Nebenerwerbslandwirtschaft

Audienz beim Holunderkönig

Gestatten: Reinhard König, der Holunderkönig aus Groß Muckrow (c) Heike Mildner
Agrarpraxis
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Sein Reich umfasst 16,2 Hektar: Reinhard König hat seinen Familiennamen mit dem Strauch verbunden, dessen Blüten und Beeren er in Groß Muckrow (Brandenburg) in köstliche Produkte verwandelt.

Von Heike Mildner

Er ist ein seltenes Exemplar: ein König, der arbeitet. Auch wenn die Arbeit momentan mehr eine Art Ergotherapie für die Hände ist: Der Holunder steht in voller Blüte. Ein Teil der Blüten wird zu Sirup, Wein und Gelee verarbeitet. Es reicht nicht, dafür einfach die Dolden abzuschneiden. Die klitzekleinen Blütchen müssen von den Stängeln gezupft und am selben Tag verarbeitet werden, sonst schmecken die Produkte nicht, wie sie schmecken sollen. Und Qualität ist seiner Majestät eben so wichtig wie seinen Kunden. Zwei Kilo reine Blüten ergeben 90 l Sirup.

Der Holunderkönig

Reinhard König ist gelernter Agrotechniker und hat 35 Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Als sein Betrieb vor anderthalb Jahren die Milchviehhaltung einstellte, war für ihn dort mit der Landwirtschaft im Haupterwerb Schluss. Gleichzeitig sorgte Corona mit ausgefallenen Festen und Märkten für einen Absatzeinbruch bei seinen Holunderprodukten. Keine gute Zeit, um vom Neben- in den Haupterwerb zu wechseln. König heuerte in der Industrie an und kämpft jetzt mit gesundheitlichen Folgen dieser Entscheidung. Gut, dass ihm seine Familie auch jetzt zur Seite steht.

„Das ist gut, da fehlt nur noch das Etikett“

Als Reinhard König 2009 sein Nebenerwerb und damit den Holunderkönig als Gewerbe „Obstbaubetrieb/Sonderkultur Holunder mit Selbstvermarktung“ anmeldete, hatte er sich gut überlegt, auf welche Weise er den eher bescheidenen Verdienst als Angestellter in der Landwirtschaft ergänzen könnte. Er wollte seinem Haupterwerbsbetrieb keine Konkurrenz machen, es sollte zu ihm passen, musste neben der Arbeit zu bewältigen sein und es sollte ihn auf lange Sicht interessieren.

Am Holunder reizte ihn zunächst ein Widerspruch: „Meine Oma hat immer gesagt, er sei giftig. Gelesen habe ich aber, er sei einer der ältesten Heilpflanzen in Europa“, erzählt König.
Er las sich ins Thema ein, pflückte wild wachsenden Holunder, verarbeitete ihn und testete seine Kreationen auf Familienfeiern. „Das ist gut, da fehlt nur noch ein Etikett“, ermunterten ihn Freunde und Verwandte.

Motto des Holunderkönigs: lesen, lernen, ausprobieren

Gesagt, getan: 2004 pflanzte Reinhard König 35 Holunderpflanzen der Ertragssorte ,Haschberg‘. Die hatte er in einer Baumschule in Bad Liebenwerda entdeckt. „Je nach Feuchtigkeit treibt die Sorte zwischen 75 cm in einem trockenen und 350 cm in einem regenreichen Jahr aus“, hat König erfahren.

Der Maiaustrieb trägt die Ernte des nächsten Jahres. „Da kann man schon das Potenzial für die Ernte des Folgejahres abschätzen.“ Seine Holunderpflanzen erzieht er zum Viertelstamm, der zwischen 100 und 120 cm hoch wird. „Die Ruten wachsen in die Höhe und biegen sich im Herbst unter der Last der Beeren. Das ist ideal für die Ernte“, so König. Nach der Ernte werden die abgetragenen Ruten zurückgeschnitten. Eine aufwendige Handarbeit, bei der immer wieder familiärer Einsatz vonnöten ist.

