige maschinelle Absammeln der Steine brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Der angehende Linsenanbauer muss auch wissen, dass eine Trocknung nach der Ernte fast immer zwingend erforderlich ist. Und Wolfgang Pfister erklärt, warum: „Linsen müssen bei einem Feuchtegehalt von 15 Prozent gelagert werden. Allein das 24-stündige Liegen der Linsen nach der Ernte auf einem Hänger oder in einem Bigbag führt zur Bildung von Schimmelsporen und verdirbt die Ernte. Linsen reifen, ähnlich wie Raps, von unten nach oben ab, aber ohne jemals das Wachstum ganz einzustellen. Während also die untersten Schoten bereits aufzuplatzen beginnen, finden sich oben an der Pflanze immer noch blühende Triebe. Kurz bevor die untersten Schoten aufplatzen, ist der richtige Erntezeitpunkt erreicht“, so Pfister.
Auf seinen Flächen erntet Pfister einen Hektar pro Stunde. Zu Beginn seiner Karriere als Linsenanbauer vor mehr als zehn Jahren lag die Erntegeschwindigkeit bei 2,5 Stunden pro Hektar.
Die Kunst des Reinigens
Linsengroße Steine im Erntegut stellen das größte Problem bei der Reinigung dar, weil sich die kleinen Steine auch mit den üblichen sieben Siebdurchläufen nur schwer von den Linsen trennen lassen und andere Reinigungsverfahren nötig machen. Wenig empfehlenswert sei die Verwendung von Sommergerste als Stützfrucht. Die gleiche Körnergröße beider Kulturarten erschwert das Aussieben.
Bei Pfister hat sich Leindotter als Partner bewährt. Die Stützfrucht liefert Öl. Pfister erntet im Schnitt 8 dt/ha Linsen, und das bei einer Aussaatmenge von 60 kg Linsen pro Hektar, gemischt mit fünf Kilogramm Leindotter. Sophie Frantz hat sich dafür entschieden, bei den Stützfrüchten 30 Prozent der üblichen Aussaatmenge zu verwenden und 31 k g Linsen pro Hektar zu säen.
In spätfrostgefährdeten Lagen ist die erste Maiwoche ein günstiger Termin für die Aussaat. Sophie Frantz säte am 5. Mai. Geplant war Blindstriegeln vor dem Auflaufen. Das scheiterte aber daran, dass der Boden nach Regenfällen mit 80 Litern pro Quadratmeter viel zu nass war. Ein Striegelgang war dann aber doch noch möglich.
Als störend erwiesen sich die als neutrale Vorfrucht gewählten Kartoffeln. „Trotz minus 20 Grad im Winter haben wir sehr viele Durchwuchskartoffeln“, berichtet sie. Ebenfalls in diesem Jahr problematisch sind die Disteln, die im Vorjahr auf dieser Fläche kaum eine Rolle spielten. Vermutlich habe das Befahren der Fläche mit schwerer Technik zu Bodenverdichtung und damit zu einem vermehrten Auftreten von Ackerkratzdisteln geführt.
Zu diesen Wildpflanzen hat Biolandwirt Matthias Frantz ein gespaltenes Verhältnis. Einerseits ernähren sich auf Disteln bis zu 80 verschiedene Insektenarten. Auch Vögel mögen die Samen. Also sind Disteln ökologisch wertvoll, der Biolandwirt sollte sie nicht verteufeln. Andererseits bereitet die Ackerkratzdistel spätestens bei der Ernte Probleme mit ihren Unmengen an fliegenden Samen.
Saatgutzucht nur im Ausland
Landwirte, die bereit sind, sich den Problemen des Linsenanbaus zu stellen, erwartet ein Markt, der die Ernte mit Kusshand abnimmt. Denn die Nachfrage nach regional erzeugten Produkten steige ständig. Bei Landwirt Pfister, der seine Linsen selbst reinigt und teilweise direkt vermarktet, kostet der 500-Gramm-Beutel im Hofladen 4,80 Euro. Für ungereinigte Rohware zahlte er seinen Anbauern zuletzt 1,95 Euro netto pro Kilogramm. „Ich suche immer noch Kollegen, die Linsen anbauen, auch gerne in Thüringen, denn 500 Kilometer lange Transportwege sind angesichts des globalen Handels mit Linsen vertretbar“, so Pfister.
Linsen sammeln als Leguminosen Stickstoff im Boden und weiten die Fruchtfolge auf. Allerdings sei eine mindestens vierjährige Anbaupause unbedingt einzuhalten, besser wären sechs Jahre, weiß Pfister.
So wie der Landwirt von der Schwäbischen Alb möchte auch Familie Frantz die Linsen direkt vermarkten. Ein erster Versuchsanbau lief bereits voriges Jahr auf dem Hof, allerdings mit Gerste als Mischfrucht, was den Einsatz eines Farbauslesers nötig machte, um die Körner voneinander zu trennen. Frantzens entschieden sich für eine kleinkörnige Suppenlinse namens Anicia. Viel Auswahl bei der Saatgutbeschaffung bestand nicht, denn, so die Studentin: „Es ist schwierig, sortenreines Saatgut zu bekommen.“ Linsenzucht finde komplett im Ausland statt, bestätigte auch Wolfgang Pfister. Er selbst nutze eine samenfeste Sorte und verwende jedes Jahr seine geernteten Linsen als Saatgut. Richard Barth, Bioland-Berater in Thüringen, der die Veranstaltung moderierte, kennt die Zurückhaltung der Betriebe, wenn es um den Linsenanbau geht. „Das ist eine Nische mit Risiken und anspruchsvoller Kulturführung. Aber trotzdem hat die Linse Potenzial“, findet der Bioland-Berater.