Cossebauder Kartoffelacker: Alte Gärtnertradition im Elbtal

Mit solch einer Siemens/ Bungartz-Fräse arbeitete schon Albrecht Rößlers Urgroßvater. © Silvia Kölbel
Nebenerwerb
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Anfangs kam der Anbau von Kartoffeln und Gemüse in der Lebensplanung von Albrecht Rößler nicht vor. Doch dann fand der 38-Jährige aus Cossebaude bei Dresden Gefallen an der Arbeit in der Natur auf dem „Cossebauder Kartoffelacker“.

Von Silvia Kölbel

Bis 2017 hatte Albrecht Rößler (38) aus Cossebaude im Elbtal, nahe Dresden, nichts mit Landwirtschaft zu tun. Trotzdem baut er nun schon seit vier Jahren gemeinsam mit seiner Freundin, Lisa Gräf, unter dem Firmennamen „Cossebauder Kartoffelacker“ Speisekartoffeln an.

Dieser Sinneswandel stellte sich mit den Überlegungen ein, etwas für den Erhalt der ursprünglichen Kulturlandschaft des Elbtals tun zu wollen, das von der gärtnerischen Nutzung der Flächen geprägt war. Albrecht Rößler ist Lehrer für Englisch und Geschichte. Von daher, von den Berichten innerhalb der Familie und teils noch vom eigenen Erleben als Kind und Jugendlicher ist ihm die Geschichte der 120 Jahre zurückreichenden Tradition des Gartenbaus vertraut.

Albrecht Rößler mit Kartoffeln auf dem Cossebauder Kartoffelacker
Lila Schale und Fleisch zeichnen die Sorte „Blaue Anneliese“ aus. © Silvia Kölbel

Sein Ururgroßvater hatte um die Jahrhundertwende eine Gärtnerei gegründet – genau an der Stelle, auf der jetzt Rößlers Knollen wachsen. Ihre Blütezeit erlebten diese Gärtnerei und viele weitere, die sich im Elbtal ansiedelten, erstmalig nach 1930, als bereits Rößlers Urgroßvater den Betrieb übernommen hatte.

In den 1960er-Jahren folgte die teilweise Enteignung. „Bei uns waren es die 50 Prozent meines Großonkels, der in den Westen geflüchtet war. Mein Uropa konnte den staatlichen Anteil zumindest teilweise wieder auslösen“, erzählt Rößler.

Schäden durch Flut

Noch vor dem Mauerbau verließen viele Gärtner der Region das Elbtal Richtung Papenburg im Emsland, das noch heute von der damaligen gezielten Ansiedlung umgesiedelter Gärtner profitiert, während die Gebäude im Osten, vor allem nach der Wende, dem Verfall preisgegeben waren.

„Auf dem gesamten Gelände hier standen bis 1990 noch Gewächshäuser aus den 1930er-Jahren – Stahlgerippe mit Holzsprossen und große Felder mit Frühbeetkästen“, so Rößler. Die alten Gebäude waren bis unters Dach vollgestellt mit ebenso alter Technik. Nach der Wende sei zudem der Absatz in den Gärtnereien eingebrochen. „Das Hochwasser 2002 hat vielen alten Gebäuden den Rest gegeben“, erinnert sich Rößler noch gut an das Bild der Verwüstung und Zerstörung. Die heute noch existierenden Nachbargärtnereien beschäftigen sich vornehmlich mit Zierpflanzen.

Für den damals 19-jährigen Rößler gab es 2002 angesichts der Flutschäden keinen Grund, einen Gedanken an eine gärtnerische Ausbildung zu verschwenden. Ohne fachliche Ausbildung begann er somit vor vier Jahren, den Nebenerwerbsbetrieb aufzubauen. Heute wachsen bis zu neun Sorten Kartoffeln auf rund einem Zehntel der insgesamt 2,5 ha großen Fläche.

Gemüse über „Marktschwärmer“ vermarktet

Aus Fruchtfolgegründen rotieren die Knollen im Fünfjahresrhythmus auf dem Areal. Auf den übrigen Schlägen baut Rößler vornehmlich Luzerne oder Kleegras an oder er legt Blühflächen an. Seit diesem Jahr wuchsen auch Kürbisse, Zwiebeln und Knoblauch auf dem Cossebauder Kartoffelacker. Den Aufwuchs des Ackerfutters trocknet und presst der Landwirt für seine kleine, zehnköpfige Schafherde, die auch zum Nachweiden der abgeernteten Flächen zum Einsatz kommt.

Ihr Gemüse vermarktet das Paar im Hofladen einer benachbarten Gärtnerei und über die Online-Plattform „Marktschwärmer“. An einer zentralen Verteilstelle holen die Kunden ihre Bestellung bei einem sogenannten Gastgeber ab. „Das ist für uns eine sehr praktische Form der Direktvermarktung. Wir packen ab, was bestellt ist, und liefern an“, sagt Rößler.

