Landwirtschaft im Nebenerwerb: Ein Stimmungsbild
Wie ist die Stimmung in der Landwirtschaft bei Betrieben im Nebenerwerb? Die exklusive Umfrage der Hochschule Neubrandenburg gibt Einblicke.
Die Stimmung und Situation unter Nebenerwerbsbetrieben im Osten spiegelt eine exklusive Umfrage der Hochschule Neubrandenburg wider. Oft sehen sich Nebenerwerbe in der Landwirtschaft gegenüber den Haupterwerbsbetrieben benachteiligt.
Teil 1 fasst die Ergebnisse zur Gründung und Strukturen von Nebenerwerbsbetrieben zusammen. Teil 3 behandelt die gesellschaftliche Leistungen und Stellung des Nebenerwerbs in der Agrarpolitik und erscheint in einer der kommenden Ausgaben.
Überbetriebliche Zusammenarbeit unabdingbar
Eine vollständige Mechanisierung macht bei oft kleineren Flächen, wie sie im Nebenerwerb bewirtschaftet werden, nur selten Sinn. Die meisten Betriebe verfügen aber zumindest über einen Traktor (91 %). Auch für die Grünlandwirtschaft gibt es auf vielen Höfen Technik (64 %).
Dagegen ist im Ackerbau nur bedingt eigene Ausstattung vorhanden. Sä-, Dünge- und Pflanzenschutztechnik ist nur zu 19–25 % verfügbar. Für die Bodenbearbeitung haben immerhin 54 % der befragten Betriebe Geräte. Gerade im Ackerbau sind also viele Nebenerwerbler auf überbetriebliche Zusammenarbeit mit Lohnunternehmen oder Nachbarschaftshilfe angewiesen. Betriebswirtschaftlich ist das bei kleinerem Flächenumfang sicherlich vielfach sinnvoll.
Teils auch Bodenkäufe
Sehr viele Betriebe haben in den letzten Jahren investiert (94 %). Eine bessere Technikausstattung stand dabei im Vordergrund: 78 % tätigten Investitionen in Schlepper oder sonstige Fahrzeuge. Vereinzelt wurden auch Pressen oder Mähwerke gekauft.
Knapp 40 % der Befragten investierten in ihre Wirtschaftsgebäude, immerhin 26 % engagierten sich im Bereich des Bodenzukaufs. 64 % der Befragten planen auch in den kommenden Jahren Investitionen, ein nahezu ähnlich hoher Wert wie bei der letzten Befragung (70 %).
Der Beitrag des landwirtschaftlichen Nebenerwerbs zum Familieneinkommen fällt eher ernüchternd aus. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (53 %) gab an, ihre Betriebe arbeiteten kostendeckend. 26 % erhalten einen soliden Zuverdienst, während mit 21 % nahezu gleich viele angaben, den Betrieb nur durch Quersubventionieren aus anderen Quellen aufrechterhalten zu können. Gegenüber der 2021er-Befragung hat sich an der ökonomischen Profitabilität kaum etwas geändert.
Infos aus Zeitung
Als Informationsquellen dominieren bei den befragten Nebenerwerblern Fachzeitschriften (85 %), Berufskollegen (77 %) und Internet (76 %). Der Landhandel wurde von 36 % angeführt. Unter den Fachzeitschriften wird die Bauernzeitung am häufigsten genannt (61 %), gefolgt von top agrar, agrarheute und profi. Hinzu kommen einige spezifische Zeitungen, z. B. für die Schafhaltung.
Eine weitere Frage zielte auf die Erwartungen an Fachzeitschriften ab. Hier wurde u. a. der Wunsch nach regionalen Berichten, Betriebsreportagen, mehr Informationen für kleinere und Familienbetriebe, zur Agrarförderung, aber auch zu produktionstechnischen Aspekten wie dem Pflanzenschutz geäußert. Vor allem wurden mehr Informationen zur Nebenerwerbslandwirtschaft gewünscht.
Trotz der vielfältigen, differenzierten Erwartungen fühlt sich die Mehrzahl der Befragten (72 %) zumindest zu agrarpolitischen Themen gut oder eher gut informiert. Der Kontakt zu den Landwirtschaftsämtern wird ganz überwiegend (82 %) als gut oder sehr gut eingeschätzt. Beratung nehmen 44 % der Befragten in Anspruch. Hier spielt die Agrarberatung vor der Industrie (Pflanzenschutzmittelhersteller) die größte Rolle. Angesichts rasanter technisch und produktspezifischer Neuerungen wie auch zunehmender regulatorischer Dichte ist dies aber ein eher niedriger Wert.
Hohe Arbeitsbelastung
In gut 60 % der Fälle haben die Befragten eine formale landwirtschaftliche Qualifikation mit Ausbildung, Fachschule oder Studium, 38 % führen den Hof ohne entsprechende Fachausbildung. Die Arbeitserledigung und „alles unter einen Hut zu bringen“ – Landwirtschaft, außerlandwirtschaftliche Berufstätigkeit, Familie und Freizeit – ist eine zentrale Herausforderung für sehr viele Nebenerwerbslandwirte.
In 81 % der Fälle arbeiten der/die Befragte, Partner/-in oder beide außerhalb der Landwirtschaft. Letzteres immerhin in 36 % der befragten Betriebe. Daraus resultiert eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 57 Stunden. Diese setzt sich aus 35 Stunden im außerlandwirtschaftlichen Job sowie 22 Stunden in der Landwirtschaft zusammen. Gegenüber der letzten Befragung stieg die angegebene Arbeitszeit um zwei Stunden. Um die anfallende Arbeit zu erledigen, arbeiten der Partner oder die Partnerin in vielen Fällen (78 %) mit, ebenso Eltern, Kinder oder andere Verwandte (76 %). Etwa je zur Hälfte erfolgt diese Mitarbeit täglich oder regelmäßig.