Über Stecklingsvermehrung erweiterte König noch 2004 den Bestand auf 83 Pflanzen: lesen, lernen, ausprobieren. Dann konnte er auch seine Betriebsfläche erweitern: 2007 zunächst auf 2,2 ha, und als zehn Jahre später die Pacht für 14,5 Hektar Land auslief, das seiner Mutter gehörte, wurde die 18 km entfernte Fläche nicht wieder neu verpachtet, sondern ins Holunderkönigreich eingemeindet.

„Inzwischen wussten wir, dass und wie es funktioniert“, erzählt König – standesgemäß bei einem Glas Holunderblütenbrause. Allerdings war es da auch an der Zeit, in neue Landtechnik zu investieren. Zu dem alten Eicher, den sein Vater kurz nach der Wende gekauft hatte, gesellte sich ein kleiner, grüner John Deere. Im Gegensatz zum Eicher hat der eine Kabine, in der man auch im Herbst die 18 km zur „Außenstelle“ zurücklegen kann, wenn dort die Bodenbearbeitung ansteht.

Hilfe, nicht nur bei der Landtechnik

Um die Pflege des alten und neuen Kleinschleppers kümmert sich vor allem Reinhards Bruder Roland König, der als gelernter Landmaschinenschlosser genau weiß, an welchen Schrauben er drehen muss, damit der Laden läuft.

Derweil hat Reinhard König all die Maschinen bestens im Griff, die für die Verarbeitung der Blüten und Beeren nötig sind: die hydraulische Saftpresse, Edelstahltanks zum Pasteurisieren und Abfüllen. Seit dem vergangenen Jahr ist auch eine Schneidmühle für Äpfel im Repertoire, mit der man Äpfel zerkleinern kann. „Wir bieten jetzt nach telefonischer Anmeldung auch Lohnmosten an. Das wird sehr gut angenommen. Die Leute freuen sich, wenn sie den Saft von ihren selbst angelieferten Äpfeln mit nach Hause nehmen können“, sagt Reinhard König. „Dafür müssen aber mindestens ab 60 kg Obst zum Verarbeiten da sein, sonst lohnt sich das nicht“, fügt König hinzu.

Er selbst nutzt die Presse für den Holundersaft, der u. a. zu Glühwein verarbeitet wird – der Renner zur Weihnachtszeit. Eigentlich. Denn die Produkte verkauft der Holunderkönig auf Märkten und Festen, den Holunderglühwein auf Weihnachtsmärkten. All das fiel im vergangenen Jahr aus, und so ist das Lager noch gut gefüllt. Gerade vermisst König die bürokratischen Hürden zur Einrichtung einer Abschlagbrennerei und ist diesbezüglich mit dem Zoll in Verhandlung.

Viertelstämme auf der Betriebsfläche in Groß Muckrow. (c) Heike Mildner

Umstellung auf Bio und etwas Zukunftsmusik

Bei einer Abschlagbrennerei bemisst sich im Gegensatz zur Verschlussbrennerei die zu zahlende Alkoholsteuer an der Menge der verarbeiteten Früchte. König verspricht sich davon, die nicht verkauften Säfte selbst verarbeiten und den Alkohol für die eigenen Liköre verwenden zu können. „Die Wertschöpfung muss im eigenen Betrieb bleiben, sonst lohnt sich das nicht“, musste König feststellen.

2017 konnte der Holunderkönig nach dreijähriger Umstellungszeit zum ersten Mal Bio-Ware verkaufen: auch das eine Frage der Wertschöpfung. „Der Holunder eignet sich gut für den Bio-Anbau. Einzig Blattläuse machen in den Blüten Probleme. Aber bis die Beeren reif sind, sind die Läuse weg“, hat König festgestellt und freut sich, dass er für die Bioprodukte – bei Verwendung von teurerem Biozucker – auch einen höheren Preis verlangen kann.

Zudem wird der Anbau von Bio-Obst in Brandenburg gut gefördert. Auf der 14,5-Hektar-Fläche seiner Mutter hat König neben Holunder auch Maulbeeren, Schlehen und Walnüsse angepflanzt, die in drei, vier Jahren erste Erträge bringen. Möglich also, dass der findige Agrotechniker aus Groß Muckrow doch irgendwann Holunderkönig im Haupterwerb wird – so Corona wieder Feste und die persönliche Gesundheit den vollen Einsatz zulassen. Für beides kann man nur viel Glück wünschen.