Bisons von Gerd Jäger: Schwer verliebt
Seine Bisons sind für Gerd Jäger in Petzow vor allem Lebensfreude und Entspannung. Damit die Herde nicht zu groß wird, wird in Abständen ein Tier per Weideschuss entnommen und dessen Fleisch direktvermarktet.
Von Silvia Passow
Da unten ist es ja auch ganz schön, dachte sich Gerd Jäger immer wieder beim Anflug auf Berlin. Der langjährige Pilot für Verkehrsmaschinen hat einen ausgeprägten Hang zum Wasser. Die Havel, ihre vielen Seen, das gefiel ihm, der schon von Berufs wegen die halbe Welt gesehen hatte. „Ich habe mich von oben verliebt“, sagt er und lacht.
1995 wurde Jäger nach Berlin versetzt, die Havel rückte in greifbare Nähe. Und als sich die Möglichkeit bot, griff er zu, kaufte ein Seegrundstück in Petzow, einem idyllischen Dorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark mit Schloss und einer nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbauten Kirche. Nicht weit entfernt liegt Werder mit seinem Obstanbaugebiet.
Jäger fand in Petzow endlich eine Heimat und seine große Liebe, erzählt er. Klingt perfekt, doch dann trafen zwei Dinge zusammen. „Angela Merkel, unsere damalige Kanzlerin, sagte, unser Erspartes sei sicher“, erzählt er. Zur gleichen Zeit kursierten im Ort Pläne zum Bau eines Golfresorts mit Ferienanlage. Genau dort, wo es so schön grün war, wie Jäger fand. Er durchkreuzte die Pläne, kaufte die elf Hektar Land und war erst einmal erleichtert. Kein Golfrasen, keine Nobelkarossen, die durch Petzow düsen würden. So war das Geld nach seinem Gefühl besser angelegt.
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Bisons von Gerd Jäger: Tiere mit Charakter
Doch was macht man mit dem geretteten Grünland? Jäger ist selbst auch Jäger, sein Revier liegt in der Döberitzer Heide im Havelland. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz hat die Heinz-Sielmann-Stiftung eine geschützte Naturlandschaft geschaffen. In deren für den Menschen nicht zugänglicher Kernzone leben Wisente. Bei deren Auswilderung half Jäger, der sogleich begeistert von den gewaltigen Tieren war.
Doch Wisente, sagt er, sind Waldtiere, wenn auch ursprünglich in Europa beheimatet. Der aus Nordamerika stammende Bison ist dagegen ein Steppentier. Und so zogen im Jahr 2015 drei trächtige Bisonkühe nach Petzow. Ein Jahr später kam Herkules, ein Bulle aus belgischer Zucht, dazu. Seitdem lernt Jäger ständig weiter über seine Weidetiere, etwa ihre sozialen Bindungen, ihren Familiensinn.
Bisons zu halten ist anspruchsvoll. Der Zaun muss hoch und stabil sein, ein Bulle bringt 1.200 kg auf die Waage. Ihr behäbiges Aussehen täuscht. Sie sind sehr agil, können nicht nur schnell, sondern vor allem auch lange laufen. Und, Achtung, springen! Jäger sagt, er habe schnell gelernt, dass die Tiere am liebsten fressen, was die Natur hergibt.
Nichts aussäen, einfach wachsen lassen. Dazu mögen sie als Nascherei Äpfel, und sie bekommen Treber von einer Biobrauerei als Frühstück. Die Gänge, in denen die Tiere auf andere Flächen oder in den Fangstand getrieben werden, hat Jäger selbst gebaut – aus Holz. Damit sich die Tiere nicht erschrecken, verzichtet er so weit wie möglich auf Metall.
Nach einem Arbeitsunfall steht noch nicht fest, wie es beruflich für den 65-Jährigen weitergeht. Herumsitzen kommt nicht infrage, und so hat er auf seinem Hof seine eigene Tischlerei eingerichtet. Braucht er Entspannung, besucht er die Bisons: „Ihre liebevollen Blicke, die sie untereinander tauschen, das ist unbezahlbar.“
Herde: Kämpfe bis zum Tod
Die Herde macht alles zusammen: gemeinsam fressen, wiederkäuen, ausruhen, spazieren gehen. Dabei achten sie genau auf die acht Kälber, die derzeit in der Herde leben. „Man darf nicht vergessen, es sind Wildtiere“, unterstreicht Jäger. Man kann sie durch den Zaun hindurch streicheln und sollte dabei doch achtsam sein. Wähnen sie sich in Gefahr, kommen die Hörner zum Einsatz.