Nebenerwerb als Herzensprojekt
Spannend bleibt die Frage, aus welchen Motivationen heraus Nebenerwerbslandwirte ihre Betriebe vor allem bewirtschaften. Dazu wurden den Befragten Aussagen vorgestellt, denen sie zustimmen konnten oder eben nicht (Abb.). Die Motivation zeigt sich vor allem bei den drei Fragen nach der Erfüllung, der Selbstständigkeit und dem Lebenstraum.
Für alle Befragten ist Landwirtschaft offensichtlich eine erfüllende Tätigkeit. Beim Lebenstraum ist die Zustimmung etwas schwächer, einige Befragte sehen dies auch nicht so. Selbstständigkeit ist dagegen für fast alle eine wichtige Komponente ihres Tuns. In sehr vielen Fällen stellt die Landwirtschaft zudem eine Familientradition dar. Andererseits empfinden immerhin 45 % der Befragten die Nebenerwerbslandwirtschaft zugleich als Last.
Intrinsische Motivation als Antrieb
Trotz hoher Arbeitsbelastung und der Tatsache, dass sich der Nebenerwerb vielfach zwar trägt, aber nicht im großen Stil zum Familieneinkommen beiträgt, bringt die Landwirtschaft vielen Beteiligten offensichtlich Freude, Spaß und Erfüllung und ist mitunter wohl auch Ausgleich zu der Arbeit „draußen“. Man spricht in solchen Fällen von intrinsischer Motivation, die weniger durch äußere Faktoren, sondern mehr durch die innere Einstellung getragen wird.
Bei der Frage nach künftigen Schwierigkeiten lassen sich vier Komplexe unterscheiden: Regulierung und Bürokratie (38 %), wirtschaftliche Faktoren (Preise und Kosten, 27 %), Bodenmarkt (Flächenverfügbarkeit, 20 %) sowie Aspekte im persönlichen Bereich, etwa fehlende Hofnachfolge (9 %).
Von Bürokratie genervt
Als größte Herausforderung werden wachsende Bürokratie, die damit verbundenen Belastungen und der Zeitaufwand genannt. Viele Nebenerwerbler stöhnen allgemein über die Bürokratie, während andere konkrete Probleme ansprechen, z.B. mit der Finanzverwaltung.
Eine ganze Reihe der Befragten stellte zudem fest, dass es immer schwieriger wird, den Überblick über die verschiedenen Regelungen und Verordnungen zu behalten. Ein Landwirt mit 30 ha Fläche beklagte etwa, dass ihm bei einer Kontrolle acht Personen mit ihrem Spezialwissen gegenüberstanden, und von ihm erwartet wurde, sich in allen Bereichen entsprechend auszukennen.
Flächen-Verfügbarkeit besonderes Problem
Steigende Betriebsmittelkosten sowie zunehmende Festkosten für Versicherungen etc. sprachen ebenso einige an. Dem stünden unsichere und ungünstige Preise gegenüber, also eine allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit.
Ein besonderes Problem für Nebenerwerbsbetriebe stellt offensichtlich die Flächenverfügbarkeit dar. Einige Befragte beklagten eine allgemeine Benachteiligung gegenüber Haupterwerbs- und Großbetrieben, andere konkrete Benachteiligungen bei BVVG-Flächen. In wenigen Fällen wurde die fehlende Hofnachfolge benannt. Ein Befragter bedauerte diese – trotz der Eigentumsbasis. Zwei Betriebe erwähnen explizit die Wolfsproblematik.
Nebenerwerb oft ungleich behandelt
Dementsprechend fallen die Wünsche nach Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Nebenerwerbslandwirtschaft aus, nach denen gefragt wurde. Aus den Äußerungen wird deutlich, wo vielen Landwirten der Schuh drückt: „Der Bürokratieaufwand muss deutlich geringer werden“, „Vereinfachung von Regeln und Strukturen“, „zu viele bürokratische Hürden“, „weniger Bürokratie und Beschränkungen, die Grenze wenigstens auf 50 ha anheben“, „pingelige Bürokratie wesentlich vereinfachen“ oder „wir brauchen mehr Freiraum“ sind einige der Bemerkungen hierzu.
In einigen Fällen wurde eine generelle Ungleichbehandlung moniert und deren Abbau gefordert: „gleichberechtigt bei Pachtausschreibungen“, „bessere Gleich und Wertschätzung zum Haupterwerb“, „unter den geltenden Bedingungen spielt die Nebenerwerbslandwirtschaft keine Rolle, die Politik wird für Großbetriebe gemacht“ waren Aussagen, die dieses Empfinden ausdrücken.
Eine ganze Reihe der hier zitierten Bemerkungen, gerade zum Bürokratieaufwand und dem Wunsch nach Verringerung des Aufwandes in diesem Bereich, würden sicherlich auch Haupterwerbsbetriebe oder andere unterschreiben. Für die meist kleineren Nebenerwerbsbetriebe stellt dies aber einen besonderen Faktor dar, denn zum einen verteilt sich die hier eingesetzte Arbeitszeit letztlich auf weniger Fläche und Tiere und zum anderen ist Arbeitszeit durch die Doppelbelastung von außerlandwirtschaftlicher Tätigkeit und den landwirtschaftlichen Arbeiten besonders knapp. Freude bereitet Bürokratie ohnehin kaum jemandem, sodass die Motivation zusätzlich leidet.
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