Dürre und Unkraut auf dem Cossebauder Kartoffelacker

Albrecht Rößler vom Cossebauder Kartoffelacker mit Kartoffeln
In Tüten verpackt, gehen Rößlers Kartoffeln zu den „Marktschwärmern“. © Silvia Kölbel

Obwohl ihr Betrieb keinem Anbauverband angehört und auch keine EU-Biozertifizierung hat, verzichten die Nebenerwerbslandwirte auf chemischen Pflanzenschutz. Da drei der letzten vier Jahre durch Trockenheit geprägt waren, gab es ohnehin eher ein Wasser- denn ein Unkrautproblem. Rößler baute deshalb im vorigen Jahr eine Wasserleitung, um seinen Acker zu bewässern.

Diese hat seit ihrer Fertigstellung im Frühjahr noch keine Tropfen Wasser gesehen, da die diesjährigen Niederschläge ausreichten. Dafür machten sich nun Wildpflanzen zwischen den Kartoffeln, Zwiebeln und Kürbissen breit. „Drei Wochen vor der Zwiebelernte habe ich den Kampf gegen das Unkraut verloren“, räumt Rößler ein. Zu diesem Zeitpunkt schadete der Wildwuchs aber nicht mehr. Mit der Zwiebel- und Knoblauchernte war Rößler zufrieden.

Queckenproblem auf dem Kartoffelacker

Allerdings gibt es im Kartoffelacker ein Queckenproblem. „Bei den zuerst geernteten Sorten machten sich die Quecken noch nicht störend bemerkbar“, sagt der junge Mann. Doch durch die Knollen, die bis Ende September in der Erde liegen blieben, bohrte das hartnäckige Unkraut seine unterirdischen Ausläufer.

Da weder Albrecht Rößler noch seine Partnerin Lisa, die aus der Stadt kommt und in ihrem Hauptberuf einem Bürojob nachgeht, über landwirtschaftliche Vorkenntnisse verfügen, ist das Bewirtschaften des Ackers ein ständiger Lernprozess.

Den meistert Rößler auch dank vieler Freunde aus der Nachbarschaft, die Gärtnereien betreiben. Auch sein inzwischen verstorbener Großvater, ein gelernter Gärtnermeister, war ihm ein guter Ratgeber, der sich allerdings ein wenig über die Initiativen seines Enkels wunderte. Hatte dieser doch einen auskömmlichen Beruf, ohne all die Probleme, die das Arbeiten in und mit der Natur mit sich bringt.

Traktoren vom Cossebauder Kartoffelacker
Zwei alte Traktoren werden für die Feldarbeiten auf dem Cossebauder Kartoffelacker eingesetzt. In Tüten verpackt, gehen Rößlers Kartoffeln zu den „Marktschwärmern“. © Silvia Kölbel

Doch Albrecht Rößler sagt: „Ich fühle mich der Arbeit meiner Vorfahren und dem Erhalt dieser Kulturlandschaft verpflichtet.“ Die Betätigung an der frischen Luft tue ihm gut. „Wirkliche Erfolgserlebnisse habe ich hier, wenn ich ernten kann, was ich angebaut habe, oder wenn ich den Schaltplan der Traktorelektrik endlich verstanden habe. Interessiert hat mich diese Tätigkeit schon immer, auch wenn ich nie auf die Idee gekommen bin, einen Beruf daraus zu machen. Aber schon beim Hochwasser 2002 wollte ich unbedingt die Siemens/Bungartz-Fräse K5 meines Urgroßvaters retten.“

Alte Technik im Einsatz

Diese Geräte lösten in den 1930er-Jahren die Pferde ab. Man konnte damit den Boden in den Gewächshäusern bearbeiten. Zwei solcher alten Fräsen hat Rößler deshalb gekauft. Sie sind funktionstüchtig und kommen ab und zu zum Einsatz.

Den Umgang mit seinen beiden Oldtimer-Traktoren eignete sich Rößler selbst an. Statt Handarbeit übernahm dieses Jahr zudem ein alter Siebkettenroder die Ernte der Kartoffeln, und auch das Sortieren möchte er mithilfe älterer Technik, die für seine Zwecke ausreichend sei, vereinfachen.

Rößler probiert jedes Jahr ein paar neue Kartoffelsorten aus. Manche funktionieren auf seinem Boden, manche nicht. Auch die Kundenakzeptanz sei unterschiedlich. Im Moment sei der Sortenmix aus „Blaue Anneliese“, „Heiderot“ und „Heidemarie“ der Bestseller. Viele Kunden bevorzugen dagegen auch gängige gelbschalige Sorten.


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