Und wie in jeder Familie gibt es auch hier Streitigkeiten. Der junge Bulle Pedro war so ein Haudrauf. Das ging so weit, dass er einen Artgenossen tödlich verletzte. Jäger erzählt, dass er beobachten konnte, wie zunächst eine der Kühe ziemlich aufgeregt bei dem auf dem Boden liegenden Tier stand. Der Rest der Herde kam hinzu, versuchte nun, mit den Hörnern den toten Körper auf die Füße zu stellen. „Das ging ungefähr zwanzig Minuten so“, berichtet Jäger. Eine Beobachtung, die noch wichtig werden wird.
Denn inzwischen waren es zu viele Tiere, eines musste entnommen werden. Jäger sagt, Bisons könnten nicht einfach auf einen Anhänger verladen und zum Schlachthaus gefahren werden. Mal abgesehen davon, dass ein solches nicht leicht zu finden wäre. Ihm sei von einem solchen Versuch erzählt worden. Zwei Bisons wurden zu einem Schlachthof gebracht, entkamen dort. Am Ende musste ein Jäger sie stoppen und der Schlachthof war erst einmal nicht mehr nutzbar, unter anderem, weil die Tiere Bereiche kontaminiert hatten.
Weideschuss: Kein Stress für die Tiere
Stress und Unruhe sind etwas, das Jäger für seine Tiere ohnehin vermeiden will. Er entschloss sich zum Weideschuss, der seit vorigem Jahr auch in Brandenburg durchgeführt werden kann. Bei ganzjährig auf der Weide lebenden Rindern soll dann ein Tier aus der Gruppe herausgeschossen werden. „Innerhalb von 60 Sekunden soll der Schnitt zum Ausbluten erfolgen. Und hier wird es schwierig, wenn die Herde sich erst einmal um das tote Tier versammelt“, sagt Jäger und fügt hinzu: „Da sollte man auf keinen Fall dazwischengehen.“ Für ihn war klar: Er würde das Tier vorher aussuchen und separieren müssen.
Also Kontakt zum Veterinäramt aufnehmen, die Amtstierärztin erteilte ihre Genehmigung. Sie muss ohnehin dabei sein, wenn der Schuss fällt, ebenso wie der Metzger. Vorher musste der ausgebildete Jäger noch einen einwöchigen Kurs absolvieren. Die Fläche, auf der der Schuss abgegeben wird, müsse von der Waffenbehörde der Polizei genehmigt werden, erzählt Jäger und atmet tief durch.
Er selbst habe mal eine Fluggesellschaft gegründet. „Das war deutlich einfacher“, fügt er hinzu. Schließlich gewöhnte er Pedro mit Äpfeln an die Fläche. Kein Stress, auch nicht an dem Tag, als der Schuss fiel. So wünscht sich Jäger das, ruhig und respektvoll. Dazu gehört auch, dass nicht mehr Menschen dabei sind als für die Tötung auf der Weide unbedingt nötig.
Bison-Fleisch ist sehr gefragt
Pedro wurde im vergangenen Dezember von Jäger selbst erschossen. Das fiel ihm nicht leicht und musste doch sein, sagt er. 580 kg Fleisch, die wurden in zwei großen Eisschränken und in zwei Dry-Agern (Reifekühlschränken) gelagert und fanden reißend schnell Absatz, sagt Jäger. Gern zeige er Besuchern die Bisons, die Anlage, dann gäben die Kunden auch gern mehr Geld aus, sagt er.
Inzwischen hat er das zweite Tier schießen müssen. Die Preise liegen zwischen 30 €/kg für Beinscheiben und 119 €/kg fürs Filet. Vermarktet wird direkt. „Der Hof trägt sich“, sagt Jäger auf Nachfrage. Wobei das Geld, der Gewinn, für ihn nicht im Vordergrund stehe, fügt er hinzu. „Das ist ganz viel Herzblut.“
Auch musste er für seinen Hof keine Kredite aufnehmen, hat sein Privatvermögen investiert. Und was nun über den Fleischverkauf hereinkomme, werde wieder investiert, sagt er. Es bleibe aber genug, um einen Mitarbeiter zu bezahlen, den er gern einstellen würde. Geschossen werde, wenn ein Tier aus der Herde wegen des Platzangebotes herausmüsse.
Termine, die Preisliste und der Bestellschein finden sich im Internet unter bisonhof-petzow.de.
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